Gemeinsam für Wiens Lokalbetreiber: Die Fachgruppenobmänner der Wiener Wirtschaftskammer, Peter Dobcak (Gastronomie, links) und Wolfgang Binder (Kaffeehäuser).

Gemeinsam für Wiens  Lokalbetreiber: Die Fachgruppenobmänner  der Wiener Wirtschaftskammer, Peter Dobcak (Gastronomie, links) und Wolfgang Binder (Kaffeehäuser).
© Xenia Trampusch

»Die Gastro hat viel zu bieten«: Peter Dobcak und Wolfgang Binder im Falstaff Talk

Inflation, Mitarbeitermangel, Coronanachwehen – Falstaff sprach mit Peter Dobcak und Wolfgang Binder, den Fachgruppen-Obmännern der Wiener Wirtschaftskammer, über die aktuelle Situation in Wiens Gastronomie und ihre Erwartungen.

FALSTAFF: Erst vor wenigen Wochen wurde ein Corona-Provisorium fix im Gesetz verankert, nämlich dass Wiener Betriebe ihre Schanigärten künftig das ganze Jahr über betreiben dürfen. Wie wichtig ist diese Möglichkeit für die Gastronomie?

Peter Dobcak: Ich halte das für sehr wichtig. Die Menschen wollen auch im Winter zunehmend gerne draußen sitzen und es freut mich, dass die Stadt Wien dem nun zugestimmt hat, wenn auch mit gewissen Auflagen – etwa dass die Regelung vorerst nur für drei Jahre gilt und dass die Schanigärten wirklich betrieben werden müssen, wenn man sie auch im Winter stehen lässt. Natürlich sollte auch der Klimaschutz ernst genommen werden – Stichwort Heizung. Man kann schon von einem Gast erwarten, dass er sich entsprechend anzieht, wenn er draußen sitzen möchte. Zudem stellen wir sehr gerne Decken zur Verfügung. Eine zusätzliche Heizung sollte nur die letzte Stufe sein, obwohl die Technik auch hier große Fortschritte gemacht hat, etwa mit Bewegungssensoren, die die Heizung nur dann einschalten, wenn auch wirklich wer darunter sitzt.

Werden die Schanigärten auch im Winter gut angenommen? Wie waren da Ihre Erfahrungen während Corona?

Wolfgang Binder: Es gibt Grätzel, wo das besser angenommen wird, und welche, wo es sich nicht auszahlt, aber grundsätzlich werden die Gärten auch im Winter gut angenommen. Und jeder Kollege kann natürlich selbst entscheiden, ob das für ihn sinnvoll ist oder nicht. Ich selber habe in meinem Kaffeehaus während Corona gesehen, dass dieses Angebot wirklich gerne angenommen wird. Also: Der Bedarf ist da.

Bleiben wir noch kurz beim Thema Corona: Wie sind denn generell die Gastronomie- und Kaffeehausbetriebe in Wien durch die vergangenen drei Jahre gekommen?

Binder: Betriebe, die bereits vor Corona nicht so gut dagestanden sind, haben durch Corona schon Schwierigkeiten bekommen und einige haben es trotz der finanziellen Hilfen nicht geschafft, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten. Wir sehen auch, dass manche Unternehmen gerade noch durch die Corona-Zeit gekommen sind, aber jetzt zusperren. Gleichzeitig gibt es aber sehr viele Neueröffnungen, wo oft auch versucht wird, neue Konzepte umzusetzen, und ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

Dobcak: Bei uns ist die Lage ähnlich. Die Regeln für Zuschüsse waren und sind ja bekanntlich ziemlich streng, aber haben dennoch viele Kolleginnen und Kollegen in dieser Zeit gut unterstützt.

Aber wenn Sie sagen, dass jene, die bereits vor und während Corona Probleme hatten, jetzt, nach Auslaufen der Förderungen, zusperren müssen, dann wurden solche Betriebe ja nur künstlich am Leben erhalten. War es das wert?

