© Das Achental

Drei Sterne für’s »ES:SENZ«: Edip Sigl und wie er den Chiemgau sieht

Eine höhere Auszeichnung als drei Sterne kann sich ein Koch nicht verdienen. Aber wo liegen die feinen Unterschiede, die aus Exzellenz Weltklasse machen? Und: Ist das überhaupt verdient?

In Grassau am Chiemsee dürfte vergangene Nacht der Champagner geflossen sein, denn das Restaurant »ES:SENZ«, das an das Hotel »Das Achental« angebunden ist, hat bei der Verleihung der Michelin-Sterne in Hamburg den dritten Stern verliehen bekommen. Drei Sterne. So zeichnet der Gourmet-Guide Restaurants aus, die allein eine Reise wert wären. In Deutschland gibt es nur zehn Köche, die diese Ehre teilen. Einer von ihnen ist jetzt Edip Sigl. Aber ist das auch gerechtfertigt?

Als Sigl 2021 das »ES:SENZ« eröffnete, bekam der 39-Jährige aus dem Stand zwei Sterne. Mit denen wurde auch seine Arbeit im »Les Deux« in München ausgezeichnet, wo er davor als Küchenchef tätig war. Ansonsten kochte er im »Gut Lärchenhof« in Pulheim, im »Hugos« in Berlin oder in der »Residenz Heinz Winkler« in Aschau.

 

Bei drei Sternen geht es darum, dass sich durch die Gänge etwas transportiert, das über bloßen Genuss hinausgeht. Es geht um Philosophie.

 

Der Lebenslauf ist einerseits aussagekräftig, er zeigt, dass Sigl sein Handwerk versteht. Andererseits liest er sich genauso wie viele der Lebensläufe seiner Kollegen, die in Hamburg nur mit einem oder zwei Sternen ausgezeichnet worden sind. Was den Unterschied in diesen kosmischen Höhen macht, liegt also jenseits vom Handwerk, von der Auswahl der Produkte oder der Art der Präsentation. Bei drei Sternen geht es darum, dass sich durch die Gänge etwas transportiert, das über bloßen Genuss hinausgeht. Es geht um Philosophie.

»Chiemgau around the world«

Über gute Schriftsteller sagt man, sie schreiben über das, was sie kennen. Edip Sigl kocht aus seinem Leben heraus. Und das findet im Chiemgau statt. Natürlich heißt das einerseits, dass seine Produzenten zum Großteil aus der Gegend kommen – Abstriche macht er für sein »Chiemgau around the world«-Menü, in dem sich allerdings auch vor allem zeigt, dass seine heimischen Produkte sich qualitativ mit allem messen können, was die Welt der Delikatessen zu bieten hat. Aber es heißt auch, dass er mit den Produzenten im Austausch steht und mit ihnen daran arbeitet, das meiste aus dem Gemüse, dem Fisch oder dem Rind herauszuholen.

© Guide Michelin

Was Edip Sigl mit seinen Gerichten gelingt, ist ein intimer Blick auf seine Wahlheimat. Wenn man in dem behaglichen Gastraum sitzt, brennt drinnen ein Feuer im Kamin und durch die großen Fenster sieht man in den Garten. Was sich dadurch in Kombination mit seinen Gängen offenbart, ist eine Begegnung, ein ästhetischer Moment: Es ist, als würde jede Erfahrung ausradiert und man sieht, man schmeckt, man erlebt das Chiemgau neu – mit Edip Sigl eben.

Einfach fantastisch

Exemplarisch lässt sich das an seinem Saibling von der Thalhammer Mühle zeigen: Er bereitet seinen Fisch wie einen Stöcklfisch zu, über Feuer brät er ihn auf der Haut für ein paar Momente an. Es sei etwas Archaisches, über Feuer zu kochen, sagt er. »Manchmal muss man einen Rückschritt machen, um zwei Schritte vorwärts zu gehen.« Er präsentiert das Filet an Spinat, mit Saiblingskaviar und Nussbutterschaum. Das ist – man darf an dieser Stelle kurz die Fassung verlieren – fantastisch.

Von den Apéros an spürt man in der »ES:SENZ«, die Lust des Küchenteams, man erlebt Kreativität, die sich bis hin zu den fantastischen Desserts von Chef Patissière Desiree Nieder durchzieht. Deshalb, ja, wer das Chiemgau kennenlernen möchte, der muss bei Edip Sigl essen. Die drei Sterne sind in Grassau gut aufgehoben.


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Moritz Hackl
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