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Wo die wilden Enten wohnen

Tobias Müller widmet sich den nicht alltäglich Genüssen. Diesmal: Wildgeflügel im Allgemeinen und die Freuden der Wildente im Besonderen.

Der Herbst ist da und mit ihm die Zeit, in der auch noch das letzte Dorfwirtshaus sich an den Schatz unserer Wälder und Berge erinnert und Wild auf die Karte setzt. Über all dem Hirschschnitzel, Rehragout und Wildschweinbraten wird aber gern vergessen, dass es auch ganz ­hervorragende wilde Vögel gibt. In Ländern mit großer Jagdtradition gilt das Federwild als ganz besondere Delika­tesse. In England gibt es im Herbst selbst in besseren Supermärkten eine Wildvogel­theke, wo Fasane, Rebhühner, Ringeltauben und, am wichtigsten, Raufußhühner verkauft werden. Die heißen dort Grouse und stehen im Spätherbst in jedem besseren Lokal auf der Karte.

In Frankreich gilt die Schnepfe als ­Königin des Wildgeflügels, auch weil sie aufgrund ihres unberechenbaren Flugs so schwer zu schießen ist. Sie wird am besten nur ganz kurz und sehr heiß gebraten, sodass sie außen knusprig, aber innen nur angewärmt ist – ein großer blutig-saftig-­wildiger Genuss. Eine besondere Delika­tesse sind ihre Innereien – der legendäre Schnepfendreck – die ebenfalls kurz gebraten und mit reichlich Cognac abgelöscht auf Toast serviert werden.

In Italien wiederum, vor allem im ­Norden, werden im Herbst Wildenten geschlemmt. Meist bezeichnet das die gemeine Stock­ente, also jenen Vogel, der bei uns in den Parks im Teich schwimmt. In und um die Lagune von Venedig sind damit auch oft Krickenten gemeint, die etwas kleiner sind als Stockenten, dafür aber als noch besser, weil geschmacksintensiver gelten. Sie schmecken ähnlich wie domestizierte Enten, bloß aufregender, wilder, interessanter, mit einer für Wildgeflügel höchst ungewöhnlichen, aber spektakulär köstlichen Fettschicht unter der Haut (ich schätze, das liegt daran, dass sie Wasservögel sind).

Auch bei uns wurden einst deutlich mehr wilde Vögel genossen und serviert: Wer alte Kochbücher studiert, findet Rezepte für geschmorte Auerhähne, gebratene ­Drosseln (auf alten Speisekarten auch als »Krammets­vögel« zu finden) oder wilde Wachteln. Dank guten Bestandsmanagements und oft noch gut erhaltenen Lebensraums ist Österreich heute sogar wild­vogelreicher als viele anderen Gegenden ­Europas – nachhaltige Jagd und bedachter Genuss wären also durchaus möglich. Es fehlt bloß leider oft am Angebot – die Jäger behalten die Vögel für sich. Wenn sie sie selbst genießen, ist das ­völlig verständlich. Wenn die Vögel aber nur für den Sport geschossen, dann aber nicht gegessen werden, ist das eine schmerzhafte Verschwendung. Es wäre schön, wenn hier an der Vermarktung gearbeitet werden würde.

Während Schnepfe, Raufußhuhn oder Drossel bei uns kaum zu bekommen sind, werden wilde Enten zumindest gelegentlich angeboten – wenn Sie welche sehen, ­schlagen Sie unbedingt zu! Abgesehen vom Jäger Ihres Vertrauens hat etwa Metro immer wieder (gefrorene) Wildenten im Angebot, und in Wien bieten zumindest manche Geflügelfachgeschäfte immer wieder welche an. Fragen Sie herum und ­sorgen Sie so dafür, dass das Angebot wieder wächst!

So wie alle Wildvögel sind auch Wild­enten erfrischend einfach zuzubereiten: Es braucht nicht mehr als ein wenig Hitze und Salz, um sie in eine der größten Köstlichkeiten zu verwandeln. Wenn sie im Rohr »rare« gebraten werden (oder, noch besser, über glühenden Kohlen gegrillt), entwickeln sie eine geschmackliche Urgewalt, die ihresgleichen vergeblich sucht, ein Aroma von Rauch und Schilf und Fleisch und Blut, das am allerbesten schmeckt, wenn man den Vogel mit den Händen isst. Im Gegensatz zu den meist mageren Wald- und Wiesenvögeln macht es bei ­Wildenten aber auch nichts, wenn sie ­über- oder durchgegart werden – selbst eine Stunde butterweich geschmort und über die ­Pasta gezupft schmecken sie noch großartig. So machen sie kaum Arbeit und ergeben ein Sugo, das frische Pasta oder cremige Polenta in ein Festmahl verwandelt. Alles, was Sie neben einer Ente brauchen, ist etwas Zeit und einen großen Schmortopf. Und falls Sie in die Lagune von Venedig kommen: Die »Trattoria Roma« in Meolo serviert eine köstliche Variante dieses Gerichts.

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Tobias Müller
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