Außer einem Hendl braucht es nicht mehr zum Glück als Salz, Mehl, Ei und Brösel. Zitrone und etwas frittierte Petersilie sorgen für die Vollendung.

Außer einem Hendl braucht es nicht mehr zum Glück als Salz, Mehl, Ei und Brösel. Zitrone und etwas frittierte Petersilie sorgen für die Vollendung.
© Joerg Lehmann

Was wäre die Steiermark ohne das Backhendl?

Falstaff weiß alles über das Nationalgericht und hat die passenden Rezepte parat.

Zwar gilt das Backhendl als Klassiker der Wiener Küche, seine wahre Heimat liegt aber in der Steiermark. Tatsächlich findet es sich hier nicht nur in auffallender Dichte, sondern auch noch in überragender Qualität. Doch bis dorthin war es ein langer Weg.

In vielerlei Hinsicht ist die Steiermark eine Insel – auch in kulinarischer. Das wissen Exilsteirer genauso wie Businessreisende und sonstwie Abtrünnige, denn sie alle eint eine leidvolle Erfahrung: Kaum liegen die Grenzen des heimatlichen Bundeslandes hinter einem, kommt der Salat im Wirtshaus plötzlich eigentümlich blass daher. Die Selbstverständlichkeit des Kernöls ist ein landesweites Phänomen, ebenso sein schmerzliches Fehlen im Rest Österreichs. Ein ähnliches Schicksal teilt sich das unwidersprochen beste Salatöl der Welt mit dem inoffiziellen steirischen Nationalgericht. Denn auch ein ordentliches Backhendl scheint, kaum einen Schritt gen Nieder-, Oberösterreich, Salzburg, aber eigentlich völlig egal, wohin, getan, urplötzlich mindestens ein Universum entfernt.

Dabei handelt es sich beileibe um kein allzu komplexes Gericht, trägt es doch Zubereitung wie Zutaten bereits im Namen und gilt seit geraumer Zeit eben als ultimativer Bestandteil der traditionellen Wiener Küche. Und doch weiten sich die Augen jedes Steirers vor Entsetzen, wenn in der Bundeshauptstadt ein Backhendl bestellt und daraufhin ein paar Brocken paniertes, ausgelöstes (!) Hühnerfleisches serviert werden. Denn ein echtes steirisches Backhendl kommt freilich mit Knochen zu Tisch, üblicherweise in vier paarweise vorhandenen Teilen: Brust, Haxen, Oberhaxen, Flügel und – noch klassischer  – gekrönt von kleinen Geschmacksexplosionen in Form von Leber und Magen.

Goldene Zeiten

Gut 300 Jahre sind jene Kochbücher alt, in denen sich die ersten deutschsprachigen Rezepte für gebackene Hühner und Tauben finden. Doch die Zubereitungsart ist noch um einiges älter: Schon in Byzanz soll Fleisch mit gemahlenen Brotresten umhüllt und in Fett gebacken worden sein, einige Jahrhunderte später trug eine recht gewöhnungsbedürftige Essgewohnheit des italienischen Adels dazu bei, dass das Panieren an Beliebtheit gewann. Im 15. Jahrhundert nämlich war es in gehobenen Kreisen üblich, die ohnehin opulent geschmückten Speisen zusätzlich mit Blattgold zu verzieren. Geschuldet war das nicht nur der Optik und einer unbestreitbaren Dekadenz, sondern auch vermeintlich medizinischen Vorteilen. Gold galt als gesundheitsfördernd und sollte besonders bei Herzkrankheiten heilende Wirkung haben. Als der Konsum des Edelmetalls jedoch überhandnahm – und sogar per Gesetz eingeschränkt werden musste –, sollen sich kreative Köche auf die Suche nach einer Alternative gemacht haben und daraufhin bei der alten Technik des Herausbackens gelandet sein. Schließlich kommt diese dem goldenen Ergebnis der Ursprungsidee am nächsten. Ob Fakt oder Küchenlegende, das Endprodukt jedenfalls war gewiss um einiges wohlschmeckender. Ist Blattgold doch, im starken Gegensatz zur reschen Panier aus dünner Mehlhülle, frisch verquirltem Ei und Semmelbrösel, geschmacksneutral.

