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Polarlichter garantiert: Mit der Havila Polaris entlang der norwegischen Postschiffroute

Atemberaubende Landschaften, unvergessliche Naturphänomene und kulinarische Höhepunkte: Auf der Postschiffroute gibt es mehr zu sehen als nur Nordlichter. Und auch die klassische Hurtigruten entlang der norwegischen Küste hat Konkurrenz bekommen.

Es ist der 15. Februar 2024, 19:29 Uhr, als im Båtsfjord der erste Alarm losgeht. Die Havila Polaris hat erst ein paar Stunden zuvor ihre Reise vom norwegischen Kirkenes – unweit der russischen Grenze – in Richtung Süden angetreten, als einige Gäste fluchtartig das Restaurant verlassen.

»Nordlys« war das Stichwort, das selbst nicht norwegisch sprechende Reisende panisch werden ließ. Ohne Jacken, Schals oder Mützen stürmen sie zwei Decks nach oben in die minus 16 Grad kalte Polarnacht. Keine zwei Minuten später geben sie auf: Fehlalarm. Drinnen brennt die Haut, nur langsam tauen die Finger auf. Der Rentierschmortopf ist kalt, der Heilbutt ebenso. Doch die Sitzengebliebenen geben Hoffnung. Sie haben sie bereits gesehen: die Polarlichter.

Das Nordlicht-Versprechen

Immerhin wird es den Gästen versprochen – einige buchen gar nur ihretwegen eine Reise auf der Postschiffroute. Sollten sie das beeindruckende Farbspiel auf der Rundreise von Bergen nach Kirkenes und wieder zurück, zwischen dem 01. Oktober und dem 31. März trotzdem nicht sehen, greift das Nordlicht-Versprechen der Reederei: Die Nord- oder Südreise darf dann in der nächsten Saison kostenlos wiederholt werden.

»Dass es dazu kommt, ist ziemlich unwahrscheinlich«, bestätigt nicht nur Pia Kuusisto, Havila Head of Sales für den DACH-Markt. Auch Sonnenphysiker erwarten für 2024 ein Spitzenjahr: Die Aurora-Borealis werden so stark zu sehen sein, wie seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr.

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Angst, sie zu verpassen

Und obwohl die Brücke sofort per Lautsprecher informiert, sobald die Nordlichter zu sehen sind, die Angst bleibt, sie dennoch zu verpassen. Schließlich wurde zuvor beim täglichen Treffen mit dem Expeditionsteam lediglich eine Chance von zwölf Prozent errechnet. Nach dem ersten Alarm bleibt die Polarlicht-App jedenfalls offen neben dem Teller liegen.

Später ist an Schlaf kaum zu denken, immer wieder schweift der Blick in den Himmel oder zur App – bis zum zweiten Mal die Durchsage ertönt. Dieses Mal geht es warm eingepackt an Deck. Und obwohl man von Bildern und Videos weiß, was einen erwarten könnte, ist man bei diesem Anblick erst einmal einige Sekunden sprachlos. Es gibt Momente, die vergisst man nicht. Das erste Mal das Polarlicht zu sehen, gehört zweifellos dazu. Für etwa eine Stunde tanzen die strahlend bunten Lichter über den Köpfen der Reisenden.

Mit dem Schneemobil durch die Polarnacht

Selten sind sie so intensiv, dass man sie mit dem Smartphone einfangen kann. Generell wirken sie auf Fotos intensiver als in der Realität, weshalb man auf der Jagd nach ihnen am besten den Himmel durch die Kamera abscannt. In dieser Nacht war die Aurora-Borealis jedoch unübersehbar.

Zumindest in der ersten Nachthälfte. Vollgepumpt mit Adrenalin fällt das Einschlafen schwer, dabei wartet mitten in der Nacht schon das nächste Abenteuer. Kaum hat die Havila Polaris gegen 2:00 Uhr am nördlichsten Hafen der Reise, in Mehamn, angelegt, tauschen einige Reisende das Schiff gegen Schneemobile ein. Mit ihnen geht es, rund zwei Stunden durch die Polarnacht, zum nächsten Hafen.

