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Die dunkle Seite des Bieres

Ein kühles Blondes ins Glas? Nein danke, heute nicht. Wir möchten gerne etwas Dunkles zu uns nehmen, mit Röstaromen, Malznoten und womöglich einem Hauch von Trockenfrucht. Darf es zur Abwechslung ein köstlicher Speisenbegleiter und eine charmante Brauspezialität für die kühle Jahreszeit sein?

Stout, Porter & Dunkles Lager

Bis vor etwa 180 Jahren waren die allermeisten Biere dunkel. Braunbiere mit wenig ansprechender Optik. Doch den Durstigen musste das damals egal sein, denn es mangelte schlicht an Alternativen, und auch das Auge trank noch nicht mit, wenn der Gerstensaft aus undurchsichtigen Ton- oder Holzkrügen floss. Doch das Jahr 1842 veränderte die Bierwelt radikal. Die Bürger des böhmischen Städtchens Pilsen begehrten damals auf gegen die miserable Qualität der städtischen Brauerei. Auf der Suche nach einem neuen Braumeister wurde man in Bayern fündig. Ein gewisser Josef Groll wurde angeheuert und traf in Pilsen auf bemerkenswerte Rahmenbedingungen. Das Saazer Land lieferte guten Hopfen und das Wasser von Pilsen war von guter, weicher Qualität. Ein goldenes, helles Bier erblickte in der Folge das Licht der Welt und noch heute schwören Biertrinker auf das Pilsner Urquell – es war der Startschuss für helle Lagerbiere nach Pilsener Brauart. Weitere Innovationen folgten im Rahmen der industriellen Revolution. Kühlaggregate halfen, die Temperatur bei der Gärung zu steuern, die Erhitzung des Malzes konnte schonender kontrolliert werden und eine neue Glasindustrie machte Glas erschwinglich. Plötzlich sah man, was man trank und der Siegeszug der goldenen, untergärigen Lagerbiere schritt unaufhaltsam voran.

Neue Vielfalt, alte Sorten

Zeitsprung: In den letzten Jahren entwickelte sich ein neues Bewusstsein für Biervielfalt und endlich erreicht nun die kulinarische Kultur den Moment, an dem auch Bier nicht mehr nur als Durstlöscher, sondern auch als Genussmittel betrachtet werden darf. Und neben den modernen Bieren der aktuellen Kreativbrauer-Generation dürfen wir im Zuge dessen auch bewährte und dennoch beinahe vergessene Klassiker wieder entdecken. Bei Stichworten wie Malzsüße, Röstaromatik, Nuss-Anklänge, Espresso und Kakao landen wir dabei unweigerlich auf den britischen Inseln, bei Porter und Stout.

Der Begriff »Porter« erscheint heute eher selten auf Etiketten. Benannt nach den Lastenträgern im Londoner Hafen (engl.: porter), die in der Zeit nach 1700 zwecks Stärkung und Erfrischung in den Pubs von Shoreditch einkehrten, fand die Weiterentwicklung dieses Bierstils im Jahr 1750 in Dublin statt, als Arthur Guinness mit seinem Irish Stout neue Maßstäbe schuf und einen irischen Exportschlager kreierte.

Über die Handelswege zur See fand die Biergattung große Verbreitung und immer mehr Varianten kamen hinzu. Das Imperial Stout und das Baltic Porter wiesen mehr Alkohol und Hopfen auf, das Milk Stout (auch Sweet Stout oder Cream Stout) enthält Milchzucker. Aus Schottland stammt das Oatmeal Stout, bei dem Hafer im Bier verbraut wird. Die Erkenntnis, dass Stout und Austern eine köstliche Kombination bedeuten, veranlasste Brauer sogar, Austern im Brauprozess beizumengen und so entstand das Oyster Stout.

Das Porter wurde je nach den Rahmenbedingungen der verschiedenen Regionen gebraut und ist einer der raren Bierstile, die sowohl ober- als auch untergärig gebraut werden. Dadurch sind die Übergänge zu Bierstilen wie Schwarzbier oder bayerisch Dunkel fließend. Für sie alle gilt die Empfehlung, sie als Begleitung zu schokoladigen Desserts, kraftvollen Braten oder eben frischen Austern zu verkosten.

