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Die neue Freiheit: Warum junge Menschen lieber alkoholfreies Bier trinken

Die Münchner Brauerei »Giesinger Bräu« stellt ihr neues alkoholfreies Bier vor. Und bedient damit einen Trend, der den Begriff Freiheit neu definiert.

Der Himmel über Giesing ist blau, von der Bühne spielt eine Blaskapelle den Wiesnklassiker »Ein Prosit der Gemütlichkeit und Kellner wuseln mit Tabletts voller Bier um die Tische. Auf den ersten Blick ist also alles wie immer hier im »Giesinger Bräustüberl«. Aber etwas ist anders: Statt Alkohol gibt es heute Freiheit, »Giesinger Freiheit«, um genau zu sein. So heißt das neue alkoholfreie Bier der Münchner Brauerei.

Und damit liegen sie voll im Trend: Seit 2007 hat sich der Absatz von alkoholfreiem Bier fast verdoppelt, kein Produkt im Brausegment kann mit diesem Wachstum mithalten. 2022 wurden 670 Millionen Liter davon gebraut. Knapp zehn Millionen Menschen gaben bei einer Umfrage des Meinungsforschers Allenbach an, dass sie kürzlich eins davon getrunken haben.

Das Bier fließt naturtrüb ins Glas, riecht schön hopfig und schmeckt wie ein echtes Giesinger Bier. Der Name sei entstanden, weil es nun mal alkoholfrei sei, es in München die Freiheit gäbe und sich das eben gut anhöre, sagt Thomas Doriath, der Pressesprecher der Brauerei. Aber es scheint, dass an dieser Freiheit noch ein wenig mehr dran ist als bloß ein Wortspiel.

 

Eigentlich war die Freiheit doch immer das Versprechen des Rauschs. Das Feierabendbier markierte die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit, das Glas Wein sollte einen aus dem Alltäglichen entheben und der Drink versprach eine Tiefe, die man zwischen neun und fünf vermisste. Das scheint sich zu wandeln. Viele Menschen empfinden heute den Alkoholverzicht als Freiheit.

Noch nie haben junge Menschen so wenig Alkohol getrunken wie heute. Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2021 gaben 8,7 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen an, dass sie mindestens einmal in der Woche Alkohol konsumieren. Zum Vergleich: 2011 waren es 14 Prozent, 1979 noch 25 Prozent. Das Gleiche gilt für 18- bis 25-Jährige: Wo vor zehn Jahren noch 40 Prozent angaben, mindestens einmal in der Woche Alkohol zu trinken, waren es 2021 nur noch 32 Prozent.

Risiko: Rausch

Es wurde schon viel gemutmaßt, warum das so ist. Der Sozialforscher Heino Stöver sagte etwa dem ZDF, dass seine Beobachtungen darauf hinwiesen, dass Kontrolle für junge Menschen eine immer größere Rolle spiele. Eine falsche Formulierung in einem WhatsApp-Chat könne eine Freundschaft zerstören. Unter diesen Umständen sei ein Rausch zu riskant.

Die Psychologin Pauline Stockmann beobachtet indes einen stärkeren Fokus auf Selbstfürsorge. Außerdem habe die Corona-Pandemie nach wie vor einen starken Einfluss auf die jungen Leute. Sie habe dafür gesorgt, das Leben weiter in sozialen Netzwerken stattfinden zu lassen, weniger im Park.

Da passt die »Giesinger Freiheit« perfekt ins Porträt. Stefan Marx, dem Braumeister, sei es wichtig gewesen, kein alkoholfreies Helles, Weizen oder Pils zu machen. „Das ist ein alkoholfreies Bier“, sagt er. Und vielleicht trifft er mit dieser Herangehensweise ja einen besonderen Nerv bei den jungen Leuten, die bemüht sind, zur Gewohnheit verkommene Verhaltensmuster aufzubrechen. Vielleicht brauchen diese Menschen für ihre neue Freiheit auch einen neuen, einen eigenen Geschmack. Mit der »Giesinger Freiheit« geht so einer ins Rennen.

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Moritz Hackl
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