In den legendären Tuffsteinkellern rund um Saumur finden die Crémantflaschen ideale Lagerbedingungen.

In den legendären Tuffsteinkellern rund um Saumur finden die Crémantflaschen ideale Lagerbedingungen.
© Gérald ANGIBAUD

Crémant: Flaggschiff Frankreichs

Frankreichs unterschiedlichste Regionen, von den sanften, grünen Hügeln des Elsass bis hin zu den sonnenverwöhnten Weinbergen der Loire, bezaubern den Reisenden mit ihren Kulturlandschaften. Die hier produzierten französischen Crémants belohnen ihn mit einer breiten geschmacklichen Vielfalt und großem Genuss.

Die Flaggschiffe der französischen Schaumweinproduktion – die Crémants – erreichen in den vergangenen Jahren immer höhere Qualitätsstandards und erobern weltweit eine immer größer werdende Fangemeinde. »Aus Sicht der Weingüter können wir 2022 sowohl qualitativ als auch quantitativ auf einer der besten Jahrgänge seit 2018 zurückblicken«, bestätigt Fabien Branchu, Präsident der Fédération Nationale des Producteurs et Élaborateurs de Crémant, des Erzeugerverbands der französischen Crémants. »Wie fast in ganz Europa verzeichneten wir 2021 sehr hohe Ernteverluste. Vielerorts fiel durch Frost wie im Jura oder durch andere Wetterkapriolen sogar fast die komplette Ernte aus. Zum Glück können wir dies nun durch den sehr guten Jahrgang 2022 etwas kompensieren«, freut er sich.

Rekordschlager Elsass

Unangefochten an der Spitze der Crémant-Produktion, mit fast 38 Millionen verkauften Flaschen im Jahr 2022, liegt das Elsass. Auf den 170 Kilometern der legendären, pittoresken Elsässer Weinstraße wechseln sich bekannte romantische Winzerorte, Weinberge und wunderschöne Landschaften ab. Mittendrin, zwischen Colmar und Mulhouse liegt das kleine Örtchen Bergholtz. Hier produzieren schon seit fünf Generationen die Dirlers und Cadés Weine und Crémants auf höchstem Niveau. Heute wird das gemeinsame Weingut Dirler-Cadé vom Ehepaar Ludevine und Jean geleitet. »Rückblickend war es die beste Entscheidung, bereits 1998 mit dem biodynamischen Anbau zu beginnen«, erläutert fachkundig Jean Dirler.

Die Wurzeln unserer Reben wachsen tiefer und kommen mit den neuen klimatischen Herausforderungen, vor allem mit dem Wassermangel der letzten Jahre, besser zurecht. Im Gegensatz zum konventionellen Anbau leiden sie weniger unter Trockenstress.

Ludvine Cadé ergänzt, dass tiefere Wurzeln und die dadurch resultierende höhere Aufnahme von Mineralien und Nährstoffen in die Beeren den Weinen mehr Komplexität und darüber hinaus, durch die biodynamische Bewirtschaftung, auch mehr Säure verleihen. 


ZUM TASTING


 Der Crémant von Agnes Paquet aus dem Herzen des Burgund ist extrem charmant und cremig frisch.
© Michel Joly
Der Crémant von Agnes Paquet aus dem Herzen des Burgund ist extrem charmant und cremig frisch.
Foto beigestellt

Die schnörkellose energetische Frische der beiden angestellten »Brut-Nature-Cuvées« – ob Weiß oder Rosé – aus dem heißen Jahrgang 2019 überzeugen deshalb die Jury. Dazu trägt auch das lange Hefelager von drei Jahren bei, das mittlerweile bei anderen traditionellen Weingütern wie Albert Mann, Domaine Barmès-Buecher oder den Top-Cuvées »Expression« oder »Reverence IX« von Global Player Wolfberger, deutlich kürzer ausfällt und deshalb früheren Finessenreichtum etwas vermissen lässt. 

Aufgrund der großen Crémant-Nachfrage 2022 mit einem legendären Verkauf von fast 104 Millionen Flaschen aller Regionen sind die Lager leer. Dadurch scheint man gezwungen, mit der Vermarktung in diesem Jahr schon früher beginnen zu müssen. 

Genau an dieser Stelle brodelt es hinter den Kulissen. Einige der Regionen wie die Loire, das Burgund oder das Jura haben unter staatlicher Freigabe der INAO (Institut National des Appellations d’Origine), dem nationalen Kontrollinstrument der Produktionsbedingungen von Weinen mit dem AOP-Siegel, die Statuten für den Jahrgang 2022 geändert. Aktuell kann der Vertrieb, begrenzt für den vorläufigen Zeitraum von einem Jahr, bereits nach neun Monaten Hefelager beginnen und nicht erst nach den gesetzlichen zwölf Monaten Gesamtlagerzeit. Hiermit will man die finanziellen Verluste der Weingüter aus den schlechten Lesen der vergangenen Jahre, vor allem in Burgund und im Jura, abfedern. Dieser aus Sicht der Elsässer qualitätsmindernden Maßnahme hat sich der elsässische Crémant-Verband verweigert und ist im Juni aus dem Verband ausgetreten. Weitere Anforderungen wie die traditionelle Flaschengärung und die Handlese bleiben unangetastet. 