Finstere Schneewüste

Viel zu sehen gibt es dieses Mal nur leider nicht: weder Polarlichter noch Sterne oder der Mond erhellen die Nacht. Doch wer sich jemals gefragt hat, wie absolute Dunkelheit aussieht, bekommt nach diesem Ausflug eine Vorstellung davon. In dieser finsteren Schneewüste fällt es schwer, die Orientierung zu behalten; immer wieder peitscht Schnee gegen den Helm, verfängt sich teilweise darunter. Gegen 4:00 Uhr wartet das Schiff bereits im Hafen von Kjøllefjord. Nächstes Ziel: die vorgewärmte Kabine und ein kuscheliges Bett.

Der nächste Morgen wartet mit strahlendem Sonnenschein. Deshalb gibt es im Havly Café das Langschläferfrühstück mit an Deck – schließlich will man kein Stückchen Land verpassen. Mit Kaffee und Zimtschnecke bewaffnet, hört man gespannt dem Expeditionsteam zu. Bevor die Havila Polaris nämlich in der nördlichsten Stadt der Welt anlegt, passiert sie eine der bedeutendsten Inseln des Landes: Melkøya, (zu Deutsch: die Milchinsel). Kühe und Schafe sucht man hier jedoch schon lange vergebens, stattdessen beherbergt die Insel seit über 15 Jahren eine der größten LNG-Produktionsanlagen Europas. Mit einer jährlichen Kapazität von rund sechs Milliarden Kubikmetern wird das Gas aus dem »Snøhvit« (Schneewittchen) Gasfeld in der Barentssee über eine 140 Kilometer lange Unterwasserpipeline hierher angeliefert und auf eine Temperatur von minus 162 Grad Celsius heruntergekühlt. Auf diese Weise kann es in flüssiger Form mit LNG-Tankern weltweit verschifft werden.

Auch die Reederei profitiert davon. Jedes ihrer vier Küstenkreuzfahrtschiffe ist darauf ausgelegt, den CO2 Abdruck so gering wie möglich zu halten. Dabei hilft der emissionsarme LNG-Antrieb. Doch damit nicht genug: Bei der Konstruktion der Havila »Capella«, »Castor«, »Polaris« und »Pollux« wurden sie zusätzlich mit den größten Batteriepaketen ausgestattet, die je auf einem Passagierschiff installiert wurden. Durch sie können die Schiffe vier Stunden lang am Stück komplett emissionsfrei fahren. Dadurch haben sie insbesondere in Norwegen einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Kreuzfahrtschiffen. Während letztere ab 2026 beispielsweise nicht mehr in den zum Weltnaturerbe gehörenden Geirangerfjord hineinfahren dürfen, kann die Havila Flotte weiterhin in das empfindliche Ökosystem hineinfahren – und sichert sich mit ihren Maßnahmen den ersten Platz im Kreuzfahrtranking 2023 des NABU.

In der nördlichsten Stadt der Welt

Rund 1.200 Kilometer Luftlinie weiter nördlich staunen die Reisenden weiterhin über die Insel – und das, was hinter ihr liegt: Die Stadt Hammerfest, auch bekannt als das Tor zur Barentssee. Erst seit dem 21. Januar geht hier die Sonne wieder auf, davor lag der Ort ungefähr zwei Monate im Dunkeln. Eineinhalb Stunden hat man hier Zeit, die Stadt zu erkunden – ausreichend Zeit, um ein weiteres UNESCO-Weltkulturerbe zu besichtigen. Nur etwa zehn Minuten Fußweg trennen das Schiff vom ersten technisch-wissenschaftlichen Objekt, das in die Liste aufgenommen wurde: dem Struve Meridianbogen. Mithilfe seiner Koordinaten wurde vor rund 170 Jahren nicht nur die Größe der Erde berechnet, der deutsche Astronom Friedrich Georg Wilhelm Struve konnte durch sie außerdem beweisen, dass die Erde nicht perfekt rund ist, sondern an den Polen abflacht.

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Die Stunden bis zum nächsten längeren Halt laden dazu ein, das Schiff zu erkunden. Aber erst ab 16:00 Uhr, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwindet – und mit ihr die Angst, die vorbeiziehende Landschaft zu verpassen. Für alle, die es entspannt mögen, oder mal auftauen wollen, stehen zwei Saunen bereit: eine für Frauen, eine für Männer. Anschließend kann man sich auf dem großen Außenbereich mit arktischem Schnee abkühlen. Wenn das Wetter es erlaubt, laden zwei Jacuzzis zum längeren Verweilen in der Kälte ein. Kaum vorstellbar, dass man sich an gleicher Stelle einige Monate später während der Mitternachtssonne um drei Uhr morgens einen Sonnenbrand zuziehen kann.