Binder: Man muss das differenzierter betrachten und schauen, welche Summen tatsächlich bei einem Betrieb angekommen sind. Und was man vollkommen rausnehmen muss, ist die Kurzarbeit. Die war ja keine Hilfe für den Betrieb, sondern für die Arbeitnehmer, um eine massive Arbeitslosigkeit zu verhindern und das gesamte System nicht zum Kollabieren zu bringen. Alleine dafür wurden österreichweit insgesamt gut 40 Milliarden Euro aufgewendet, für die Wirtschaftsbetriebe im Land wurden etwa zehn Milliarden ausgeschüttet. Wenn man das hochrechnet auf die Zahl der Betriebe – alleine in Wien gab es vor Corona 8000 Gastronomie- und Kaffeehausbetriebe und gibt es jetzt noch immer –,  dann schaut die Lage schon ganz anders aus. Wir hatten insgesamt 16 Monate lang keinen Umsatz, das durchzustehen, schafft kaum ein Betrieb ohne Hilfe.

Wolfgang Binder − Fachgruppenobmann Kaffeehäuser
© Xenia Trampusch
Wolfgang Binder − Fachgruppenobmann Kaffeehäuser

Sie haben die Arbeitnehmer angesprochen – seit Corona klagen zahlreiche Gastronomiebetriebe massiv darüber, dass sie kein oder nicht mehr genügend Personal finden. Woran liegt das?

Dobcak: Die gesellschaftliche Situation hat sich bereits vor Corona zu ändern begonnen – Stichwort Work-Life-Balance – und Corona war da sicher ein Beschleuniger. Wir sind zwangsläufig eine sehr personalintensive Branche und spüren das natürlich sehr stark. Mit diesem Paradigmenwechsel, der hier stattgefunden hat, müssen auch wir Unternehmer erst lernen umzugehen, denn für uns sind ja die Kosten auch nicht weniger geworden. Und ich halte es für sehr unfair, der Gastronomie einerseits vorzuwerfen, dass sie ihre Mitarbeiter nicht ausreichend gut bezahlt – dazu muss man sagen, der letzte KV-Abschluss hatte ein Plus von beinahe zehn Prozent –, und sich dann wenige Wochen später darüber zu mokieren, dass die Preise für Speisen und Getränke so sehr gestiegen sind. Da muss man schon fragen: Was wollt ihr jetzt?

Binder: Das sind natürlich oft künstliche Erregungen, einfach um der Erregung willen. Aber wir sind schon eine sehr publikumsgetriebene Branche und die Frage ist immer, wie kommt solch eine Erregung beim Publikum an. Als Unternehmer bist du dadurch heute permanent mit Fragen konfrontiert, wo du einem Gast erklären sollst, weshalb etwa der Kleine Braune 3,90 Euro kostet. Ich erkläre dann immer, dass da erstens 20 Prozent Mehrwertsteuer drinnen sind und zweitens der Lohnanteil bei 50 Prozent liegt. Und wenn du dann vorrechnest, wie viele Kleine Braune du verkaufen musst, um als Unternehmer deine Lohnkosten zu decken, dann sind die Menschen ziemlich baff.

Aber die Auslastung der Lokale ist wieder so wie vor Corona, oder?

Binder: Von der Personenzahl her sind wir wohl wieder auf 2019er-Niveau, aber was man nicht außer Acht lassen darf, ist, dass sich auch unsere Kosten massiv erhöht haben. Insofern sind wir noch nicht wieder dort, wo wir vor Corona gewesen sind, trotz annähernd gleicher Gästezahl.

Bemerken Sie die Auswirkungen der Inflation auch gästeseitig? Wird weniger ausgegeben? Und wo wird weniger ausgegeben?

Binder: Man kann das geografisch ganz klar festmachen: Bis zum Gürtel sind wir wieder auf Vor-Corona-Niveau, in den Außenbezirken hat sich die Lage eindeutig verändert und die Menschen konsumieren nicht mehr so häufig und so viel wie noch vor vier Jahren. Das spüren die Kollegen sehr deutlich. Dazu kommt noch: Wir haben in Wien eine sehr hohe Gastro-Dichte – in Hamburg etwa gibt es halb so viele Gastronomiebetriebe wie in Wien. Wir haben bei uns schon ein sehr großes und vielfältiges Angebot, das ist natürlich auch ein Faktor. Mehr Betriebe müssen sich den Kuchen teilen. Und die Standortfrage ist da eine ganz entscheidende.

