Traditionell und modern – das Sudhaus der Privat-Brauerei Zötler in Rettenberg, die Niklas Zötler in 21. Generation leitet.

Traditionell und modern – das Sudhaus der Privat-Brauerei Zötler in Rettenberg, die Niklas Zötler in 21. Generation leitet.
© wertvollfotografie

Junge Produzenten aus dem Allgäu

Im Allgäu und am Bodensee bringen junge Produzenten mit unkonventionellen Methoden Bewegung in die Genusskultur. Wir stellen zwei von ihnen vor.

Von ihrem Weinberg am Rand von Lindau kann Teresa Deufel, 35, den grünblauen Bodensee überblicken. Seit 2009 ist das ihr Arbeitsplatz. Beneidenswert, sollte man meinen. Doch für Deufel war es das nicht immer. »Winzer, ich fand das damals einfach unsexy«, gesteht sie. Die Erinnerung an die Arbeit auf dem Weingut, das ihr Vater und ihr Onkel 1975 gegründet hatten, war auch keine Motivationshilfe für den harten Winzerberuf. »Wenn andere Kinder zum Baden gingen, mussten wir mithelfen«, erinnert sie sich. 

Die Abiturientin Teresa Deufel hatte andere Pläne: Grafikdesign oder Eventmanagement, so wie ihre Freunde. Vor allem aber: weg aus Lindau. Doch dann starb der Vater. Und Deufel entschied sich für die Lehre zur Winzerin. Ludwig Knoll vom Weingut am Stein in Würzburg wurde nicht nur Ausbilder, sondern auch »ein väterlicher Freund«. Er war es, der der jungen Frau riet: »Was bringt es, wenn du Wein in Südafrika herstellen kannst? Lerne doch die Gegebenheiten zu Hause kennen!« So übernahm Deufel das elterliche Weingut. 

Und während mancher der Freunde überarbeitet und ausgebrannt an den Bodensee zurückkehrte, fand Teresa Deufel ihre Bestimmung in der Weiterentwicklung des Lindauer Seeweins. Sie setzt auf fruchtige Weine, auf Qualität und biologische Standards und ist damit Teil einer Generation, die Bewegung in die lange ein wenig verschlafene Genusskultur im Allgäu bringt. »Hier passiert etwas. Es gibt inzwischen viele junge Leute, die einfach mal machen.« 

Niklas Zötler ist Braumeister in 21. Generation.
© wertvollfotografie
Niklas Zötler ist Braumeister in 21. Generation.

Im rund 60 Kilometer entfernten Rettenberg im Oberallgäu kann Braumeister Niklas Zötler, 33, diesen Eindruck nur bestätigen. »Megaspannende Produzenten« finde man hier, vom Käse-Affineur mit dem besten Bergkäse bis zur Saiblingszucht. »Charakterstark, mit Ecken und Kanten, so wie die Menschen im Allgäu.« Zwar gebe es verglichen mit anderen großen Genuss-regionen noch Nachholbedarf im Allgäu, so der Chef der gleichnamigen FamilienBrauerei. »Aber man kann förmlich beobachten, wie wir uns entwickeln.« 

In 21. Generation führt Niklas Zötler eine 572 Jahre alte Brautradition fort – und ist zugleich »leidenschaftlicher Craft-Bier-Trinker«. Mit der »Braukunst«-Serie hat er vier neue Biere kreiert, die sich bewusst von den anderen, preisgekrönten Zötler-Erzeugnissen abheben. Berührungsängste gibt es für den Betriebswirt und Biersommelier nicht, im Gegenteil: »Die Craft-Bier-Thematik hat der ganzen Branche gutgetan.« 

Winzerin Teresa Deufel beim Rütteln der »Sprudeldicken Dirn«, ihrem Winzersekt.
© Bayern.by-Gert Kratbauer
Winzerin Teresa Deufel beim Rütteln der »Sprudeldicken Dirn«, ihrem Winzersekt.

Neben der Innovationsfreude teilen die beiden jungen Macher Deufel und Zötler auch einen nachhaltigen Ansatz, der sich in der täglichen Arbeit bemerkbar macht. »Der Gedanke, dass meine Generation eine der letzten auf diesem Planeten sein könnte, macht mir Angst«, sagt Niklas Zötler. Gemeinsam mit Vater Herbert, der seinem Sohn 2018 als einem der jüngsten Brauereichefs das Zepter übergab, hat der Familienunternehmer in moderne Technik zum Schutz des Klimas und der Allgäuer Natur investiert. Ein Blockheizkraftwerk liefert einen großen Teil des benötigten Stroms. Das ist aber noch nicht das Ende: Schon bald soll es Streuobstwiesen geben, »vielleicht auch eine eigene Tierhaltung«.

Auch Teresa Deufel hat ihren Weinbau früh an biologischen Vorgaben ausgerichtet. Sie verzichtet auf Herbizide und nutzt natürliche Hefen zur Vergärung. Wildblumen stärken das Ökosystem im Weinberg, was eine intensive Beschäftigung mit Pflanzen und Böden erfordert. Praktisch, dass sich die zweifache Mutter zu Hause mit ihrem Lebensgefährten, einem Bio-Apfelbauern, jederzeit austauschen kann.

Zehn Jahre liegt die Entscheidung für das väterliche Weingut nun zurück. Teresa Deufel hat sie nie bereut. Die Arbeitsbelastung sei zwar »tatsächlich noch schlimmer« als anfangs befürchtet, wie sie lachend zugibt. Doch die Herausforderung, in der malerischen Kulisse täglich Neues wagen zu können, sei das allemal wert.

www.teresadeufel.de
www.zoetler.de


Erschienen in
Falstaff Spezial »Bayern« 2019

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