Andreas Tischler

Restaurantguide 2024: Die Sonderauszeichnungen

Vom Lebenswerk, über die Neueröffnung, die Sommelière und den Sommelier des Jahres und den Preis für Innovation und Nachhaltigkeit – Falstaff prämiert die bedeutendsten Projekte und Persönlichkeiten, die man heuer auf jeden Fall kennen sollte.

Lebenswerk

Hermann Döllerer, »Döllerer«, Golling

Gastwirt. Hotelier. Vinothekar. Weinglasproduzent. Festspiel-Vorstand. Hermann Döllerer war und ist vieles zugleich. Als er in den 1970er-Jahren mit seinem Bruder Raimund die elterliche Gastwirtschaft und Metzgerei »Goldener Stern« übernahm, hatte er eine Vision. Einfach nur Wirt spielen war Hermann Döllerer zu wenig. Schnell flogen Tiefkühlprodukte und Mikrowelle raus, und die einstige Bürgerstube mutierte zur ersten Adresse von Golling. Rasch wurde hinten eine Gourmetstube eingerichtet. Die Weinkarte zählte schon immer zu den besten weit und breit. In der Metzgerei türmten sich feinste Würste und Delikatessen. Nachbarhäuser konnten zugekauft werden, das Hotel wuchs zum Vier-Sterne-Haus. In Kuchl wurde eine Enoteca mit Weinbar gebaut. Mit Sohn Andreas als Küchenchef stieg das Genießerrestaurant zu einer der ersten Adressen der Nation auf. Und quasi nebenbei entstanden anno 2000 auch noch die »Kleinen Festspiele« in der nahen Burg Golling – organisiert natürlich von Hermann Döllerer.

»Il Grande Padrone« wurde er lange genannt. Heute ist er Markenbotschafter der vielen Geschäftszweige des Döllerer-Clans, fast schon ein kleiner Konzern – geformt von einem Salzburger Visionär.


Gastrounternehmer des Jahres

Dr. Christian Harisch

Fünf Hotels allein im Raum Kitzbühel, dazu weitere vier der erfolgreichen Lanserhof-Linie – exklusive Gesundheitstempel zwischen Sylt und London –, außerdem zünftige Bergromantik in Hahnenkamm-Nähe am Sonnenbühel und fantastische Asia-Kreationen in der Kitzbühel-Niederlassung des weltweit erfolgreichen Edel-Sushi-Experten »Zuma«. Und das sind nur einige der Top-Adressen im Portfolio von Dr. Christian Harisch, dem gastronomischen Großunternehmer aus Kitzbühel. Der Mann hat einfach Sinn für grandiose Gastlichkeit und steht für höchste österreichische Qualität bis weit über die Grenzen hinaus. Und er besitzt ein faszinierendes Gespür für Trends – aber auch die typisch österreichische Fähigkeit, Gelegenheiten zu erkennen, wo andere nur Probleme sehen. Das Zuma-Engagement in Kitzbühel steht exemplarisch dafür: Ein personell aufwendiges internationales Gourmet-Franchise in einer auf die Wintersaison fokussierten Destination schien erst einmal unmöglich. Bis Harisch kam und mit Zuma vereinbarte, das gesamte Team der Sommer-Destination Mykonos für den Winter in Kitzbühel zu hosten. Klingt einfach, ist aber genial. In diesem Sinne: Danke für köstlich logische Initiativen, die den Standort Österreich stärken!

Dr. Christian Harisch.
Dr. Christian Harisch.

Sommelière des Jahres

Friederike Duhme, »nineOfive«, Wien

Ursprünglich hat Friederike Duhme Kunstgeschichte in Frankfurt studiert, bevor ein Erweckungserlebnis mit einer Flasche reifen deutschen Rieslings ihre Passion für die Kunst des Weins weckte. Heute schreibt sie sehr inspiriert über Wein, hat mit dem »Female Wine Collective« einen Zusammenschluss vinophiler Winzerinnen, Gastronominnen und Sommelièren gegründet, der weibliche Sichtbarkeit und Empowerment in einem manchmal noch von Machogehabe bestimmten Gebiet fördert – und ist, vor allem, für die aufsehenerregende Weinkarte der Öno-Pizzeria »nineOfive« auf der Wieden verantwortlich. Eine Pizzeria mit über 350 Positionen teils hochkarätiger Flaschen? Das gibt’s nach Düsseldorf, wo die erste »nineOfive« entstand, nun auch in Wien. Die Stars der Naturweinszene? Alle da. Tement Zieregg Sauvignon Blanc? Vier Jahrgänge zum Kampfpreis. Aber auch Spannendes von Loire und Jura, leistbare Weiße Burgunder, in Rot manches aus Spanien oder von der Rhône. Und nicht weniger als 18 Winzer-Champagner von kleinen, in der Szene als »hot« gehandelten Häusern.