Dobcak: Wobei man sagen muss: Wir haben auch eine enorme Zahl an Neugründungen, und diese Neueinsteiger sind in der Regel sehr fokussiert und wissen ganz genau, was sie anbieten wollen und welche Zielgruppe sie im Auge haben. Spezialisierung und eine klare DNA sind heute das Um und Auf in der Gastronomie, einfach irgendein Lokal aufzumachen, funktioniert nicht mehr.

Peter Dobcak − 
Fachgruppenobmann Gastronomie
© Xenia Trampusch
Peter Dobcak − Fachgruppenobmann Gastronomie

Sind die Wiener Gastronomen innovativ?

Binder: Die Wahrheit ist, dass Neuerungen bei uns immer etwas länger brauchen als in anderen Städten. Es wird von den Kolleginnen und Kollegen sehr genau beobachtet, was woanders gut funktioniert, ehe sie sich da auch drüber trauen.

Noch einmal zurück zur Personalsituation: Wie gehen Sie damit um, dass die Forderungen potenzieller Arbeitnehmer heute im Schnitt deutlich kostspieliger sind als noch vor einigen Jahren?

Dobcak: Die Fluktuation in der Gastronomie war generell immer sehr hoch. Dazu kommt: Den Menschen geht es grundsätzlich gut und viele Österreicher wollen sich körperliche Arbeit einfach nicht mehr antun. Alleine schon deshalb greifen wir immer häufiger auf ausländische Arbeitskräfte zurück, die zum Arbeiten nach Österreich einpendeln und die meist eine ganz andere Einsatzbereitschaft mitbringen. Es gab vor Corona etwa 80.000 ausländische Arbeitskräfte in der Gastronomie. Und als Corona kam, waren mit einem Schlag die Grenzen dicht und diese Arbeitskräfte ausgesperrt. Nachdem diese Menschen nicht wussten, wann sie wieder nach Österreich kommen können, haben sie bei sich daheim Jobs angenommen. Als dann die Sperren zurückgefahren wurden und der Arbeitsmarkt wieder aufging, waren plötzlich viel zu wenige ausländische Arbeitskräfte am Markt, gleichzeitig haben es sich sehr viele Österreicher – animiert durch die Kurzarbeit – daheim gemütlich gemacht und waren gar nicht mehr bereit, wieder länger oder gar härter zu arbeiten. Und ich kann das sogar gut verstehen, denn bei immer mehr Menschen setzt sich die Überzeugung durch, dass sie sich heute ohnedies kaum mehr etwas aufbauen können, ganz egal, wie hart sie arbeiten. Also lassen sie es lieber gleich sein und schrauben eben ihre Ansprüche herunter. Das ist die Lage, und für uns in der Gastronomie ist diese fatal, denn wir brauchen Personal, um unseren Service anbieten zu können.

Und welche Lösung kann es hier geben?

Binder: Wir müssen umdenken, die Personalsuche anders angehen und viel klarer die Vorzüge herausstreichen, die mit diesem Beruf einhergehen. Und die Gastronomie hat viel zu bieten und es kann große Freude bereiten, in diesem Bereich zu arbeiten.

Wohin geht generell die Reise in der Gastronomie?

Binder: Es geht immer nur darum, was der Gast möchte. Und derzeit sind das unter anderem vegane Angebote. Wer darauf setzt, macht nichts verkehrt.

Falstaff-Talk im »Café Frauenhuber«: die Fach­gruppen-Obmänner Wolfgang Binder und Peter Dobcak im Gespräch.
© Xenia Trampusch
Falstaff-Talk im »Café Frauenhuber«: die Fach­gruppen-Obmänner Wolfgang Binder und Peter Dobcak im Gespräch.

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Erschienen in
Falstaff Wien Special

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Martin Kubesch
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