Kobe Beef: Das Fleisch ist stark von Fettadern durchzogen, die ihm auch ­seinen intensiven Geschmack verleihen.

Kobe Beef: Das Fleisch ist stark von Fettadern durchzogen, die ihm auch ­seinen intensiven Geschmack verleihen.
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Der Kobe-Kult

In Japan ist Kobe Beef eine traditionelle Delikatesse. Längst ist das fettdurchzogene Fleisch weltberühmt. Aber was hat es mit all den Mythen, die sich um das Kobe Beef ranken, wirklich auf sich?

Kobe Beef – ein Name, der Steak-Liebhabern auf der ganzen Welt ein Begriff ist, nicht zuletzt wegen der horrenden Preise. In einem Restaurant in Kobe werden für rund 130 Gramm (eine in Europa eher kleine Menge) der unteren A-Klasse gerne mal umgerechnet 110 bis 120 Euro verlangt, je nach Fleischqualität kann es auch mehr sein.
Dafür bekommt man aber einiges geboten: Vorspeisen und Reis oder Brot sind im Preis inbegriffen, und das Fleisch wird vor den Augen des Gasts auf Stahlplatten (Teppanyaki) zubereitet. Wen es interessiert, der kann sich im Restaurant auch die Zertifizierung des Fleisches und den Stammbaum des Rinds zeigen lassen.
Der Begriff Kobe Beef darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es überhaupt kein Kobe-Rind gibt: Das sagenumwobene Fleisch stammt zwar von einer ganz bestimmten Rasse, die heißt aber Tajima-Rind. Tajima ist eine äußerst streng gezüchtete Unterart des Wagyu-Rinds, das aus dem Bergland in Hyogo rund um Kobe stammt.

Wie es zu dem Namen kam

Bis zur Öffnung des Hafens in Kobe 1868 wurden Tajima-Rinder hauptsächlich für die Feldarbeit eingesetzt. Ein englischer Kaufmann erwarb damals ein paar der ­Rinder für sich und seine Mannschaft. Als erste Ausländer in Japan kamen sie in den Genuss der außergewöhnlichen Qualität des Fleisches und prägten den Namen Kobe Beef. Unter diesem Namen begann dessen Erfolgsgeschichte. Heute ist Kobe Beef ein Titel, der von der JMGA (Japanese Meat Grading Association) für besonders hochwertiges Fleisch verliehen wird, es ist jedoch kein Name einer eigenen Rinder-Rasse.
Um als Kobe Beef ausgezeichnet zu werden, müssen die Tajima-Kälber aus einer Zucht in der Hyogo-Präfektur stammen und in einer der 300 ansässigen Mastfarmen aufgezogen werden. Nach 32 Monaten erfolgt die Schlachtung, ebenfalls ausschließlich in Hyogo. Dann wird das Fleisch einem Gremium zur Zertifizierung vorgelegt. Ausschlaggebend für die Auszeichnung ist der Grad der Marmorierung. Nur wenn das Fleisch einen BMS (Beef Marbling Standard) von sechs oder höher hat, darf es als Kobe Beef betitelt werden. Die Premium-Klasse hat einem BMS-Wert von acht bis zwölf.
Um die Haltung von Tajima-Rindern ranken sich allerdings auch viele Mythen. Millionenfach wurde schon darüber berichtet, wie japanische Rinderzüchter aus Kobe ihre vierbeinigen Lieblinge wie Kleinkinder verhätscheln. So dürfen die vergötterten Tiere angeblich ihr müdes Haupt auf japanische Reisstroh-Matten betten und einmal am Tag an einer Flasche Bier nuckeln. Laufend mit Sake besprüht und stundenlang von einer sanftmütigen Geisha massiert, hätten die Rinder, so heißt es, ein Leben wie die Maden im Speck. Doch dem nicht genug: Um den Glückstaumel der verwöhnten Wundertiere noch zu steigern, würde man sie überdies tagsüber mit japanischer Volksmusik beschallen, auch mit Mozart-Sinfonien habe man gute Erfahrungen gemacht. Doch dabei handelt es sich meist um reine Klischees, denn Rinderfarmen, in denen mehrere tausend Tiere gehalten werden, können unmöglich jedes davon stundenlang massieren lassen.