Traditionelles Burgund

Auch in Burgund hatte man mit ähnlich widrigen Wetterverhältnissen und somit geringerem Ernteertrag zu kämpfen. Der Begriff »Crémant« mit geschützter Ursprungsbezeichnung und traditioneller Flaschengärung wurde hier 1975 eingeführt. Neben den großen Handelshäusern spielen die familiengeführten Weingüter eine markante Rolle. Der prägende Unterschied zu anderen Regionen ist das weitverbreitete Anbaugebiet, das sich von der südlichen Côte Chalonnaise über die Côte d’Or bis ins Hinterland von Chablis zieht.

Der Crémant machte sich weit über die Grenzen Frankreichs hinaus einen Namen. »Cremeux« bedeutet »weich« oder »cremig« und beschreibt treffend seinen Geschmack.
© Christophe Gagneux Pixim Communication
Der Crémant machte sich weit über die Grenzen Frankreichs hinaus einen Namen. »Cremeux« bedeutet »weich« oder »cremig« und beschreibt treffend seinen Geschmack.

An der Côte d’Or nahe Auxey-Duresses treffen wir auf Agnes Paquet. Sie ist seit Jahren neben ihren Stillweinen auch für ihren Crémant bekannt. »In meinem Cuvée mit einem großen Anteil von Chardonnay und Pinot Noir und einer kleinen Menge Gamay und Aligoté vereine ich die typischen, heimischen Rebsorten«, erzählt sie mit Enthusiasmus.

Für meine Weine ist die Authentizität und die Widerspiegelung des Terroirs mit unserer alten Weintradition Ansporn und Motivation.

In ihrem Crémant vermittelt sie genau das – ein Stück burgundische Heimat, die zusätzlich durch die charakteristischen regionalen, kalkreichen Böden geprägt ist. Dies gilt auch für Patrik Piuze aus Chablis. Sein Crémant polarisiert und beeindruckt die Jury durch ausdrucksstarke Mineralität und subtile, vielschichtige Geschmacksnuancen. 

Chenin ist Trumpf

Kopf an Kopf liegt man beim Verkauf der »Fines Bulles«, wie es an der Loire heißt, mit dem Burgund fast gleichauf. Am längsten Fluss Frankreichs sind die Schaumweine der Region nicht mehr wegzudenken. Das gemäßigte Klima ist ideal. Kalkstein und Tuffsteinklippen geben den Weinen ihren besonderen mineralischen Charakter. Rund um die Städte Saumur und Touraine liegt das Zentrum der Crémant-Herstellung. 

Auch in diesem Jahr bestimmen die national und international bekannten Marken wie Ackermann, Gratien & Meyer, Langlois-Chateau oder Bouvet Ladubay die Verkostung. Zu den größten Produzenten gehört Bouvet Ladubay aus Saumur. Im Haus Bouvet setzt man zunehmend auf die traditionellen Leitrebsorten der Region, Chenin und Cabernet Franc. »Der Chenin aus Saumur ist unsere tiefste Leidenschaft, unsere Identität und unsere Zukunft!«, bestätigt Mitinhaberin Juliette Monmousseau aus dem Hause Bouvet Ladubay. Der 2019 Bouvet »Chenin Zero« Saumur konnte in der Verkostung besonders überzeugen. Das Top-Cuvée »Ogmius« Saumur wurde in diesem Jahr nicht nur als weißes Cuvée mit dem Jahrgang 2015, sondern auch erstmalig als Rosé aus dem Jahr 2019 in der Magnumflasche präsentiert. Gerade bei den Großflaschen zeigt sich, dass noch ­längere Hefelager wünschenswert sind, um das Qualitätspotenzial weiter anzuheben.

Die Crémants stammen aus dem kleinen, nur 33 Hektar großen Anbaugebiet an der mittleren Rhône. Hier bestimmen die fruchtigen Schäumer aus der Rebsorte Clairette das Geschmacksprofil. Im Savoyen mit von alpinen Einflüssen geprägtem Klima setzt man ganz auf die autochthonen Rebsorten Altesse und Jacquère. Sie sind die Grundlage, wie z. B. beim ­angestellten »Clos Petraz Cremant de Savoie«, für ­außergewöhnliche, eigenständige ­Geschmackserlebnisse. 

Erwähnenswert sind die Crémants aus Bordeaux, die in den letzten Jahren einen fulminanten Aufstieg erlebten. Die Anbaufläche wurde verdoppelt, und die Produktion liegt mittlerweile bei zehn Prozent der gesamten Crémant-Produktion. 

Auch die kleine, im Languedoc gelegene Appellation Limoux konnte eine gesteigerte Nachfrage ihrer Schaumweine verzeichnen. Die in der Gastronomie gefragten Crémants aus dem Jura sind mittlerweile Raritäten, da der Ernteverlust in den Jahren 2019–2021 wetterbedingt ca. 80 bis 90 Prozent betrug.

Der Boom der französischen Crémants scheint ungebrochen. Die hervorragenden Qualitäten mit den unterschiedlichen Geschmacksrichtungen sowie das gute Preis-Leistungsgefüge sprechen viele Schaumweinliebhaber:innen an. Es lohnt sich, die regionale Vielfalt der acht Crémant-Appellationen für seinen persönlichen Genuss zu entdecken.


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Erschienen in
Sparkling Special 2023

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Gerhild Burkard
Redakteurin
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