© Hurtigruten Expeditions / Oscar Farrera

Wie kann die Kreuzfahrt grün werden?

Kreuzfahrten gelten als Klimasünde. Dabei ist die emissionsneutrale Schiffsreise technisch durchaus möglich. Bis es so weit ist, sind jedoch noch einige Hürden zu meistern.

Kreuzfahrten polarisieren. Die einen betrachten sie als schönste aller Reiseformen, für andere sind sie eine beispiellose Umweltsünde. Zwar stellen Reedereien schon heute emissionsfreie Kreuzfahrten in Aussicht, doch bis es endlich so weit ist, können locker noch Jahrzehnte ins Land ziehen. Bislang nämlich sind klimaneutrale Treibstoffe entweder kaum verfügbar oder so teuer, dass ihr Einsatz schlicht unwirtschaftlich ist. Selbst die Vorreiter der Branche seien von einer »grünen Kreuzfahrt« noch meilenweit entfernt, bemängelt etwa der Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Doch was ist das überhaupt – eine grüne -Kreuzfahrt? Bei der Verbrennung fossiler Treibstoffe wie Schweröl, mit dem laut NABU noch jedes zweite Kreuzfahrtschiff betankt wird, entstehen zunächst einmal Umweltschadstoffe wie Stickoxide, Schwefeloxide, Rußpartikel. Überall dort, wo das Schiff unterwegs ist, belasten sie die Luft. Außerdem wird CO2 ausgestoßen, das als Klimagas die globale Erderwärmung befeuert. Belastungen durch die umweltschädlichen Abgase lassen sich vergleichsweise einfach reduzieren: Statt Schweröl können Reedereien auf schwefelarmes Marinegasöl wechseln. Durchgesetzt haben sich auch sogenannte Scrubber, das sind Abgasreinigungssysteme, die den Schwefel herauswaschen. In vielen Gegenden gibt es bereits strenge Grenzwerte. Auf der Nord- und der Ostsee etwa dürfen nur noch Schiffe verkehren, deren Treibstoff maximal 0,1 Prozent Schwefel enthält. Weltweit sind bislang noch 0,5 Prozent erlaubt. Mit SCR-Katalysatoren lassen sich wiederum die Stickoxide filtern, die dann noch entsorgt werden müssen.

LNG löst nicht das Klimaproblem

Manche Schiffe fahren gleich mit Flüssiggas (LNG). Dabei wird der Ausstoß von Schwefeloxiden und Feinstaub vermieden, die Stickoxidemissionen sind deutlich geringer. Aida Cruises hat mit der »Aidanova« 2018 das erste LNG-Kreuzfahrtschiff in Dienst gestellt. Andere folgten, unter anderem die »Costa Smeralda«, die »MSC World Europa«, die »Iona« von P&O Cruises und die »Icon of the Seas«, das größte Kreuzfahrtschiff der Welt von Royal Caribbean. Allerdings ist LNG noch nicht überall verlässlich verfügbar. Hapag-Lloyd Cruises zum Beispiel verweist darauf, dass die Expeditionsschiffe der Flotte bis zu 32 Tage lang autark fahren können müssen. Mit LNG ist das nicht möglich. Die Reederei setzt daher auf Marinegasöl.

Die Zukunft der Kreuzfahrtbranche liegt im Bau energieeffizienter, emissionsarmer Schiffe.
© AIDA
Die Zukunft der Kreuzfahrtbranche liegt im Bau energieeffizienter, emissionsarmer Schiffe.

Zwar sinken die CO2-Emissionen beim Einsatz von LNG um rund 20 Prozent. Im Gegenzug aber steigt der Ausstoß von klimaschädlichem Methan um ein Vielfaches, kritisiert etwa der NABU. Auch deshalb sei LNG keine geeignete Brückentechnologie. Bei Aida sieht man das anders: Weil marktreife emissionsfreie Kraftstoffe fehlten, sei LNG derzeit am besten geeignet, um die Treibhausgasemissionen von Schiffen schon heute zu senken, argumentiert die Reederei. Außerdem arbeite man bereits an Motoren, bei denen das Entweichen von Methan vermieden wird. Bleibt das übrige CO2.

Speiseölreste als Kraftstoff

Um die Kreuzfahrt wirklich klimaneutral zu machen, darf der Antrieb überhaupt keine Emissionen mehr verursachen. Die norwegische Reederei Hurtigruten, die für ihre Postschiffreisen entlang der Fjordküste bekannt ist, hat zum Beispiel Biogas ausprobiert. Und auch Hapag-Lloyd hat im Oktober 2022 erstmals Biokraftstoff beigemischt. Für die Herstellung nutzt man organische Materialien, etwa Abfälle aus der Fischindustrie oder Speiseölreste. Biofuels könnten aber allenfalls punktuell zum Einsatz kommen. »Der gesunde Menschenverstand legt nahe, dass alle gesammelten Abfälle nur eine Handvoll Schiffe antreiben können«, sagt NABU-Verkehrsexperte Sönke Diesener. »Das ist nicht skalierbar« – und damit keine Lösung.

Für’s Klima und Meer: Derzeit gilt Norwegen als Vorreiter auf dem Weg zur klimafreundlichen Schifffahrt.
© Agurtxane Concellon
Für’s Klima und Meer: Derzeit gilt Norwegen als Vorreiter auf dem Weg zur klimafreundlichen Schifffahrt.

Der Schlüssel zur grünen Kreuzfahrt sind sogenannte E-Fuels, die synthetisch aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Wenn dies mit erneuerbaren Energien geschieht, kann man von einem wahrlich grünen Treibstoff sprechen.