Wahr ist vielmehr: Bis die jungen Kälber alt genug sind, werden sie in kleinen Gruppen aufgezogen und unterliegen einem strengen, geradezu diätischen Ernährungsplan auf Grundlage von Mais, Sojabohnen, Gerste und Reisstroh. Tatsächlich gibt es Farmen in Hyogo, die ihre Rinder massieren. Dies ist allerdings eher selten und hat keinen nachgewiesenen Effekt auf die Fleischmarmorierung. Auch die Sache mit dem Bier ist eine japanische Legende. Richtig ist, dass Tajima-Rinder in Japan oft Biertreber erhalten, um ihren Appetit anzuregen. Das sind eiweißreiche Malzrückstände, die bei der Bierherstellung übrig bleiben. Lust auf einen Schluck Bier oder Sake verspüren die Rinder hingegen nicht, denn dafür ist allein schon ihr ­Magen völlig ungeeignet.
Die Fleischmarmorierung ist das außergewöhnliche Merkmal der Tajima-Rinder, die durch strenge Kontrolle der Blutlinie veredelt wurden. Dabei garantieren die kleinen Herdengrößen eine hohe Präzision in der Zucht und ausgezeichnete Qualität. Nur rund 5000 Rinder erhalten jährlich den Qualitätsstempel der Japanischen Chrysantheme, ihr Fleisch den Namen Kobe Beef. Die kleine Produktionsmenge erklärt nicht zuletzt auch den hohen Preis.

Zu viel Fett?

Ob Zuchtaufwand und Verknappung den Preis rechtfertigen, muss wohl jeder, der in den Genuss dieses außergewöhnlichen Fleisches kommt, selbst entscheiden. Mit einem hohen Fettanteil von mindestens 40 Prozent ist Kobe Beef deutlich fetthaltiger als herkömmliches Steakfleisch in Europa und Amerika.
Deshalb scheiden sich beim Kobe Beef auch die Geister. Außerhalb Japans kommt dieses Fleisch nicht bei allen Steak-Liebhabern so gut an. Vielen ist es einfach zu fett, sie vermissen die Kernigkeit eines T-Bone-Steaks. Andererseits besitzt das Fett im Kobe Beef eine niedrigere Schmelztemperatur. Das sorgt beim Braten für unvergleichlich zartes Fleisch, das quasi auf der Zunge zu zergehen scheint.
Auf Kobe Beef spezialisierte Köche in Japan würzen ihr Fleisch deshalb äußerst reduziert mit Salz und Pfeffer, bei Bedarf kann es auch in mit Soja-Soße gemischten Senf gedippt werden. Steaksoßen sucht man hier vergebens. Das wäre für Japaner ein barbarischer Akt.


Rennrad-Profi und Rinderzüchter Gerhard Zadrobilek.
Foto beigestellt
Rennrad-Profi und Rinderzüchter Gerhard Zadrobilek.

Der Fleisch-Fanatiker

Laab im Walde, mitten im Wienerwald: Etwas außerhalb des Ortes, ziemlich versteckt, besitzt Gerhard Zadrobilek ein wunderschönes Anwesen. Ein Traumhaus mit Blick auf eine Lichtung und grasende Rinder. Es sind ganz spezielle Tiere, Wagyu-Rinder japanischer Abstammung, deren Fleisch unter Feinschmeckern als Kobe Beef bekannt und begehrt ist.
Auch Zadrobilek ist kein Unbekannter. Der ehemalige Rennrad-Profi nahm unter anderem dreimal an der Tour de France teil und zählte jahrelang zur österreichischen Radsport-Elite. Heute ist er Wirtschaftstrainer und Landwirt mit eigener Rinderzucht. Sein Kobe Beef bezeichnet er nicht als Lebens-, sondern als Genussmittel. Das ist schon alleine der langen Zeit geschuldet, die er als Erster in Österreich in die Aufzucht seiner reinrassigen Wagyu-Rinder gesteckt hat.
Ob Sport, Coaching oder Landwirtschaft; Wann immer Zadrobilek sich in ein Abenteuer stürzte, hatte er stets nur ein Ziel vor Augen: ein Top-Ergebnis abzuliefern. »Ich habe mir mit Ausdauer, Willen und Mut sehr viel Know-how angeeignet«, resümiert er. »Und die Geduld, die mein Spitzenfleisch braucht, habe ich mir auch selbst beigebracht.« Zunächst kaufte er schottische Hochlandrinder. Ein Jahr darauf schenkte ihm sein damaliger Sponsor Dietrich Mateschitz zum 30. Ge­burts­tag den ersten Zuchtstier. Zadrobilek: »Meine Vorstellungen wurden immer konkreter und resultierten 2006, als ich mein erstes Kobe Beef serviert bekam, in der zündenden Idee, meine eigenen Wagyu-Rinder zu züchten.« In Kooperation mit dem Veterinärmedizinischen Lehr- und Forschungsgut Kremesberg wurden die ersten Embryonen verpflanzt. Nach einiger Zeit stellte sich der ersehnte Erfolg ein: Drei Wagyu-Kälber kamen zur Welt.
Mittlerweile umfasst die Herde des ehemaligen Radprofis etwa 40 Tiere. Za­drobilek: »Meine Vision ist Wirklichkeit geworden: Ich bin stolzer Besitzer der ersten österreichischen Wagyu-Zucht und vermarkte das Fleisch mit Unterstützung von Wiesbauer Gourmet unter Kobe Beef Austria.«

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2019

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Anna Deekeling
Autor
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