Blick hinter die Kulissen

Aber auch drinnen findet man genau die Entspannung, die man sich von solch einer Reise erhofft. Besonders beliebt: die Lounge auf Deck 6 im Bug des Schiffes. Sie erinnert an das heimische Wohnzimmer. Ob eingekuschelt vorm Feuer oder im Sessel am Panoramafenster, hier kann man in einer Lektüre nach der nächsten versinken. Wer sich nicht zu den Leseratten zählt, findet vielleicht mentale Entspannung beim Puzzlen mit anderen Mitreisenden, die schnell gar nicht mehr so fremd sind. Überschüssige Energie wird man am besten in den Fitnessräumen auf Deck 7 los – ebenfalls mit Blick auf die vorbeiziehende Landschaft. Wer hingegen Interesse an Technik, Daten und Fakten hat, kann bei einer Brückenbesichtigung einen Blick hinter die Kulissen werfen.

54 Gramm Lebensmittelabfall pro Person und Tag

Und ehe man sich versieht, ist schon wieder Zeit für’s Abendessen. Neben dem Havly Café, das den ganzen Tag über leichte Snacks, Kuchen und Sandwiches anbietet, und dem Havrand Restaurant, das zu allen Mahlzeiten eine Auswahl an à la carte Gerichten serviert, zieht das Hildring Fine Dining Feinschmecker an, um den Tag mit einem kulinarischen Höhepunkt abzurunden. Während das Hauptrestaurant mit norwegischen Alltagsgerichten begeistert, werden im Hildring die frischesten Zutaten der Region anspruchsvoll in fünf Gängen serviert. Ob Tatar vom norwegischen Rind, Kabeljau von den Lofoten oder Rentier aus der Finnmark, hier wird die Postschiffroute kulinarisch zum Leben erweckt.

Das Besondere: Nachhaltigkeit wird an Board in allen Bereichen gelebt. Auch das Essenskonzept ist darauf ausgelegt, so nachhaltig wie möglich zu sein. Bei der Konzeption der vier Schwesterschiffe hatte Havila das klare Ziel, die Lebensmittelabfälle pro Person und Tag auf 75 Gramm zu begrenzen. Möglich ist das durch das saisonale und regionale Angebot, und durch den Verzicht von Buffets. Auf das gesamte Jahr 2023 berechnet, konnte das ursprüngliche Ziel dadurch weit übertroffen werden – und auf 54 Gramm reduziert werden.

Das »Tor zur Arktis«

Gegen Mitternacht erreicht die Havila Polaris dann das »Paris des Nordens«. Noch bekannter ist Tromsø allerdings als das »Tor zur Arktis«. Von hier aus starteten früher zahlreiche Arktisexpeditionen. Heute lockt die Studentenstadt vor allem das jüngere Publikum in die zahlreichen Bars und Clubs. Ideal also, dass das Schiff auf seiner Tour gen Süden zur späteren Stunde anlegt. Für ein Bier, Cocktail oder typisch norwegischen Cider reicht die Zeit allemal. Versacken sollte man allerdings nicht – Schiffe warten bekannterweise nicht auf verspätete Reisende.

Und es wäre auch zu schade, die folgende Passage zu verpassen. Schnell merkt man nämlich, dass die Polarlichter nur ein winziger Teil der atemberaubenden Naturschauspiele sind, die diese Reise begleiten.

Der Weg zu den Vesterålen ist für das Team auf der Brücke reinste Millimeterarbeit. Die Durchfahrt durch die Inselgruppe führt ausschließlich durch die Risøyrenna. Der künstliche auf knapp sieben Meter vertiefte Schifffahrtsweg ist die flachste Stelle, die Schiffe auf der Postschiffroute passieren müssen. Eine regelrechte Challenge bei einem Tiefgang von allein 5,3 Metern. Das Manövrieren durch die abgesteckte Passage ist für Reisende stets ein fesselndes Erlebnis.

