Herzhaft: gebratene Streifen vom Wagyu-Rinderherz mit Petersilienwurzel-Birnensalat

Herzhaft: gebratene Streifen vom Wagyu-Rinderherz mit Petersilienwurzel-Birnensalat
© Kristian Haas

Hamburg: Die Wiedereröffnung der »Traube«

Nach über einem Jahrhundert endete im Mai 2022 die Geschichte einer gastronomischen Institution in Ottensen. Nun hat die »Weinstube zur Traube« mit feiner Bistro-Küche wiedereröffnet.

Als die »Traube« in diesem Jahr schloss, flossen Tränen. Generationen von Stammgästen hatten in der ältesten Weinstube der Stadt ihren Schoppen getrunken und standen nun vor verschlossenen Türen – bis vor kurzem.

Sommelier Kristian Haas und Theres Neuhaus sind erfahrene Gastronomen. Er hat im »Kronenschlößchen« gelernt und zuletzt das »Bistro Carmagnole« geleitet, sie hat im »Le Canard« und »Louis C Jacob« gekocht und war dann Souschef im »Hotel Vier Jahreszeiten«.

Das Paar war schon länger auf der Suche nach eigenen Räumlichkeiten – idealerweise einem Traditionslokal. »Als wir die ›Traube‹ sahen, war für uns klar, dass wir hier Anker werfen.« Im August haben die beiden den Laden übernommen und im Schaukasten draußen immer wieder Teaser platziert, mal eine Beispiel-Speisekarte, mal eine Ankündigung. So seien die Leute neugierig auf die Wiedereröffnung gewesen. »Und als die Tür Mitte November aufging«, freut sich Haas, »waren wir – schwupps – ausgebucht.«

Bei der Renovierung der Räume verfuhren Haas und Neuhaus zweigleisig: Das Erdgeschoss mit seinen Holzvertäfelungen und Schnitzereien haben sie original erhalten. In der Etage darüber, die stets als zweite Klasse im Haus empfunden worden sei, haben sie den alten Stuck und die Kristallleuchter mit einer hellen Gestaltung kontrastiert und mit dänischen Teakmöbeln und Thonet-Stühlen eingerichtet. »Es ist ein ganz anderes Ambiente als vorher – leider aber noch unbenutzt, da uns ein Extra-Kellner fehlt.«

Haas und Neuhaus arbeiten zur Zeit noch ohne weitere Mitarbeiter und servieren in der historischen Weinstube im Erdgeschoss. Die beiden machen tatsächlich alles alleine: »Wir sind morgens die ersten, die aufschließen und putzen und nachts diejenigen, die abschließen.« Haas scheint selbst überrascht zu sein, wieviel zu zweit möglich ist: »Wir können davon die Rechnungen bezahlen und uns eingrooven.« Und mit 20 bis 30 Gästen am Abend fühlten die beiden sich sehr wohl. Die Kundschaft setze sich aus alten Stammgästen und neuen Besuchern zusammen. Kürzlich sei ein Ehepaar zu Gast gewesen, das sich vor 60 Jahren in diesen Räumen verlobt hat: »Das war ein tränenreiches Wiedersehen mit dem Haus.«

Bei der Speisekarte müssten sie sich nicht verbiegen. Die Erwartungen der Leute entsprächen im Wesentlichen den eigenen Vorstellungen von einer niedrigschwelligen Gastronomie mit klassischer Küche. Haas und Neuhaus hegten beide eine Leidenschaft für traditionelle französische und europäische Kulinarik. Das passe gut zu einer unkomplizierten, doch hochwertigen Gastronomie, in der es einen Coq au vin oder gebratene Blutwurst gibt. Haas gerät in Begeisterung, als er von bretonischem Petit Bateaux-Fisch mit Ratatouille spricht, von französischem Label Rouge-Geflügel, von Challans-Ente.

Die Weinkarte sei noch übersichtlich, wachse aber stetig. Hier hat Haas einiges vor. Seine Liebe gelte den Winzern am Rheintal – Rheingau, Pfalz und der jungen Szene von Rheinhessen. Ansonsten schätze er vor allem die traditionellen französischen Weine, besonders reifen Bordeaux. »Und so etwas anzubieten, fällt hier auf fruchtbaren Boden.«

INFO

Weinstube zur Traube
Karl-Theodor-Strasse 4
22765 Hamburg
T: +49 40 669 771 72
www.traube-hamburg.com

Hilmar Schulz
Falstaff Scout
Mehr zum Thema