© Rene Strasser

Wo die Ferkel tanzen: Max Stiegls Neueröffnung »Tito+Stanko«

Max Stiegl erfindet die Balkanküche auf sehr stylische Art.

Die Balkanisierung des Spittelbergs schreitet voran: Als vor einigen Monaten bekannt wurde, dass Max Stiegl (Gut Purbach, Knappenhof) das zuvor von Harald Brunner als luxuriöses Restaurant geführte »Spittelberg« übernimmt, schien das Narrativ eindeutig: Stiegl, der seit vielen Jahren als einer der besten Köche des Landes gilt, macht den Schritt nach Wien, um nun auch hier im obersten Segment mitzumischen.

Milchferkel, Cevapcici und Calamari

Es kam ganz anders: Seit zehn Tagen hat das Stanko + Tito geöffnet, wird allabendlich gestürmt – und ist alles andere als ein Gourmettempel: Auf der von Harald Brunner für seine berühmten Enten installierten, noblen Molteni-Rotisserie drehen sich die Milchferkel, auf den Regalen stapeln sich riesige Einmachgläser mit Sauergemüse, in der offenen Küche wird mit Cevapcici, Krautrouladen und mit Djuvec-Reis gefüllten Calamari hantiert. Das Personal hat schmal geschnittene, aber weit aufgeknöpfte schwarze Hemden als Uniform, aus dem Zapfhahn fließt Karlovacko-Bier aus Kroatien – und auf den blanken Holztischen stapeln sich Köstlichkeiten der Jugo-Küche, die man bislang kaum je mit Gourmet-Erlebnis in Verbindung gebracht hätte.

Zelebration balkanischer Gastfreundschaft

»Ich bin selbst ein Kind Ex-Jugoslawiens«, sagt der in Koper geborene Stiegl, »ich wollte immer schon ein Lokal machen, in dem die einzigartige Form balkanischer Gastfreundschaft zelebriert wird«. Stiegls Partnerin im Stanko + Tito ist Helena Ramsbacher, die unter anderem auf Brac in Dalmatien das hoch exklusive Boutiquehotel Lemon Garden betreibt. »So waren wir uns sehr schnell einig, dass am Spittelberg der Balkan Einzug halten soll«, sagt Stiegl.

Die Küche hat mit Tomaž Fink einen Chef über, der schon bei Ana Roš gearbeitet hat und die leichte Hand ebenso wie den Balkan aus dem ff. beherrscht. Die Qualität sitzt also, auch wenn die Idee des Wirtshauses explizit entspannt angelegt ist: Alle Speisen sind zum Teilen gedacht, ordentlich bestellen ist auch insofern anzuraten, als Hinterher-Orders durchaus ein bissl Zeit benötigen können. Alles auf den Tisch – das ist am Balkan das Motto, das sollte man tunlichst auch am Spittelberg beherzigen. Neo-Jugoslawisches wie der mit cremigem Schafskäse unterlegte Šopska-Salat mit akkurat geschnipselter Paprika, Gurke, Zwiebel und Petersilie und einer seidig reifen Scheibe von der Fleischtomate gelingen ausgezeichnet. Sataraš wird nicht, wie sonst am Balkan, als eine Art Letscho interpretiert, sondern als kunstvoll gelegte Terrine aus Melanzani, gegrillter Paprika und anderem hochreifen Gemüse.

Unwiderstehlich süß, rauchig und knackig

Meisterhaft gegrillte Calamari sind, wie besprochen, mit cremigem Djuvec-Reis gefüllt, auch Spitzkraut wird unter dem Grill unwiderstehlich süß, rauchig und knackig. Sarma sind überhaupt ein Ereignis, voll bissiger Säure und feiner Knackigkeit, die ideal mit dem kräftig geräucherten Schweinefleisch der Fülle kontrastiert. Das Milchferkel gerät saftig, der Apfel-Mohn-Nuss-Strudel Gibanica nicht ganz so. Egal, mit einem Schluck exzellenten, istrischen oder slowenischen Naturweins lässt sich das alles wunderbar ins Fließen bringen!

maps tito

Redaktion
Mehr zum Thema