Im Stammhaus gibt’s auch Jacques Selosse und Krug Clos du Mesnil zur Pizza, La Tâche 2014 ebenso. »In Wien haben wir ja gerade erst aufgesperrt«, lacht Friederike Duhme – und das klingt durchaus wie eine Ankündigung. Wir freuen uns schon!


Sommelier des Jahres

Walter Kaltschik, »Stanglwirt«, Going

Walter Kaltschik ist Direktor – konkret der Weindirektor im traditionsreichen Tiroler »Stanglwirt«. Der Maître ist wahrlich ein Passionierter: Seit über 30 Jahren bestimmt die Leidenschaft für guten, sehr guten und ganz und gar außerordentlichen Wein diesen stets zugewandten, vor Menschenfreundlichkeit sprühenden Mann – über die Hälfte dieser Zeit erfreut er damit nun schon seine Gäste in Going. Das Weinbuch des Stanglwirts, von Habitués »Das Buch Walter« genannt, erstreckt sich scheinbar endlos über die großen Lagen, Domaines und Châteaux der Welt – meist in prächtiger Jahrgangstiefe. Rhône-Magier wie Jean-Louis und Yann Chave oder burgundische Über-Winzer wie Armand Rousseau, Vincent Girardin, Jean-Marie Raveneau gefällig? Alles da, aber wie! Domaines und Châteaux von Romanée-Conti (unglaubliche Schätze!) über Comte de Vogüé, Maison und Domaine Leroy bis zu den mythischen Monstern aus Bordeaux wie Pétrus 2005, Latour 2000 oder Haut-Brion 1998? Aber bitte doch! Die ganz großen Österreicher sind zwischen Klassik und Avantgarde versammelt, die deutschen Rieslinge, Schweizer Pinots und toskanischen Massetos, Sassicaias, Solaias und Guado al Tassos füllen Seiten über Seiten. Es kann dauern, bis man bereit zur Bestellung ist – weil es halt gar so viel Schönes zu entdecken gibt!

Walter Kaltschik.
Foto beigestellt
Walter Kaltschik.

Bester Service des Jahres

Oguz Akaltan, »Plachutta Stammhaus Hietzing«, Wien

Oguz Akaltan war zarte 21 Jahre alt, als er bei »Plachutta« im ehrwürdigen Stammhaus anheuerte – als Speisenträger. Seitdem sind 27 Jahre vergangen, und immer noch kommt es ihm »jeden Tag, bei jedem Servicebeginn so wie am ersten Tag vor«, sagt der Mann, der 2019 in die Fußstapfen des legendären Restaurantleiters Hubert Baumgartner getreten ist.

Sind die Tische akkurat gedeckt? Stehen die Sessel, wie sie sollen? Ist alles bereit, um den ersten Gast verwöhnen zu können? Das sind die Gedanken, die mir vor jedem Service durch den Kopf gehen.

Die Brigade aus zahlreichen, meist jungen, Herren und einigen Damen aus allen Winkeln der einstigen Kronländer (und weit darüber hinaus) agiert unter der Ägide des Maître souverän, stets dem Gast zugewandt und mit mehr als routinierter Kompetenz. Der Service in Hietzing ist, auch im Vergleich zur gut geölten Maschinerie im Flaggschiff-Outlet auf der Wollzeile, stets etwas Besonderes: noch persönlicher und zuvorkommender. Oguz Akaltan zeigt jeden Tag, dass die große Tradition urwienerischer Gastlichkeit bis heute ungebrochen ist. Als Kaffee zum Abschluss nehmen die Stammgäste dem Vernehmen nach besonders gern den türkischen. Ganz einfach, weil er hier so besonders gut ist.

Oguz Akaltan.
© Philipp Kreidl / Foto beigestellt
Oguz Akaltan.

