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Falstaff FBI: Wie Händler ihre Augen vor Fälschern verschliessen

Experten schätzen, dass zwanzig Prozent aller Weine, die auf dem Sekundärmarkt gehandelt
werden, Fälschungen sind. Wie gehen Auktionshäuser und Weinhändler damit um? Falstaff startete eine Umfrage.

Kurz nach der Sommerferienzeit schickte Falstaff per E-Mail einen Fragenkatalog an nam­hafte internationale Auktionshäuser und Weinhändler. Ziel war es, herauszufinden, wie sensibilisiert diese Profis für Fälschungen sind, wie sie diese erkennen und damit umgehen. Nach einem Tag: keine Antwort. Nach einer Woche: keine Antwort. Nach einem Reminder: noch immer Funkstille. Erst persönliche Aufforderungen am Telefon entlockten dem einen oder anderen zaghafte Aussagen. Letztendlich verweigerte nur eines der sechs befragten Auktionshäuser ein Gespräch; von fünf befragten Händlern und Brokern, die am Sekundärmarkt agieren, antworteten drei (siehe Infokasten).
Zunächst wollten wir wissen, wie hoch diese Profis den Anteil von Falsifikaten auf dem Sekundärmarkt wähnen – die Antworten unter-schätzten den Umfang enorm. Die höchste genannte Zahl lag bei gerade einmal fünf Prozent – wobei Uwe Bende vom deutschen Weinforum Ruhrgebiet immerhin noch anmerkte, dass wohl mindestens die Hälfte gewisser Bordeauxweine aus den 1940er-, 50er- und 60er-Jahren gefälscht sei. Auch Koppe & Partner schickte uns den Auszug einer Blacklist besonders häufig gefälschter Flaschen. Dennoch ist sich selbst unter den Auktions- und Brokerage-Profis nur vereinzelt jemand des vollen Umfangs bewusst. Selbst bei den sensibleren richtet sich das Augenmerk ganz eindeutig auf alte, begehrte Jahrgänge aus Bordeaux und Burgund – Rhôneweine etwa und Super-Tuscans wurden nur am Rande erwähnt. Dass zudem auch häufig aktuelle Jahrgänge namhafter Weine aus Frankreich, Italien und USA gefälscht werden, erwähnte kein einziger der Befragten.

Authentizität bestimmen

Bei Fragen zur Erkennung von Fälschungen beriefen sich die Händler und die kontinentaleuropäischen Auktionshäuser mitunter auf langjährige persönliche Erfahrung. Ob solche früheren Erfahrungswerte heute noch ausreichend sind, mag dahingestellt bleiben. Wenngleich es auch viele unbeholfene Falsifikate gibt, so sind andere geradezu meisterhaft – und sie werden immer raffinierter. Auch die Reaktionen der internationalen Auktionshäuser waren gemischt: Ein Sprecher des Hauses Bonhams teilte ganz lapidar mit, dass Bonhams bei der Beantwortung unserer Fragen nicht behilflich sein könne. Steven Mould, Leiter der Weinabteilung von Sotheby’s in London, meinte zunächst, er wolle keine Einsicht auf interne Methoden geben, schliesslich wolle man es den Fälschern ja nicht einfacher machen.
Eine aussagekräftige Stellungnahme kam dann aber von höchster Stelle. James Ritchie, der das Weinressort bei Sotheby’s weltweit unter sich hat, schrieb: «Wir bilden alle unsere Spezialisten darin aus, die Authentizität von Flaschen zu bestimmen, abgestimmt auf die jeweilige Herkunft und Provenance. Flaschen von besonderem Wert werden ausserdem von mindestens zwei leitenden Spezialisten zusätzlich überprüft. Wir verwenden eine hochwertige Digitalfoto-Lupe, um Etiketten zu prüfen, und unsere internen Bibliotheksressourcen dienen ebenso dazu, Authentifizierungsfragen zu klären.» Seit Jahren steht dieses Haus für absolute Integrität und ist auch dafür bekannt, zweifelhafte Ware ohne Wimpernzucken abzulehnen.

