Die größte Naturweinmesse Deutschlands: Der »Weinsalon Natürel« in Köln

Die größte Naturweinmesse Deutschlands: Der »Weinsalon Natürel« in Köln
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Deutschlands Naturwein-Pionierin im Interview: »Nix rein, nix raus«

Das Thema Naturwein bewegt immer mehr Weinliebhaber. Doch scheiden sich nicht nur bei der Definition die Geister. Im Interview erklärt Deutschlands Naturwein-Pionierin Surki-ki Schrade, wie sie unverhofft zur Weinhändlerin wurde, warum sie besonderen Wert auf Transparenz beim Einsatz von Schwefel legt – und sie gibt Tipps für Naturwein-Neulinge.

Falstaff: Frau Schrade, Sie sind die Veranstalterin der größten Naturweinmesse in Deutschland. Wie kamen Sie zum Naturwein?  

Surki-ki Schrade: Als leidenschaftliche Weintrinkerin kam ich 2008 auf einer Fachmesse in Marseille das erste Mal in Berührung mit Naturweinen. Dort wurde mir erklärt, dass das, was ich all die Jahre zuvor getrunken hatte, nicht einfach nur reiner, vergorener Traubensaft war, sondern mehr in die Weinbereitung eingegriffen wird, als ich dachte. Zurück in Deutschland wollte ich mehr über Naturwein wissen, musste aber feststellen, dass es kaum Naturwein hierzulande zu kaufen gab.

Daraufhin haben Sie einen Naturwein-Fachhandel in Köln eröffnet: den heute ältesten Naturweinladen in ganz Deutschland.

Genau. Mein Ziel war es, Naturwein in Deutschland zugänglicher zu machen. 2009 kaufte ich eine Palette mit 600 Flaschen und meldete ein Gewerbe an, um sie zu verkaufen. So wurde ich unverhofft zur Weinhändlerin – und das Geschäft entwickelte sich im Laufe der Zeit weiter. Damals führte ich einfach einen Laden ohne feste Öffnungszeiten und bot neben der Beratung auch Weinproben an, damit die Kunden verstehen konnten, was sie tranken. Anfangs waren auch über den Onlineshop kaum Weine erhältlich – ich wollte sichergehen, dass die Kunden die Weine zuvor probiert haben und mögen. Heute ist das anders: Fast alle Weine können online bestellt werden – viele Kunden kennen sich mittlerweile mit Naturwein aus. Außerdem gibt es geregelte Öffnungszeiten, Weinproben und andere Specials im Laden. 

In ihrer Weinhandlung »La Vincaillerie« und dem »Weinsalon Natürel« dreht sich alles um »Vin Naturel«. Für ihn gibt es keine festgeschriebene Definition oder ein Gesetz. Wie definieren Sie Naturwein?  

Naturwein bedeutet für mich reiner, aus biologisch oder biodynamisch angebauten Trauben gewonnener, vergorener Traubensaft. Alles nach dem Motto: Nix rein, nix raus. Die Trauben werden von Hand gelesen und die Weinbereitung verläuft ohne jegliche Hilfsmittel oder Zusatzstoffe. Die Naturweinproduktion ist eine komplexe Angelegenheit, die sowohl im Weinberg als auch im Keller besondere Anforderungen stellt. Auch ist die Qualität des Traubenguts entscheidend, und es erfordert Geduld und Erfahrung, um Naturweine herzustellen. Für mich dürfen maximal 30 Milligramm Gesamtschwefel pro Liter im Wein enthalten sein, was vom Winzer transparent kommuniziert werden muss. Zudem hat für mich biologischer oder biodynamischer Anbau den höchsten Stellenwert, damit der Wein im Glas Trinkwasserqualität hat.

Naturwein-Pionierin Surki-ki Schrade ist nicht nur Veranstalterin der größten Naturweinmesse Deutschlands, dem »Weinsalon Natürel«, der parallel zur ProWein am vergangenen Wochenende in Köln Ehrenfeld stattfand. Die 54-Jährige ist auch Inhaberin der ältesten Naturweinhandlung »La Vincaillerie« in Köln – und Autorin des Buchs »Natürlich Wein: ungefiltert, ungeklärt, ungeschönt – alles über Naturwein, Petnat und Co.«.
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Naturwein-Pionierin Surki-ki Schrade ist nicht nur Veranstalterin der größten Naturweinmesse Deutschlands, dem »Weinsalon Natürel«, der parallel zur ProWein am vergangenen Wochenende in Köln Ehrenfeld stattfand. Die 54-Jährige ist auch Inhaberin der ältesten Naturweinhandlung »La Vincaillerie« in Köln – und Autorin des Buchs »Natürlich Wein: ungefiltert, ungeklärt, ungeschönt – alles über Naturwein, Petnat und Co.«.