So traten Wiener Schnitzel, Backhendl und die ihrigen schließlich auch die Reise in den Norden an und sind dort spätestens seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert kulinarische Fixstarter. Da nämlich tauchte das »Gebackene Schnitzel« genauso im »Kleinen Österreichischen Kochbuch« auf wie wenige Jahre später das »Backhendl auf Wiener Art« in der »Theoretisch-praktischen Anleitung zur Kochkunst«.

Heimat des guten Geschmacks

Bis zum frühen 19. Jahrhundert war das gebackene Huhn der wohlhabenden Schicht vorbehalten, bevor es einen wahren Siegeszug durch alle kulinarischen und gesellschaftlichen Bereiche hinlegte – die Biedermeier-Zeit mit ihrer blühenden Wirtshauskultur wird deshalb oftmals auch als »Backhendlzeit« bezeichnet. Warum das Gericht heute trotz seiner Verortung in der Wiener Küche als Ur-Steirer gilt, bleibt ein Geheimnis der Geschichte. Fest steht allerdings: Nirgendwo anders ist die Dichte an ausgezeichneten Exemplaren ähnlich hoch wie im Grünen Herz Österreichs.

Gerade in der Landeshauptstadt sind die Wirtshäuser zahlreich und es wird eine Weile dauern, bis man sich höchstselbst durchgekostet und den persönlichen Favoriten erkoren hat. Das gilt aber auch für den weitläufigen Rest des Landes. Der Süden, sonst vielbesungene Heimat von Vulkanland und Weinbergen, wartet dabei mit einer regionstypischen Geschmackskombination auf: Zum feinen Backhendl schimmert am besten ein fruchtiger Sauvignon im Glas, der mit seinem nuancierten Säurespiel als geradezu perfekter Begleiter zur panierten Köstlichkeit daherkommt.

Das Hendl-Einmaleins

Zu Tisch kommt ein steirisches Backhendl klassisch simpel – begleitet nur vom Zitronenschnitz. Gebackenes verträgt sich eben unvergleichlich harmonisch mit sanftem Säurekick. Erdäpfel- oder auch Vogerlsalat, der Kernöl-Einsatz versteht sich von selbst, bilden die klassischen Zuspeisen, erlaubt sind aber auch andere Beilagen aus dem Kartoffelkosmos. Wer gerümpfte Nasen vermeiden will, gibt dabei allerdings den Petersilienerdäpfeln den Vorzug vor Pommes frites.

In punkto Zubereitung gilt auch heute noch Originaltreue als oberstes Gebot – das geviertelte Huhn wird lediglich gesalzen und mitunter sanft gepfeffert, bevor es mit der heiligen Dreifaltigkeit, der Panier versehen wird. Damit diese am Ende auch zu idealer Optik und ebensolchem Aroma findet, gilt unter Köchen übrigens die Faustregel: Die Brösel machen den Unterschied. Jenen vom Bäcker des Vertrauens ist stets der Vorzug zu geben, werden sie doch im Gegensatz zur Supermarktware üblicherweise tatsächlich aus Semmeln hergestellt. Das perfekte Verhältnis von Krume und Kruste sorgt sodann für Farbe und Geschmack.

So mancher Koch schwört inzwischen zudem auf den Einsatz zusätzlicher Milchprodukte: Das Einlegen in Buttermilch – selbstverständlich vor dem Paniervorgang – macht das Fleisch noch zarter. Lediglich die Hautfrage ist eine, die die Geister scheidet. Traditionalisten bestehen darauf, sorge sie doch dank zusätzlichem Fettanteil für noch mehr Geschmack. Puristen dagegen sehen in ihr ein Hindernis, das sich unnötig aufdringlich zwischen saftiges Fleisch und knusprige Hülle drängt. Ansonsten ist der Verzicht auf Pomp und Chichi oberstes Gebot – entsprechend der Prämisse vom Guten, das in der Einfachheit zu finden ist. Und so möge es auch für die nächsten 300 Jahre bleiben.


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Erschienen in
Steiermark Special 2023

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Caroline Metzger
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