Das Zwischenprodukt bei diesem Prozess ist Wasserstoff, den man theoretisch direkt in einer Brennstoffzelle an Bord des Schiffes nutzen könnte. Das ist aber unpraktisch, weil man extreme Kälte benötigt, erklärt Sönke Diesener. Sinnvoller ist es vielmehr, daraus einen künstlichen neuen Energieträger zu erschaffen. Denkbar sind etwa synthetisches Erdgas, Ammoniak oder E-Methanol, ein Industriealkohol. Der große Vorteil: Diese Treibstoffe können von den bestehenden Motoren als direkter Ersatz für fossile Kraftstoffe verwendet werden – ohne aufwendige Umrüstung.

Strom von Land

Die klimaneutrale Kreuzfahrt der Zukunft sähe dann so aus: Während der Liegezeiten im Hafen werden die Schiffe mit Landstrom aus regenerativer Energie versorgt, um den Schiffsbetrieb zu gewährleisten. Entsprechende Anlagen gibt es bereits, etwa in Hamburg, Kiel und Warnemünde. Weltweit sind es derzeit nach Angaben von Aida Cruises rund 30 Häfen, gerade in Europa schreitet der Ausbau voran.

Masterplan: Mit dem Green Deal will die Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden.
© Stian Klo
Masterplan: Mit dem Green Deal will die Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden.

Mit dem Strom von Land werden eventuell auch Batterien an Bord aufgeladen. Damit können die Schiffe zumindest kürzere Routen zurücklegen, etwa entlang der Küsten. Darauf setzt auch Hurtigruten, neben Havila, einer weiteren norwegischen Reederei, der Spitzenreiter im NABU-Ranking. Für längere Strecken über die Meere und Ozeane reicht die Energie aus Batterien aber nicht aus. Hier wird dann ein flüssiger synthetischer Treibstoff zum Einsatz kommen – zum Beispiel E-Methanol. Diesen Treibstoff hält der NABU für besonders aussichtsreich.

»Ammoniak hat zwar eine bessere Energiebilanz, ist aber hochtoxisch«, sagt Sönke Diesener. Läuft es aus, droht eine Umweltkatastrophe. »Wenn Methanol ins Meer gelangt, passiert fast nichts.« Dieser zukunftsweisende Treibstoff kommt bereits in der Containerschifffahrt zum Einsatz, aber noch nicht bei Kreuzfahrtschiffen. Die dänische Reederei Maersk hat kürzlich das erste Containerschiff getauft, das auch mit grünem Methanol fahren kann. Die Taufpatin war EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie sprach von einem »Big Deal – nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt«. Neben Maersk haben auch andere Reedereien weitere methanolfähige Frachtschiffe bestellt.

Vorsprung Verspielt?

Kreuzfahrten galten lange als Vorreiter für eine grüne Mobilität, etwa als die ersten Landstromanlagen für Kreuzfahrtschiffe gebaut wurden. »Momentan sieht das jedoch ganz andersherum aus«, sagt NABU-Experte Diesener. Was auch an der Finanzkraft der Container-Reedereien liegen dürfte: Während Corona boomte der Frachtverkehr auf den Meeren. Die Kreuzfahrt stand still und fuhr hohe Verluste ein. Doch auch hier tut sich etwas: So wird die neue »Mein Schiff 7« von Tui Cruises, die im Sommer 2024 in Dienst gestellt werden soll, Methanolready sein. Norwegian Cruise Line hat zwei Schiffe bestellt, die mit E-Methanol fahren können. Bei Hapag-Lloyd bewertet man synthetische Kraftstoffe als »perspektivisch sehr interessant«.

Ab 2026 dürfen malerische Fjorde wie Geiranger nur noch emissionsfrei befahren werden – Hurtigruten und Havila haben bereits vorgebeugt.
© Havila Voyages
Ab 2026 dürfen malerische Fjorde wie Geiranger nur noch emissionsfrei befahren werden – Hurtigruten und Havila haben bereits vorgebeugt.

Ein technisch machbarer Weg zur klimaneutralen Kreuzfahrt zeichnet sich also ab. Die praktische Umsetzung hängt aber noch von höchst unsicheren Bedingungen ab. Denn die schöne Idee von der grünen Schifffahrt funktioniert nur dann, wenn genügend synthetischer Kraftstoff hergestellt wird. Bislang sind die produzierten Mengen spärlich. Außerdem muss der benötigte Strom für eine positive Klimabilanz tatsächlich aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Nicht nur für den Kreuzfahrtmarkt, sondern für die gesamte Industrie gibt es bislang aber noch nicht ansatzweise genug Solaranlagen, Windparks und Wasserkraftwerke. Und selbst wenn alles technisch umsetzbar wird, muss es sich am Ende auch rechnen.

Politischer Druck 

Damit profitorientierte Unternehmen in nachhaltige Technologien investieren, brauchen sie klare gesetzliche Rahmenbedingungen. Man könnte auch sagen: politischen Druck. Die Kreuzfahrtbranche ist keine Ausnahme. Das hat sich bereits in Norwegen gezeigt, wo die Regierung strenge Vorgaben für die Schifffahrt beschlossen hat: Ab 2026 dürfen malerische Fjorde wie Geiranger nur noch emissionsfrei befahren werden – Hurtigruten und Havila haben bereits vorgebeugt. Die Europäische Union will bis 2050 klimaneutral werden. Die Verordnung »FuelEU Maritime« verpflichtet alle größeren EU-Häfen dazu, bis 2030 Landstrom anzubieten. Schon ab dem 1. Jänner 2024 wird die Schifffahrt außerdem in den CO2-Emissionshandel einbezogen. Und die Treibhausgasemissionen müssen schrittweise reduziert werden, um zwei Prozent ab 2025 – und um 80 -Prozent ab 2050. Bis dann will auch die Kreuzfahrt klimaneutral sein.


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Philipp Laage
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