Das in den innovativen Kleinbrauereien gebraute Bier kann meist gleich vor Ort verkostet werden.

Das in den innovativen Kleinbrauereien gebraute Bier kann meist gleich  vor Ort verkostet werden.
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Mehr als nur Wiener Lager: Wiens Biervielfalt

Die Wiener Brauer haben sich ihrer Geschichte besonnen und den Stil wiederbelebt, der die Stadt in der Bierwelt verankert hat. Aber das ist nur ein kleiner Ausschnitt der aktuellen Biervielfalt.

Wenn man als Wiener vor drei Jahrzehnten die Bierwelt bereist hat, dann wurde man gelegentlich um die Meinung zu einem rötlichbraunen, vollmundigen und elegant gehopften Bier gebeten, das einem der Braumeister stolz als »Vienna Lager« präsentiert hat. Nun, schmeckt das so, wie bei euch daheim? Nein, leider. Nicht, weil der bemühte Brauer den Bierstil nicht getroffen hätte. Sondern weil er in Wien ausgestorben war. Ein »Wiener Lager« konnte man damals leichter in Texas oder Wisconsin finden als in Österreich.

Und dann kam der damals junge ­Christian Pöpperl nach seinem Studium bei Professor Ludwig Narziß in Weihen­stephan zurück in die väterliche Brauerei in Weitra. Sein nach dem Gründer der Stadt Weitra, Hadmar von Kuenring, benanntes Meisterstück besetzte zunächst eine kleine Nische – aber das Hadmar-Bier darf für sich beanspruchen, den weltberühmten, in Wien aber lange vergessenen Bierstil wieder nach Österreich zurückgebracht zu haben.

Im Brew Pub »1516 Brewing Company«  gibt es neben Bier auch leckere Rippchen.
© nm photography
Im Brew Pub »1516 Brewing Company« gibt es neben Bier auch leckere Rippchen.

Dass dies im Jahr 1994 ausgerechnet ein Brauer aus Weitra vollbracht hat, hat einen durchaus historischen Bezug: Aus Weitra ist Österreichs ältestes Stadtrecht mit Brauprivileg aus dem Jahr 1321 überliefert und in Weitra befand sich seit 1550 die Zunftlade der Brauer des Viertels ober dem Mannhartsberg – eine Zeit lang mussten hier auch Wiener Brauer die Meisterprüfung ablegen. Es war also eine quasi »natürliche« Entwicklung, dass der Bierstil »Wiener ­Lager« von einem Weitraer Braumeister den Wienern zurückgegeben wurde.

Der Genauigkeit halber muss man allerdings feststellen: Als das Wiener Lager im Jahr 1841 erstmals gebraut wurde, war das gar nicht in Wien, sondern knapp daneben. Nämlich in Schwechat. Als Erfinder des Wiener Lagerbieres gilt Anton Dreher (1810–1863), der in den 1830er-Jahren gemeinsam mit Gabriel Sedlmayer vom Münchner Spatenbräu in England die modernen Mälzereitechnologien erforscht hatte: Mit dem für damalige Zeiten relativ hellen Malz »englischer Art« und der untergärigen Hefe vom Spatenbräu ließ er in den kühlen Kleinschwechater Lagerkellern bei Salzburg, wo ebenso wie in Kötschach-Mauthen (»Loncium«) und Tragwein (»Beer Buddies«) eigene Versionen des Stils entstanden sind.

Dies alles in einem kleinen, feinen Maßstab. Denn das Wiener Lager war nicht der einzige Stil, den die aus den USA nach Österreich geschwappte Craftbier-Welle nach oben gespült hat. Begonnen hatte sie in Nußdorf: Dort hat 1984 der Baron Henrik Bachofen von Echt das »Nussdorfer Brauhaus« wiedereröffnet, das dann 20 Jahre lang Vorreiter der Wiener Bierszene war. Zwei Jahre später und nur knapp vier Kilometer entfernt eröffnete Sepp Fischer die noch heute bestehende »Erste Wiener Gasthofbrauerei«, deren Portfolio in den letzten Jahren deutlich breiter geworden ist.

Denn das ist ja der Reiz der kleinen Brauanlagen: Sie geben den Brauern die Freiheit, immer neue Rezepte zu erproben. Am tollsten treibt es dabei die »1516 Brewing Company«, die zwar das Jahr des bayerischen Reinheitsgebots im Namen führt, von dessen Regeln aber großzügig abweicht, wenn es dem Geschmack dient. Gegründet wurde der Betrieb Ende der 1990er-Jahre ausdrücklich, um Wien ein Brew Pub amerikanischen Stils zu geben: Dienstsprache ist Englisch, viele Rezepte amerikanisch. So ist das »HopDevil IPA« zwar mit Wiener Malz gebraut – aber das ist das Vorbild in den USA auch. Und es geht noch wilder: Hier wurde schon ein »Kimchi Porter« und ein »Grape Ale« mit Isabella-Trauben gebraut.

Die »Restaurantbrauerei zu Belvedere« dient wie das ältere »Salmbräu« am Rennweg 8 als Vorzeigebetrieb des Brauanlagenbauers Salm. Die Biere gibt es nur im Ausschank – zudem wird eine kleine Brennerei betrieben.
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Die »Restaurantbrauerei zu Belvedere« dient wie das ältere »Salmbräu« am Rennweg 8 als Vorzeigebetrieb des Brauanlagenbauers Salm. Die Biere gibt es nur im Ausschank – zudem wird eine kleine Brennerei betrieben.

Das ­internationale­ Publikum weiß das zu schätzen. Dabei waren die amerikanischen Ale-Rezepte schon vor der Errichtung des Lokals in der Schwarzenbergstraße in Wien angekommen. Das Verdienst, erstmals ein American Pale Ale nach Wien gebracht zu haben, kommt dem »Siebensternbräu« zu – einer experimentierfreudigen Gasthausbrauerei, die auch Prager Dunkles und Rauchbier nach fränkischem Muster braut. Und das Beispiel machte Schule: »Beaver Brewing« am Alsergrund richtet sich ebenso an internationales Publikum wie die »100 Blumen Brauerei Atzgersdorf«, die »Muttermilch Vienna Brewery« der »BeerLovers« und das »Bräuhaus Ten.Fifty.« in der Ankerbrotfabrik.

Und jenseits der Donau sperrte dieser Tage die »Enkidus Braustube« auf – Stephan Hülber hat die Wiener Bierszene schon mit Rotbier und Sauerbier aus Lohnproduktion aufgemischt, jetzt braut er auf einer eigenen Anlage. Und wenn man es lieber ein bisserl konservativer hat? Die Familie Welledits hat da zu beiden Seiten des Belvederegartens ein Angebot bodenständiger Biere – und eines der besten Weizenbiere der Stadt.


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Erschienen in
Falstaff Wien Special

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Conrad Seidl
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Von Julia Heger