Das deutsche Sektschaffen ist vom Zweiklang zwischen Riesling und Champagnersorten geprägt.

Das deutsche Sektschaffen ist vom Zweiklang zwischen Riesling und Champagnersorten geprägt.
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Deutscher Sekt: Eine Standortbestimmung

Im deutschen Sekt vereinigen sich große Riesling-Kunst und eine klimatische wie stilistische Nähe zur Champagne. Falstaff hat einige Protagonistinnen und Protagonisten des aktuellen Sektschaffens um eine Standortbestimmung gebeten.

Was macht den deutschen Sekt besonders? Zunächst natürlich, dass er sich in der Weinbaugeschichte als Rieslingsekt entwickelt hat. Als Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1902 auf die zweifelhafte Idee kam, durch die Einführung einer Sektsteuer die deutsche Kriegsmarine zu finanzieren, stand der deutsche (Riesling-)Sekt auf dem Höhepunkt seiner Popularität: Das Berliner Großbürgertum sprach dem Rieslingsekt ebenso sehr zu wie englische Lords. Im Jahr 1905 nahm das Reich 5,5 Millionen Mark Sektsteuer ein – ein Bruchteil übrigens der Kosten für die Marine, die über 200 Millionen Mark verschlang. Die Folgen des ersten Weltkriegs – und damit ein Stück weit auch der Sektsteuer – sorgten wiederum dafür, dass der internationale Markt für den Riesling­sekt verschwand, und damit auch der Glamour, der ihn auf dem Heimatmarkt attraktiv machte.

ZUM GANZEN TASTING

Wie es beim Champagner üblich ist, werden auch viele der besten deutschen Sekte aus Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay gekeltert.
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Wie es beim Champagner üblich ist, werden auch viele der besten deutschen Sekte aus Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay gekeltert.

Lage, Lage, Lage

Seit etwa 20 Jahren ist das deutsche Sektschaffen aber eher von einem Zweiklang geprägt: hier Riesling, dort Champagnersorten. »Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Champagnercuvées vor fünf Jahren populärer waren als heute«, sagt Renate Bardong vom gleichnamigen Sekthaus aus Geisenheim, das schon immer vor allem auf Riesling gesetzt hatte. Auch bei der diesjährigen Falstaff Schaumwein Trophy konnte das Weingut in der Riesling-Kategorie punkten – mit einem 2015er-Lagensekt aus dem Marcobrunn. Einem Schaumwein, der in sprudelnder Form die ganze Großzügigkeit ins Glas bringt, für die die Rieslinge aus der Erbacher Lage berühmt sind. »Das Thema Lagensekt hat mein Mann bereits verfolgt, als wir das Sekthaus 1984 gegründet haben. Die größtmögliche Spezifikation zu suchen, dass war von Anfang an unsere Überzeugung.«

Auch innerhalb des Verbands VDP, der sich als Qualitätslokomotive im deutschen Weinbau versteht, hat das Thema Sekt in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Das VDP.Sekt.Statut definiert zum einen Standards für Sekte, die den Traubenadler als Logo nützen möchten: Handlese, Ganztraubenpressung, Flaschengärung, 36 Monate Mindestlager auf der Hefe für die »Prestige«-Stufe. Zum anderen öffnet es die beim Stillwein geltende Klassifikation der Weinbergslagen auch für die Sektproduktion. »Bei uns haben die Lagensekte hohen Stellenwert«, äußert sich Mark Barth vom Hattenheimer Wein- und Sektgut. »Die räumliche Kleinteiligkeit beispielsweise hier bei uns im Rheingau ist nicht kopierbar.« Mit dem »Premier Cru« Schützenhaus und dem »Grand Cru« Hassel hat Barth zwei heiße Eisen im Feuer, wenn es um die Spitze der deutschen Lagensekte geht. In unserer diesjährigen Trophy setzte sich der Wein aus der Lage Hassel auf den geteilten Platz zwei in der Kategorie Riesling.

Marc Barth gehört zu den Motoren des deutschen Sektwunders, das inzwischen auch den Export beflügelt.
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Marc Barth gehört zu den Motoren des deutschen Sektwunders, das inzwischen auch den Export beflügelt.

