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Weingut Aldinger zu Bauernprotesten: »Der Staat darf seine eigenen Landwirte nicht im Stich lassen«

Seit über 500 Jahren prägt das Weingut Aldinger die Weinlandschaft Württembergs. Gert Joachim Aldinger, auch als »König des Kappelbergs« bekannt, spricht im Interview über die aktuellen Bauernproteste, erklärt, warum er als Winzer nicht daran teilnimmt – und warum nicht allein die Politik jetzt gefragt ist.

Falstaff: Herr Aldinger, als Winzer nehmen Sie nicht an den aktuellen Bauernprotesten teil. Warum?

Gert Joachim Aldinger: Weil wir nicht unbedingt die sind, die zu klagen haben. Winzer stehen nicht an vorderster Stelle, weil sie, im Vergleich zu anderen Landwirten, finanziell am wenigsten blockiert sind. Andere Bereiche der Landwirtschaft, insbesondere die mit großen Agrarmaschinen, sind viel stärker betroffen.

Und diese blockieren nun die Straßen. Verstehen Sie die Wut und die Maßnahmen?

Ich bin kein Befürworter von Demonstrationen und denke, dass Probleme besser im Dialog gelöst werden sollten – aber ich kann die momentanen Proteste vollkommen nachvollziehen. Die Streichung der Agrardiesel-Subvention hat das Fass einfach zum Überlaufen gebracht. Noch dazu wird nicht nur allein die Politik wachgerüttelt, sondern auch die Bevölkerung.

Inwiefern?

Viele Menschen fragen, warum unsere Weine durchschnittlich 10 Euro kosten. Die Antwort ist einfach: Wir setzen keine Arbeitskräfte aus dem Ausland ein. Unsere Helfer verdienen 14,50 Euro pro Stunde – natürlich spiegelt sich das im Preis des Weins wider. Wenn die Landwirtschaft alle so entlohnen würde wie die Industrie, dann Gnade Gott. Dabei müsste es so sein. Die Bevölkerung muss anfangen zu begreifen, was Essen kostet. Sie muss umdenken. Wer setzt sich schon im Winter in den Schlamm und erledigt die notwendige Arbeit, damit das Gemüse später geerntet werden kann? Die Wertschätzung für händische Arbeit scheint in der Bevölkerung völlig verloren gegangen zu sein.

Gert Joachim Aldinger mit seinen Söhnen Hansjörg und Matthias. Mittlerweile geben sie den Takt im Weingut an.
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Gert Joachim Aldinger mit seinen Söhnen Hansjörg und Matthias. Mittlerweile geben sie den Takt im Weingut an.

Was könnte die jetzige Situation umkehren?

Die Erlössituation muss sich ändern, und das gilt auch für die Preisspirale nach unten, egal ob es um Milch, Kartoffeln oder Salat geht. Aber letztendlich kann man sich nicht allein auf die Politik verlassen; es liegt an jedem Einzelnen. Jeder muss sein Bestes für sich und seinen Betrieb geben. Das erfordert viel Arbeit. Meine Söhne würden so weit gehen zu sagen, dass alle Subventionen komplett gestrichen gehören. Lobbyarbeit sollte gänzlich unterbunden werden. Grundsätzlich sollte doch jeder von seiner Arbeit leben können, dafür hat auch der Staat Sorge zu tragen. Es ist ein strukturelles Problem, das behoben werden muss.

Ob die Proteste etwas bewirken, weiß niemand. Unter diesen Bedingungen wird sich jedoch kaum noch jemand für einen Beruf in der Landwirtschaft entscheiden wollen.

Unsere Familie betreibt Weinbau seit 1492, das sind über 500 Jahre. Lösungen zu finden, gehört dazu. Als mich unsere Auszubildenden jedoch vor kurzem fragten, ob sie nicht lieber einen zweiten Beruf erlernen sollten, hat das wehgetan. Der Staat darf seine eigenen Bauern und Landwirte nicht im Stich lassen.

Zum Weingut


Das Weingut Aldinger in Fellbach hat seine Wurzeln im Jahr 1492, als Bentz der Aldinger aus Aldingen kam, um Reben in Fellbach anzubauen. Im Jahr 1955 transformierte Gerhard Aldinger die bestehende Holzküferei seines Schwiegervaters in ein Weingut, und 1973 markierte der Erwerb der Lage Untertürkheimer Gips einen bedeutenden Meilenstein.

Nach 500 Jahren Weinbautradition übernahm der heute 68 Jahre alte Gert Joachim Aldinger die Leitung des Weinguts und wurde schnell als »König des Kappelbergs« bezeichnet. Durch den Anbau internationaler Rebsorten und die radikale Ertragsreduzierung prägte er maßgeblich die Richtung des Weinguts. Heute steht das Weingut an der Spitze in Württemberg, wobei die Söhne Hansjörg und Matthias Aldinger nun die Tradition der Familie weiterführen. 2017 wurde das Weingut zum Falstaff Newcomer des Jahres gekürt. 


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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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