Wein zu machen hat etwas mit Eigensinn zu tun, und das im schönsten aller Sinne: zu tun, was man selbst für richtig hält, ohne Attitüden, sondern mit großer Freiheit. Josef Scharl nennt das Charakter. Eigen oder in seinem Fall Aigen zu sein ist das Gegenteil von Gleichheit. Das macht hier den Unterschied. Nicht biegen, nicht allzu sehr anpassen und dennoch nicht alles abzählen. Großzügig sein, das beschreibt ihn vielleicht am besten. In seinen Weinen lebt er selbst, seine Art, die Dinge zu tun, mit seinem ganz eigenen Kopf. Sie sind Ausdruck dessen, wofür er steht. Sie sind wie er: echte Charakterdarsteller.
Fliegen lernen, Feuerwehrmann werden – oder einfach Wein machen: Josef Scharl wusste immer schon, was er wollte. Charaktere erkennt man eben daran, dass sie für ihr Ideal leben. Er lebt für diesen Ort, seine Familie, für Sprudel und für Pinot Noir. Natürlich mag er auch alle anderen Rebsorten in seinem Keller, aber Pinot ist seine Referenz, die Königsdisziplin beim Weinmachen.
Wer Wein machen will, sagt Josef Scharl, muss zuhören, fühlen, sehen und herausfinden, was in einem steckt – und dann einfach tun, mit aller Leidenschaft. Die Art, wie er das macht, ist eng mit der Region verbunden. Gut, man war schon in Frankreich, hat den Idolen beim Arbeiten zugesehen, ihre Weine getrunken und ist dann wieder heimgekehrt, an diesen Ort und zu seinem Wein. Am besten versteht man Josef Scharl wahrscheinlich, wenn man ihn auf dem Hof trifft. Mit großen Gesten beschreibt er den Ausblick über St. Anna, einen besonderen Flecken Land. Die zerfetzen Wolken ziehen schnell, die Luft ist feucht, in den Nächten ist es kühl, dazu der karge vulkanische Boden. Man schmeckt es, und man liebt es. Da gibt es Lieblingslagen und Lieblingsweine. »Weine sind komplexe Wesen, das haben sie mit uns Menschen gemeinsam. Sie vereinen unterschiedliche, manchmal sogar widersprüchliche Eigenschaften. Da kämpft das Angepasste gegen den Freiheitsdrang und das Helle gegen das Dunkle. Die Vielfalt ist wichtig, sie prägt den Charakter und damit die Einzigartigkeit«, bringt er es auf den Punkt. Weil das Leben eben Entwicklung ist.
Und die Kappe? Es gibt einen Ort, der liegt außerhalb von St. Anna am Aigen, irgendwo im Baskenland. Im Küstenstädtchen Saint-Jean-de-Luz in einer kleinen Gasse namens Rue Loquin wurde der »béret basque«, die Baskenmütze erfunden. Für Josef Scharl ist das quasi der Geburtsort seiner Leidenschaft für Kappen. Mittlerweile hat er unzählige davon, so viele, dass er längst aufgehört hat zu zählen. Tellergroß und in allen Farben und Mustern sind sie zu Josefs Markenzeichen geworden. Kein Wunder, dass sie auch die Flaschen zieren. Charakter erkennt man eben schon von Weitem.