Der Einsatz von Schwefel während der Weinbereitung trägt zur längeren Haltbarkeit der Weine bei. Sie setzten aber bei ihrer Definition von Naturwein eine Grenze von maximal 30 Milligramm Schwefel pro Liter, warum?  

Mir wird oft vorgeworfen, eine Dogmatikerin in Bezug auf Schwefel zu sein, aber ich will vor allem für Transparenz sorgen. Schwefel ist der einzige Zusatzstoff in Naturweinen, der in Westeuropa akzeptiert wird. Dennoch gibt es viele Winzer, die bewusst darauf verzichten, weil sie ihn nicht benötigen. Ob er hinzugefügt werden muss, entscheidet vor allem, wie sorgfältig im Weinberg gearbeitet wird und die Qualität des Traubenguts. Anschließend spielt die Hygiene im Keller und die betriebliche Aufstellung eine entscheidende Rolle. Auf dem »Weinsalon Natürel«, sind aber auch Winzer vertreten, die Schwefel verwenden und die Gründe aber offen kommunizieren. Genau das ist mein Ziel.  

Das Thema Naturwein wird kontrovers diskutiert. Welches Vorurteil begegnet Ihnen am häufigsten? 

Dass Naturweine nicht lange haltbar sind und kurze Zeit nach dem Öffnen zu Essig werden. Um solche Vorurteile abzubauen, ist Kommunikation entscheidend. In meinem Geschäft organisiere ich deshalb regelmäßig Weinproben – und natürlich ist die Naturweinmesse eine großartige Möglichkeit, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.

 

Selbstreflexion und Offenheit sind entscheidend, um die Vielfalt der Naturweine kennenlernen zu können.

 

Sie findet bereits zum achten Mal statt. Was hat Sie dazu bewogen, eine solche Messe ins Leben zu rufen?  

Inoffiziell feiert die Messe in diesem Jahr sogar ihr 10-jähriges Jubiläum, aber aufgrund der Corona-Pandemie mussten zwei Ausgaben abgesagt werden. Die Idee, eine Naturwein-Messe ins Leben zu rufen, entstand aus dem Wunsch, die Vielfalt und Qualität von Naturweinen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Sie bietet nicht nur einen Raum zum Kennenlernen, sondern fördert auch die Akzeptanz für Naturweine.  

Hat sich die Akzeptanz gegenüber Naturwein in den letzten Jahren verändert?   

Sie hat sich definitiv verbessert. Früher waren Naturweine nur für eine kleine Gruppe von Enthusiasten interessant – heute erleben wir einen regelrechten Zustrom von Fachbesuchern und Privatpersonen, die sich für Naturwein interessieren. Das spiegelt sich auch in den steigenden Besucherzahlen wider. In diesem Jahr bieten wir deshalb erstmals einen gesonderten Timeslot für Fachbesucher an, damit die Messe etwas entzerrt wird.  

 

Die Weinbranche muss sich aktiv umstellen.

 

Was raten Sie jemandem, der neu in die Welt des Naturweins eintauchen möchte?  

Selbstreflexion und Offenheit sind entscheidend, um die Vielfalt der Naturweine kennenlernen zu können. Für Einsteiger empfehle ich, sich langsam an die Welt des Naturweins heranzutasten und sich von Fachleuten beraten zu lassen. Letztendlich ist Geschmack subjektiv, und es lohnt sich, verschiedene Weine auszuprobieren, um herauszufinden, was einem persönlich am besten gefällt. Diese Herangehensweise sollte bei jedem Wein – ob konventionell hergestellt oder Naturwein – gleich angewendet werden.

Wie sehen Sie die Zukunft des Naturweins?  

Naturwein spielt eine immer wichtiger werdende Rolle, da er für eine Rückbesinnung auf traditionelle Herstellungsverfahren und eine größere Wertschätzung für natürliche Produkte steht. Auch große Messen, wie die ProWein, werden in Zukunft nicht mehr um das Thema herumkommen. Die Weinbranche muss sich aktiv umstellen, da die Zukunft des Weins von einem wachsenden Bewusstsein für Qualität und Nachhaltigkeit geprägt sein wird. 


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Marie von Ow-Wachendorf
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