Die Zeit im Auge behalten

Ein Schneesturm später kann man im Hurtigrutenmuseum in Stokmarknes mehr über ihre Entstehung erfahren. Das Museum gleicht einer Zeitreise in die Vergangenheit und zeigt eindrucksvoll, wie aus der »schnellen Route« (norwegisch Hurtigruten) die bedeutendste Schifffahrtsroute des Landes wurde, und wie sie zur Namensgeberin der bekanntesten Reederei auf dieser Strecke wurde – und das alles an Bord der original restaurierten MS Finnmarken aus dem Jahr 1956. Aber auch hier gilt es, die Zeit im Auge zu behalten, denn nach etwa einer Stunde setzt die Havila Polaris ihre Reise schon wieder fort – diesmal in Richtung der Lofoten.

Die Inselgruppe vor der Küste des Nordatlantiks ist mit ihrer einzigartigen Landschaft und einem breiten Spektrum an Outdoor-Aktivitäten ein beliebtes Reiseziel für Naturliebhaber und Abenteurer.

Von Svolvaer aus geht es in rund 10 Minuten mit dem Bus nach Kabelvåg und damit in das ehemals wichtigste Fischerdorf der Region. Wie wichtig der Fischfang damals wie heute noch ist, erlebt man auf einem rund einstündigen Spaziergang durch das Dorf. Und auch an Board gibt es einen kleinen Vortrag zu der wohl wichtigsten Delikatesse des Nordens: dem Stockfisch.

Die Sieben Schwestern

Am Morgen des vierten Tages überquert die Havila Polaris den nördlichen Polarkreis. Das merkt man auch an den steigenden Temperaturen. Knapp unter null Grad und strahlender Sonnenschein locken einen Großteil der Reisenden an Deck. Aber nicht nur wegen des Wetters. Das nächste landschaftliche Highlight wartet schon: die Sieben Schwestern. Majestätische sieben Berge, die so dicht beieinander liegen, dass sie an einem Tag bestiegen werden können – vorausgesetzt man befindet sich auf dem Festland. Die höchste Schwester ragt fast 1.100 Meter empor. Unter ihnen: ein Zwillingspaar, das sich erst offenbart, je weiter das Schiff nach Süden fährt.

Dort legt das Schiff in Brønnøysund an. Die Stadt, in der Mitte des Landes, beherbergt das norwegische Zentralregister mit einer Vielzahl von Datenbanken, die von Hochzeiten, über Führerscheine bis hin zu Insolvenzen reichen. Die meisten Touristen werden jedoch von einer alten Sage angezogen, die den legendären Berg Torghatten betrifft. Laut ihr ist der Berg ein versteinerter Hut und sein berühmtes Loch – wodurch die Havila Schiffe sogar hindurchpassen würden – das Ergebnis einer mythischen Auseinandersetzung. Bevor der Torghatten zu Stein erstarrte, soll ihn nämlich ein Pfeil durchschossen haben. Im Sommer lohnt sich eine Wanderung auf den Berg, im Winter genießt man den Anblick lieber von unten aus – und taucht bei norwegischen Köstlichkeiten wie Gløgg und Lefse in die sagenumwobene Welt der norwegischen Trolle ein.

Mehr als Nordlichter und Mitternachtssonne

Für viele endet die Reise am nächsten Morgen in der Heimat der nordischen Genüsse, in Trondheim. Ein Auf- beziehungsweise Absteigen ist prinzipiell an allen Häfen möglich. Die komplette Rundreise von Bergen nach Kirkenes und zurück dauert insgesamt 11 Nächte, wobei 34 Häfen an 365 Tagen im Jahr angelaufen werden. Das ist nur möglich, weil sich jeden Abend ein Schiff in Bergen auf die 2.500 Seemeilen (= 4.630 Kilometer) lange Reise begibt. Insgesamt elf Schiffe sind dadurch ständig unterwegs – vier von Havila und die restlichen sieben von der Hurtigruten-Reederei.

Man verlässt das Schiff schließlich mit einem Gefühl, das nur schwer zu beschreiben ist. Für viele ist es eine »once in a lifetime« Reise, ob man sie im Sommer oder Winter antritt, spielt dabei kaum eine Rolle. Sprachlos wird man – versprochen – nicht nur von den Nordlichtern oder der Mitternachtssonne zurückgelassen werden. Am Ende kann man die Faszination, die die Menschen schon seit Jahrtausenden für diese Region empfinden, nur wirklich verstehen, wenn man sie hautnah erlebt hat.


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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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