© Erik Chmil

»Le Moissonnier«: Wenn ein Michelin-Stern zum Gesundheitsrisiko wird…

Vincent Moissonier schloss sein Zwei-Sterne-Restaurant »Le Moissonnier«, um sich von der Spitzengastronomie und dem damit verbundenen Druck zu befreien. Nun wurde auch sein neues Bistro mit einem Stern dekoriert – gegen seinen ausdrücklichen Wunsch, nicht berücksichtigt zu werden. Hat der Guide Michelin damit eine Grenze überschritten?

Die Entscheidung des Guide Michelins das Kölner Bistro »Le Moissonnier« mit einem Stern zu ehren war eine, von der man bis zuletzt hoffte, dass sie gegen und damit gleichzeitig für Vincent Moissonier getroffen wird. Wie das sein kann?

Erstmal zurück in den Sommer vergangenen Jahres: Nach fast vier Jahrzehnten verkündetet Moissonnier die Schließung seines Zwei-Sterne-Restaurants »Le Moissonnier« – trotz seines anhaltenden Erfolgs. Die zahlreichen Auszeichnungen lockten nicht nur Gäste aus Deutschland in das französische Restaurant am Rhein. Doch am Ende hat Vincent Moissonnier genau das krank gemacht: der Druck, die Sterne, die harte Arbeit, die jeder von ihnen kostet. »Ich konnte nicht mehr«, musste der Patron sich eingestehen. Gemeinsam mit seiner Frau Liliane beschloss er, einen Schlussstrich zu ziehen.

 

Ich möchte an dieser Punkterei, Sternerei und Aufgeilerei nicht mehr teilnehmen.

 

Schnell war jedoch klar: Ganz ohne Gastronomie kann er auch nicht leben. Am 1. September 2023, nach knapp zwei Monaten Pause, eröffneten sie das »Le Moissonnier« wieder – diesmal ohne Sterne, dafür als gemütliches französisches Bistro. Bei der Wiedereröffnung wirkte Vincent Moissonnier nervös. Hörte man ihm damals zu, klang der Neuanfang weniger nach Veränderung, sondern viel mehr nach Befreiung. Ernst wurde er erst, als es um die Sterne ging: »Ich möchte an dieser Punkterei, Sternerei und Aufgeilerei nicht mehr teilnehmen«, verkündete er damals.

Das Diktum einer Obrigkeit

Es klang nicht einfach so daher gesagt. Vincent Moissonnier wollte, dass diese Nachricht, an die richtige Stelle gelangt, als sei ihm klar gewesen, dass man sich dem Guide Michelin nicht einfach so entziehen kann. Ausgerechnet der Restaurantführer, der ihn durch sein System zum Neuanfang drängte, ihn psychisch krank machte, wie er zuletzt im Podcast des Kölner Stadt-Anzeigers Ende Dezember zugab, widersetzt sich nun Moissonniers Wunsch – und verleiht ihm erneut einen Stern. Mit diesem Hintergrund liest sich das Sternchen viel weniger als Auszeichnung, sondern als das Diktum einer Obrigkeit, der man sich nicht entziehen kann.

Der weltweit führende Restaurantführer kann nicht nur Träume in Erfüllung gehen lassen, sondern gleichzeitig ein ganzes Leben überschatten. Oft widmen sich die Gastronominnen und Köche jahrelang dem Streben nach den Sternen – als hinge der Sinn ihres Lebens allein von der Anerkennung durch diesen Restaurantführer ab. Haben sie dann ihr Ziel erkocht, hört die Herausforderung jedoch nicht auf, im Gegenteil. Wie schon Moissonnier treffend bemerkte: Jeder Stern bedeutet Druck und harte Arbeit. Einen Stern zu verlieren, gleicht einer Niederlage.

Moissonnier hat versucht, sich diesem Urteil zu entziehen. Dass der Guide Michelin diesen ausdrücklichen Wunsch ignoriert, ist eine Anmaßung und zeigt, dass der Restaurantführer sich blenden hat lassen von seinem eigenen Nimbus.

 


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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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