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Dark side of the beer

Zahlreiche Bierstile existieren in einer hellen und einer dunklen Variante. Bei Weizenbieren vermählen sich dabei gerne die Hefenoten mit Aromen von Nelke und Banane, in der dunklen Version mit Karamell und Dörrobst. Auch bei dunklen Bockbieren treten dann Karamell und Schokolade in den Vordergrund, befeuert durch einen etwas höheren Alkoholgehalt, wie er bei Bockbieren üblich ist. Bei einem Eisbock erwartet uns eine rare und konzentrierte Brauspezialität, bei der das Wasser gefroren und somit der Alkoholgehalt und die Aromatik erhöht wird. Auch bei den aktuellen Craft-Stilen kommen dunkle Röstmalze zum Einsatz, und so gelangen auch Stile wie Black IPA oder Imperial Black Lager in Dose und Flasche.

Einen besonderen Ruf genießen bis heute die Brauspezialitäten, die ihren Ursprung in den Klöstern rings um Flandern und der Wallonie haben. Die begehrtesten Biere stammen von Trappistenmönchen, die zu den Zisterziensern zählen. Auch wenn das Gründungskloster des Ordens, La Trappe, in Frankreich liegt und die gleichnamige Trappisten-Biermarke »La Trappe« aus dem Kloster Onze Lieve Vrouw van Koningshoeven in den Niederlanden stammt, so denken die Bierfreunde der Welt doch in erster Linie an Belgien, wenn es um Trappistenbiere geht. Die dunklen Biere dieser Gattung zählen zu den begehrtesten der Welt. Köstlich etwa das »Rochefort 10« mit Nuancen von Aprikose, Portwein und Leder. Das ähnliche, doch viel rarere »Westvleteren 12« gilt bei Bier-Connaisseurs als das beste Bier der Welt. Beide weisen um die 12 % Vol. Alkohol auf. Etwas leichter und auch in diese aromatische Richtung tendierend sind die Biere des Stils »Dubbel«, wie von Westmalle oder La Trappe, alle mit Malz, Honig, Karamell und Frucht.

Besondere Aufmerksamkeit widmen die Brauer derzeit der Veredelung der Biere in Form von Fassreifung. Spezialist für diese Vorgehensweise ist Founders Brewing in Michigan, USA. In einer ehemaligen Gips-Mine lagern die Braumeister an die 25.000 Fässer und ihr Kultbier »Kentucky Breakfast Stout« (KBS) vermählt Imperial Stout mit dem Aroma der Bourbon-Fässer.

Aber auch hierzulande sammeln einige Brauer bereits gute Erfahrungen mit Fässern aus den USA oder Schottland. Hervorzuheben wären dabei die Spezialitäten der Berliner Brauerei Lemke, Noom Wild Ales aus Österreich und der Kreativbrauerei Kehrwieder in Hamburg.

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Wann, wenn nicht jetzt?

Auch Fässer, die ehemals Rum oder Ahornsirup enthielten, erweisen sich als bestens geeignet für die Reifung von Imperial Stout oder Barley Wine. Viele dieser Biere können auch getrost im Keller weiter reifen. Die Haltbarkeit ist – wie auch bei den belgischen Klosterbieren – sehr lange und Genießer schwören darauf, dass die Komplexität des dunklen Gerstensaftes über die Jahre noch zunimmt – als eleganter Digestif oder auch als Begleiter zu einer kräftigen Zigarre beeindrucken diese Biere selbst eingefleischte Weintrinker.

Feinschmecker-Fazit: Genau jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um die aromatische Vielfalt und überraschende Komplexität der dunklen Biere neu zu entdecken. Und auf unser geliebtes Pils müssen wir dabei ja deshalb nicht verzichten. Sehr zum Wohle!

Schon gewusst?

Schwarz, stark, gut: Dunkle Biere bestechen durch Malzsüße, Röstaromatik und Anklänge von Nüssen, Kakao, Karamell oder Espresso. Im Pairing mit schokoladigen Desserts, kräftigen Braten oder sogar Austern (!) bieten sie höchst interessante und komplexe Geschmackserlebnisse.


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Peter Eichhorn
Peter Eichhorn
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Von Redaktion