Anti-Fälscher-Portale

Ein drittes, international präsentes Haus, das aber nicht namentlich genannt werden wollte, erklärte, dass der Umfang des Problems sehr wohl bekannt sei, berief sich auf stringente «due diligence», rigorose Prüfung, und wies ebenso auf «neueste Technologien» hin. Bende wies darauf hin, dass vor dem Kauf an der persönlichen Inspektion der Flaschen kein Weg vorbeiführt: Ein wichtiger Punkt, denn oftmals werden Flaschen übers Internet verkauft, mithilfe kleinformatiger Fotos in niedriger Auflösung. Bende selbst verkauft viele seiner Flaschen übrigens ebenso.
Jan-Erik Paulson von Paulson Rare Wine gab an, dass er jeweils Flaschen, die unstrittig echt sind, zum Vergleich heranzieht. Zudem ist er Mitglied des Anti-Fälscher-Portals www.winefraud.com; andere nannten das Portal der amerika­nischen Fälschungsexpertin Maureen Downey nicht beim Namen, beriefen sich aber ebenfalls auf ein solches Hilfsmittel. Aus der Rückverfolgung der Herkunft ergeben sich den Aussagen unserer Kontaktpersonen zufolge recht oft Verdachtsmomente. Marc Fischer von Steinfels in der Schweiz erwähnte, dass eine persönliche Abholung der zu versteigernden Ware einen guten Einblick in die Welt des Einlieferers biete. Stefan Sedlmeyr von der Munich Wine Company meinte: «Auch das Verhalten der Einlieferer und ebenso die Keller bei der Abholung spielen eine Rolle. Man entwickelt im Laufe der Jahrzehnte ein Gespür, ähnlich wie ein Zöllner.»

Die Alarmglocken läuten

Ein Händler antwortete auf die Frage, wie weit er Herkunft und Verkaufsgeschichte einzelner Flaschen zurückverfolge, mit «gar nicht». Lediglich beim ersten Kontakt müsse ein Herkunftsnachweis vorliegen – dabei kann doch jedes Kind, das mit einem Fotokopierer ausgestattet ist, solche Bastelarbeiten ganz einfach leisten. Dieser Händler jedoch sieht eigener Aussage zufolge Expertise in Sachen Authentizität auch nicht als seine Kompetenz oder gar einen Kundenservice an – man versteht sich selbst offenbar nur als Umschlagplatz. Da läuten die Alarmglocken. Alle Befragten gaben an, Ware schon abgelehnt zu haben. Ebenfalls alle antworteten mit «Ja» auf unsere Frage, ob es Quellen, Auktions- oder Handelshäuser gebe, mit denen man aus diesen Gründen nicht mehr verkehrte. Nur bei einem einzigen der Befragten hat ein erhärteter Verdacht bereits einmal zu einer Anzeige bei der Polizei geführt, alle anderen Befragten geben aber an, dass sie schon einmal Kollegen vor gewissen Personen gewarnt haben.
Die Frage danach, wie die Händler und Auktionatoren die Besorgnis ihrer Kunden und Käufer einschätzen, ergab sehr unterschiedliche Antworten. Wer behauptet, dass das Problem klein sei, sieht auch keine Besorgnis bei seinen Kunden. Daraus kann man wohl nur ein Fazit ziehen: Gerade jene mitten im Geschehen wollen es noch immer nicht wahrhaben – oder sie reden das Problem absichtlich klein. Hinter vorgehaltener Hand erwähnte eine Quelle, dass man zweifelhafte Ware zuweilen unter einem Vorwand ablehne, beispielsweise sage, dass diese Weine «momentan nicht so gefragt seien»: Man möchte also niemanden vergraulen – besonders nicht Einlieferer, die selbst auch Käufer sind.

Gier frisst Hirn

Doch sollte nicht ein viel grösseres, lauteres Aufheben um Fälschungen gemacht werden, als Verdachtsfälle elegant unter den Teppich zu kehren? Denn am Ende bezahlt nicht der Auktionator oder Agent, dessen Kommission sicher ist, sondern der Sammler, Weinliebhaber, Kunde, der die gefälschte Flasche im Keller hat. Ganz zu schweigen davon, dass eines der wertvollsten Motive der Weinkultur beschädigt wird: die Erfahrung, wie authentische gereifte Weine schmecken.
Uwe Bende wendet sich in einem Statement zuletzt aber auch an die Käuferseite: «Mit etwas mehr Selbstkritik und Realitätsblick für vermeintliche Schnäppchen würde manch ein Sammler weniger Geld für Fälschungen in den Mülleimer geschmissen haben. Gier frisst Hirn – und das ist die Chance der Fälscher.» 


Die Befragten

Wer wurde gefragt? (Antwort)

  • Sotheby's (ja)
  • Bonhams (nein)
  • Christie's (ja)
  • Koppe & Partner (ja)
  • Munich Wine Company (ja)
  • Steinfels Weine (ja)
  • Bende - Weinforum Ruhrgebiet (ja)
  • rarewine.dk (nein)
  • Champa (ja)
  • Rare Bordeaux Wine (nein)
  • Paulson Rare Wine e.K (ja)

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2017

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Anne Krebiehl MW
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