Riesling als Brut Nature

Die Besonderheit beim Wein- und Sektgut Barth ist zudem, dass die Riesling-Lagensekte als Brut Nature, also so gut wie frei von Restsüße in den Verkauf gelangen. Es ist absolut faszinierend, wie rund das in den Barthschen Lagensekten schmeckt – und das, obwohl viele Sektproduzenten zu der Auffassung neigen, dass der Riesling mit seiner Säure nicht ohne süßes Gegengewicht auskommen könne. »Die Grundlage dafür, dass ein Riesling als Brut Nature funktioniert, ist die gute Traube. Also eine Traube, die am richtigen Standort gewachsen ist und zum perfekten Zeitpunkt gelesen wurde.« Gerade das Lesefenster werde enger, so Barth, je höher man in der Qualitätspyramide steige: »Im normalen Rieslingsekt steckt eine Woche Lesezeit, aber für den Lagensekt muss der eine richtige Moment abgewartet und auf den Punkt genau gelesen werden.« Das sei die Grundlage für einen harmonischen Brut Nature, dann auch eine Vergärung, so Barth weiter, »die die innere Harmonie fördert, und zuletzt Geduld beim Ausbau. Das spielt sicher alles zusammen.«

Internationale Strahlkraft

Auch international bringen solche Weine dem deutschen Sekt mehr und mehr Aufmerksamkeit – vielleicht unter anderem auch, weil Brut-Nature-Schaumweine mehr und mehr als die Königsdisziplin angesehen werden. »Der internationale Markt ist der größte Zuwachs, den wir in den letzten fünf Jahren gefunden haben«, so summiert jedenfalls Mark Barth. »Wir haben inzwischen Importeure, die gezielt nur nach Sekt fragen. In Deutschland wachsen wir nicht so stark und eher in der Gastronomie, aber gerade in der Top-Gastronomie sagen viele Sommeliers: Wir setzen das jetzt ein statt eines Champagners

Nachdem die Preise für Top-Champagner in den letzten zwei Jahren fast dieselbe Wendung wie diejenigen für Spitzenburgunder genommen haben – nämlich steil nach oben –, scheint sich der Sog des Markts, den deutsche Spätburgunder- und Chardonnay-Winzer aktuell beobachten, auch auf den Sekt auszudehnen. Das bestätigt auch Katharina Raumland vom Sekthaus Raumland, das Anfang 2020 als erster reiner Sekterzeuger in den VDP aufgenommen wurde. Und das auch bei unserer diesjährigen Trophy wieder in Serie Top-Platzierungen abgeräumt hat: vier erste Plätze, einen zweiten und einen dritten Platz. »Der Export legt zu, auf jeden Fall. Die Aufmerksamkeit ist in den letzten fünf Jahren konstant gewachsen. Die Preise in der Champagne sind ja Wahnsinn, da profitieren deutsche Sekte.« Übrigens sei gerade auf dem internationalen Markt der Riesling »nicht unwichtig«, sagt Raumland, selbst für einen Betrieb wie denjenigen ihrer Familie, der sich dem Schwerpunkt Champagnersorten verschrieben hat und nur etwa zehn Prozent Riesling in den Weinbergen stehen hat.

Raumland ist aber noch ein weiterer Aspekt wichtig: »Dadurch, dass es immer mehr gute deutsche Sekte gibt, kommt insgesamt eine Konjunktur auf und man spricht positiv über das Thema. Wenn es nur einen einzigen guten deutschen Sekt beispielsweise in Schweden im Sortiment des Staatsmonopols gibt, dann geht das leicht unter. Wir freuen uns auf jeden Fall sehr, wenn andere Betriebe auch guten Sekt machen.« Und tatsächlich belegen das auch die Verkostungen zu dieser Trophy: Der deutsche Sekt ist dabei, eine Bewegung zu werden, mit Riesling UND mit Champagnercuvées, mit Lagensekten UND mit solchen, die aus unterschiedlichen Weinbergen cuvetiert sind. Eine Vielfalt, die letztlich als Zeichen einer entwickelten Kultur zu verstehen ist – und die unglaublich großen Genuss bereitet.


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Erschienen in
Sparkling Special 2023

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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