Das Übel mit der Übelkeit: Seekrankheit kann sich in einer Vielzahl von Symptomen äußern, die von Unwohlsein bis hin zum Erbrechen reichen. Nicht übereinstimmende Sinneseindrücke führen zur Ausschüttung von Stresshormonen, insbesondere Histamin. richtige Ernährung kann Abhilfe schaffen.

Das Übel mit der Übelkeit: Seekrankheit kann sich in einer Vielzahl von Symptomen äußern, die von Unwohlsein bis hin zum Erbrechen reichen. Nicht übereinstimmende Sinneseindrücke führen zur Ausschüttung von Stresshormonen, insbesondere Histamin. richtige Ernährung kann Abhilfe schaffen.
© Gina Müller / carolineseidler.com

Wissenschaft: Tipps und Tricks gegen Seekrankheit

Nicht nur kurzzeitige Gäste auf dem Meer, auch echte Seebären kann es erwischen: Auf hoher See wird einem schnell einmal übel. Doch während die einen nur etwas bleich und lethargisch werden, sehnen andere ihren Tod herbei. Aber was kann man gegen Seekrankheit tun?

Wer schon einmal seekrank war, kennt das: Nur wenige plötzlich auftretende Zustände führen wohl so schnell zu Suizidgedanken wie die Übelkeit, die manchen auf Booten und Schiffen befällt. Dabei handelt es sich bei der Seekrankheit um eine Unterform der Reisekrankheit – und bei beiden um keine Krankheit im engeren Sinne. Schließlich wird einem auch eher übel, wenn man auf der Rückbank im Auto sitzt, im Bus nicht sieht, wohin die Reise geht oder in großen Höhen unterwegs ist. Die Symptome ähneln sich: Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen oder Schwindel, Zittern, Schwitzen, Hitzewallungen, Blässe, Appetitverlust, Übelkeit und Brechreiz. Erstes Anzeichen davor ist das Sopite-Syndrom, das durch zunehmenden Rückzug, Desinteresse, bis hin zur Apathie gekennzeichnet ist. Häufig merkt man die schleichende Veränderung selbst nicht wirklich – umso wichtiger, dass Mitreisende aufmerksam sind.

Die Zahlen, wie viele Menschen bei Schiffsreisen in irgendeiner Art von Übelkeit betroffen sind, sind nicht verlässlich. Doch die wenigsten fühlen sich so richtig elend und krank. Ungefähr ein Drittel aller Passagiere kämpft mit Übelkeit und jedem Fünften ist leicht unwohl. Frauen dürften etwas mehr betroffen sein als Männer, auch Kinder ab zwei Jahren bis zur Pubertät haben öfters zu kämpfen. Personen, die immer wieder an Migräne leiden, oder Erkrankungen im Innenohr haben, müssen ebenfalls eher mit Beschwerden rechnen.

Die Ursache allen Übels

Bei den Symptomen handelt es sich um eine natürliche Antwort des Körpers auf sich widersprechende Sinneseindrücke. Das Gehirn erhält zwei Informationen, die sich normalerweise decken: zum einen der optische Eindruck über den Sehnerv, zum anderen die Botschaften des Gleichgewichtssinns. In manchen Situationen, wie auf Reisen, passiert es jedoch, dass die beiden Eindrücke nicht zusammenpassen. Wer auf einem schaukelnden Schiff oder in einem schwankenden Flugzeug sitzt und auf den Boden schaut, kann meist keine Reize wahrnehmen, die auf eine Bewegung deuten. Der Gleichgewichtssinn im Innenohr meldet allerdings, dass sich der Körper bewegt. Auch beim Autofahren lässt sich beobachten: Wer am Steuer sitzt, sieht, wann eine Kurve kommt, und stellt sich darauf ein. Passagiere am Rücksitz – vielleicht auch noch am Handy lesend oder spielend – erwarten dagegen das Abbiegen nicht und es kommt zu einer Inkongruenz der Sinneseindrücke. Das Gleichgewichtssystem ist aus der Balance, dabei wird im Gehirn Histamin freigesetzt. Und das bildet den Hauptauslöser für die Übelkeit. Denn über Histamin wird das Brechzentrum im Hirnstamm angeregt. Wird es nur leicht aktiviert, kommt es zur Übelkeit.

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Histaminspiegel senken

Zur Behandlung, aber auch zur Prävention der Reisekrankheit, steht daher der Histaminspiegel im Mittelpunkt. Dafür gibt es gängige Medikamente, die mitunter müde machen und nicht für alle Personen geeignet sind. Auch unterschiedliche Ernährungskomponenten kommen infrage. Schließlich wird Histamin nicht nur endogen, also vom Körper selbst, gebildet, sondern auch mit der Nahrung aufgenommen. Hilfreich kann es also in erster Linie sein, histaminreiche Lebensmittel auf Reisen eher hintenan zu stellen, um das Level an Histamin nicht zusätzlich zu erhöhen.

Konkret bedeutet das, bei lang gereiftem Käse und Fleischwaren wie Salami weniger zuzugreifen. Auch Fisch kann – bei längerer Lagerung – viel Histamin enthalten (Frischfisch ist kein Problem). Etliche Früchte fördern die körpereigene Histaminausschüttung, weswegen man auch diese besser auslässt. Zu diesen sogenannten Histaminliberatoren zählen etwa Nüsse, Tomaten, Zitronen, Orangen, Erdbeeren, Ananas, Kiwi, Spinat und Auberginen. Diskutiert wird seit Jahren, ob hohe Dosen reines Vitamin C als Retter in der Seenot helfen. Immerhin kann Vitamin C die Enzymaktivität ankurbeln und so den Abbau von Histamin beschleunigen. Dazu ist die Beweislage jedoch (noch) sehr dünn. Es liegen nur wenige Studien vor, die mit nur kleinen Probandengruppen gemacht wurden, und zum Teil Widersprüchliches liefern.

Alkohol ist jedenfalls ein Thema, aber weniger aufgrund des eigenen Histamingehalts. Die Konzentrationen sind selbst bei Rotwein im Vergleich mit beispielsweise Hartkäse gering. Aber Alkohol wirkt eben auch als Histaminliberator und hemmt das Enzym, das für den Abbau zuständig ist, die Diaminoxidase (DAO). Der Histaminspiegel bleibt also länger hoch. Zudem steigt bei Alkoholgenuss die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut, wodurch mehr Histamin im Köper aufgenommen werden kann. Zu jedem Glas Wein ein Glas Wasser zu trinken, kann daher auch aus diesem Grund eine gute Idee sein.

Im Einklang

Generell scheint es präventiv günstig zu sein, den Magen nicht zu voll und nicht zu leer zu haben und lieber öfter eine Kleinigkeit zu essen. Und im Akutfall wird gegen Übelkeit aufgrund der ätherischen Öle oftmals Ingwer oder Minze empfohlen. Wesentlich ist in jedem Fall, die Sinneseindrücke möglichst im Einklang zu halten. Das gelingt an Deck mit Blick auf den Horizont besser als in der Kabine, im Stehen, beim Gehen oder auch auf dem Rücken liegend besser als im Sitzen.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

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Marlies Gruber
Autor
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