Internationaler Botschafter

Willi Schlögl

Der elterliche Gasthof im oststeirischen Oberlungitz war für Willi Schlögl vorgesehen. Doch es kam anders: Schon in der Tourismusschule überließ der kleine Willi das Cola Rum den anderen und trank lieber Wein – ein Getränk, das sein Schicksal werden sollte. Statt Comics verschlang er Weinbücher. Dem Landleben zog er die Wiener Weinszene vor. Erst half er in Wien den Kunden von Wein & Co bei der Bouteillen-Wahl. Aber dann wurde er 2013 doch noch Wirt – in der legendären Berliner »Cordobar«. Statt schulmeisterlichem Getue wurde dort schmerzbefreit auf hohem Niveau getrunken. Seit 2018 betreibt er mit Johannes Schellhorn – ebenfalls in Berlin – die Weinbar »Freundschaft«, wo am 26 Meter langen Tresen aus deutscher Eiche so manche Flasche zur Strecke gebracht wird. Damit es nicht fad wird, gestaltet er seit 2021 gemeinsam mit dem Rapper Curly den Kult-Podcast »Terroir und Adiletten«, wo Größen wie Paula Bosch, Günther Jauch oder Roland Velich stets locker aus dem Weinkästchen plaudern. Und mit »Anleitung zum Weinsaufen« schrieben Curly und Willi Schlögl das wahrscheinlich ungezwungenste Weinbuch der Welt. Entspannter hat selten jemand österreichische Gastlichkeit und Kulinarik so vielen Menschen nähergebracht.


Eröffnung des Jahres

»Lukas Kapeller«, Steyr

Lukas Kapeller war schon ein Mal der mit Abstand beste Koch von Steyr. Die stolze Stadt am Zusammenfluss von Enns und Steyr durfte sich bis 2016 über sein Lukas mitten in der Altstadt freuen, bevor er sich für mehrere Jahre im väterlichen Betrieb engagierte. Aber die Küche ließ ihn nicht los, weshalb er unlängst die Chance ergriff, auf dem Dach der einstigen Direktorenvilla der Steyr-Werke hoch über der Stadt ein Refugium ganz nach seinem Geschmack zu errichten.

Mit seinem Co-Küchenchef Michael Schlöglhofer zeigt er seit Ende vergangenen Jahres eindrücklich, warum man als Gourmet nach Steyr will: leichtfüßige, hochklassige Küche in geradezu intimem Rahmen, dazu eine mit profundem Gespür zusammengestellte Weinauswahl – und Gästezimmer von einer Eleganz und Komfort, dass sie fast für sich allein den Umweg lohnen.

Der Rahmen – ein kaum 20 Sitzplätze fassender, ausgebauter Dachboden mit weit offener Küche und prächtigem Blick über die Stadt – steht exemplarisch für den Küchenstil: sehr persönlich, ohne regionale Scheuklappen, mit dem Blick auf puren, unverstellten Genuss fokussiert. Steyr darf sich freuen – und wir uns auch!


Bestes Wiener Beisl

»Gasthaus Stern«, Wien

Das »Stern« liegt weit draußen und tief drinnen – in Simmering. Das allein ist eine kaum zu überschätzende Leistung für ein feines Beisl, schließlich steht der Flächenbezirk traditionell nicht gerade für ausgefeilte Gastlichkeit. Auf den ersten Blick wirkt auch das »Stern« bloß wie ein bodenständiges Wirtshaus, wie es sie in Wien eben noch gibt. Aber dann: weiße Tischtücher, Stoffservietten – und, vor allem, die feinsinnig-wienerische Küche von Patron Christian Werner. Innereien, ob Alpencalamari (Kutteln) fritti oder Stierhoden in beschwingter Oberssauce, ob Bruckfleisch vom Biokalb oder Kalbsniere im Zwiebeljus, werden hier mit sicherer Hand zur Delikatesse. Ewigen Klassikern wie dem Kalbsnierenbraten, der Rindsroulade, dem exemplarisch soufflierten Schnitzel oder dem geschmorten Wildhasen mit Serviettenknödel wird wie selbstverständlich die Reverenz erwiesen. Hier kann es einer wirklich, und er weiß das auch. Selbstbewusst ist auch die ganz wunderbare Weinkarte gestaltet, mit Schwerpunkt auf Österreich, dazu spannende Naturweine und Handverlesenes aus Frankreich und Österreichs Nachbarländern. Dass die Gäste in Strömen bis weit hinaus nach Simmering pilgern, beweist: Das »Stern« ist es einfach wert!

DIE BESTEN WIENER BEISL


Bestes Landgasthaus

»Gasthaus Nährer«, Rassing

Mike Nährer hat einst das Wirtshaus seiner Eltern in einer ausflugstechnisch nicht gerade bevorteilten Ecke Niederösterreichs übernommen: Rassing ist ein beschauliches Dorf unweit von St. Pölten, aber fernab der traditionellen Weinbau- oder Urlaubsdestinationen des Bundeslands. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, mit beständiger Arbeit zu einer der Top-Adressen Niederösterreichs aufzusteigen. Der spektakuläre neue Bau des Wirtshauses samt regional verwurzelter Greißlerei zeigt, wie Kulinarik als Motor einer Region funktioniert. Der Chef hat einst nicht nur bei den großen Köchinnen und Köchen des Landes (Walter Eselböck, Lisl Wagner-Bacher und Thomas Dorfer ...) gewerkt, sondern wurde auch von internationalen Größen wie Marc Veyrat und Ferran Adrià inspiriert. Sympathisch: Die Molekular-Spielzeuge sind schon längst wieder weggeräumt, es regiert nun regionale Klassik mit Fokus auf wirklich guten Geschmack. Nährer hat neben großartiger Küche aber auch anderes drauf: Mit Freunden hat er alte, vergessene Weingärten in der Nachbarschaft entdeckt und keltert seit einigen Jahren bemerkenswerte Tropfen. Dass sie ideal zu seiner Küche passen, die in der Region fest verankert ist, den Blick über den Tellerrand aber nicht scheut, kann wohl nur darauf zurückzuführen sein, dass sie den Charakter ihres Winzers nachbilden. So soll es sein!


Engagement für Bierkultur präsentiert von Gösser

»Ragginger«, Nussdorf

Das Schmuckstück im Herzen von Nußdorf am Attersee, das Maria Ragginger in bereits fünfter Wirten-Generation führt, ist eine echte gastronomische Institution. Der frische Leberkäse der eigenen Metzgerei gehört im Landgasthaus ebenso dazu wie das perfekt gezapfte Seidl (oder doch gleich ein Krügerl?). Und während man im ganzen Salzkammergut heuer die europäische Kultur abfeiert, zelebriert man hier Gastlichkeit ganz selbstverständlich als Kulturgut mit feinen Bierspezialitäten.

Wie bei der Küche, die auf die hauseigenen Hühner als Eier- und Fleischlieferanten zurückgreift, liebt man es auch bei Hopfen und Malz regional: Ob Weißbier, ein altbayrisches Dunkelbier oder ein Pfiff »Kaltenhauser« zum Einstieg ist dabei einerlei, die Qualität im Vier-Sterne-Hotel muss passen. Denn schließlich will sich der Gast nicht immer mit einem Sprung in den Attersee vom privaten Badeplatz des Ragginger erfrischen. Aber an der Auswahl ist es ohnehin noch nie gescheitert. Da schaut die Maria beim Gezapften genauso genau darauf wie Mutter Gitti beim Süßen oder Papa Toni – Meister des besagten Leberkäses! – bei den Wurstwaren dieses Genuss-Orts am See.

Foto beigestellt

Nachhaltigkeit und Innovation

»Steirereck am Pogusch«, Turnau

Das »Steirereck« ist längst Seriensieger aller Klassen und auch international der Fixstern der heimischen Gastrolandschaft. Mit der Neuausrichtung des Schwesterbetriebs, der legendären Gastwirtschaft am Pogusch, als Ausflugswirtshaus, das zugleich eine Destination für Genuss über den Teller hinaus ist, haben sich Birgit und Heinz Reitbauer ein Denkmal im wahrhaftigsten Sinne gesetzt.

An einem Standort mit hoher ökologischer Sensibilität wurde ein leistungsfähiger Spitzengastronomiebetrieb im Verbund mit einem exemplarisch effizienten Glashaus zum Anbau von Lebensmitteln dank Einsatz von Sonnenenergie, Biomasse und passiven Elementen zum Plusenergie-Bau. Heißt auf gut Deutsch: Das »Steirereck am Pogusch« samt den spektakulären neuen Hotelzimmern produziert in Summe mehr Energie, als es verbraucht. Mehr Nachhaltigkeit und Innovation geht nicht!

Dass das Glashaus zusätzlich eine hoch attraktive Destination wurde, die nachhaltiges Gärtnern auf höchstmöglichem Qualitätsniveau (und das in einer notorisch wettersensiblen Ecke des Landes!) möglich macht, sollte man als Genießer mit Bodenhaftung unbedingt erlebt haben.

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