Würzburger Lagen-Legende: Aus Stein und Stein-Harfe kommen die beiden punktgleich auf dem zweiten Platz gelandeten Weine.

Würzburger Lagen-Legende: Aus Stein und Stein-Harfe kommen die beiden punktgleich auf dem zweiten Platz gelandeten Weine.
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Ein Wein für jede Lebenslage: Die Silvaner Trophy 2024

Noch in den 60er-Jahren war der Silvaner die flächenstärkste Rebsorte in Deutschland. Dann hielten ihm fast nur noch die Franken die Treue. Doch jetzt wird die vielseitige Sorte in ganz Deutschland wiederentdeckt.

Blicken wir zurück aufs Jahr 1960: Damals wies die deutsche Weinbaustatistik eine Silvanerfläche von 22.168 Hektar aus – bei einer Gesamtrebfläche von 61.756 Hektar war der Silvaner damit in jenen Jahren deutlich dominanter, als es heute der Riesling ist (24.410 von insgesamt 103.391 Hektar). Mit dem Aufkommen industrieller Methoden im Weinbau begann jedoch der Abstieg der anspruchsvollen Traube, erst lief ihm der blumigere und ertragreichere Müller-Thurgau den Rang ab, dann traten der als moderner geltende Weißburgunder oder in wärmeren Lagen der Riesling an seine Stelle. Heute liegt die Silvaner-Fläche gerade einmal noch bei 4.419 Hektar, wobei die Nischen vor allem in Franken (1.559 ha) und in Rheinhessen (1.932) liegen. 

Vor allem in Franken spielt der Silvaner eine seiner größten Tugenden aus: diejenige, den Boden in Aroma und Geschmack durchscheinen zu lassen. Nicht von Ungefähr ist Franken mit seinen mineralischen Böden aus dem Zeitalter der Trias das einzige Gebiet, in welchem der VDP Große Gewächse aus Silvaner definiert hat. Zwei dieser Klassiker belegten nach der Verkostung von 93 Weinen ex aequo Platz zwei: das wunderbar gereifte 2014er GG aus dem Würzburger Stein vom Weingut Juliusspital; und das blutjunge 2022er GG aus der Bürgerspital-Monopollage Stein-Harfe. Beide Weine zeigen exemplarisch die eigenständige Mischung aus Würze, Kraft und Feinheit, die der Silvaner auf Frankens Muschelkalkböden hervorbingen kann. 

Niko Leonhard vom Weingut Rinck aus Heuchelheim-Klingen in der Pfalz belegte mit seinem »Orange light«-Silvaner den ersten Platz.
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Niko Leonhard vom Weingut Rinck aus Heuchelheim-Klingen in der Pfalz belegte mit seinem »Orange light«-Silvaner den ersten Platz.

Noch vor diesen beiden Weinen platzierte sich in der Blindprobe ein Wein, der die Dankbarkeit des Silvaners für Experimente unter Beweis stellt: Niko Leonhard vom Weingut Rinck aus Klingen in der Südpfalz ließ den Ertrag zweier alter Silvaner-Anlagen acht Tage lang auf der Maische vergären, dann wurde der Wein in gebrauchte Holzfässer abgezogen: »Der Wein soll klar und sauber sein und die Rebsorte erkennen lassen«, so Leonhard. Der so entstandene »Orange light« überzeugte in der finalen Blindprobe: eine weitere Facette in der faszinierenden Vielseitigkeit des Silvaners.

ZUM GANZEN TASTING

Silvaner Trophy 2024

Dottergelbes Farbspiel im Glas, saftige Nase nach Stein und Grafit, auch Rauch, Trockenblumen und Rapshonig. Am Gaumen füllig und dennoch durch die kräftige Dosis sehr feiner Phenole irgendwie leicht wirkend, ungemein saftig, lebendige Säure, frisch, trinkig. Gekonnt.
Deutschland
Jugendlich und doch so komplex in ersten Duft. Feine Aromen von jungem Apfel, Stachelbeer-Baiser, Zitronenmelisse, Birne und auch eine attraktive Mineralik. Am Gaumen mit reifem Gerbstoff, extraktreicher Frucht, getragen von sehr guter Säure, Mineralität und einem Hauch Rauch. Der sehr gute Nachhall gewinnt minütlich an Bedeutung.
Franken, Deutschland
Feine erste Reife, Stroh, Wiesenkräuter und Strohblumen. Im Mund hat der Wein eine mineralisch-flintige Anlage, eine seidige Textur, die neben den geschmolzenen Phenolen vor allem die taktile Mineralität in den Vordergrund stellt. Eine zivilisierte Säure belebt den Bau. Toller Speisenbegleiter.
Franken, Deutschland
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Sortenprofil


Silvaner
Der Name »Silvaner« schreibt der Rebsorte eine Herkunft aus dem »Wald« (»silva«) zu, gesichert ist, dass am 6. April 1659 Stöcke aus Österreich nach Castell kamen. Noch im 19. Jahrhundert war der Name »Österreicher« für den Silvaner gebräuchlich. Genanalysen bestätigen diese Herkunft: Die Elternsorten sind Traminer und eine Traube namens »Österreichisch Weiß«.

Weinbau und Weintyp
Der Silvaner ist winterfrostempfindlich und sensibel gegen Mehltau und Botrytis. Er bevorzugt tiefgründige Böden mit gutem Wasserhaltevermögen und gibt bei begrenztem Ertrag die Geologie gut sensorisch wieder. Das Reifevermögen auf der Flasche wird oft unterschätzt.

Erster Duft nussig, würzig, kräuterig und ein Hauch Marzipan, gelbe Frucht, Aprikosenschale, Williams-Christbirne, ein wenig kalter Räucherofen, auch etwas Safran und Mandarinenschale. Am Gaumen mit der typischen Handschrift des Weinguts, stoffig, kräftig und ausgeglichen, ohne Effekte und Provokation. Die Säure ist recht präsent und sorgt für Frische und auch Länge, die vulkanische Mineralik sorgt für Profil. Jugendlich und mit guten Prognosen.
Baden, Deutschland
Feiner Rauch und Würze vom Ausbau im 500-Liter-Holzfass, feiner Kümmel, gerösteter Sesam, Birne und Apfelschale, auch getrocknetes Heu, leicht reduktiv. Baut am Gaumen gute Spannung und Substanz auf mit reifer, phenolischer Struktur, salzig unterlegte, recht präsente Säure und Mineralik, kalkig, kreidig, der Extrakt füttert ab bis ins lange Finale. Etwas zerstoßenes Senfkorn, Salzzitrone.
Franken, Deutschland
Ein zurückhaltender und doch vielschichtiger Duft: Kräuter, getrocknete Zitronenschale, nussige Untertöne. Der Gaumen zeigt sich geschmeidig, mit sehr feiner Phenolik, das ist ungemein kuliviert und handwerklich gekonnt, finessenreich auf einem ausgeprägt mineralischen Fundament.
Franken, Deutschland
Gepflegte Tradition ohne Staub und Kitsch: Das Würzburger Bürgerspital.
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Gepflegte Tradition ohne Staub und Kitsch: Das Würzburger Bürgerspital.
Spontinoten und die archetypisch würzigen Aromen des Lump, auch kräuterwürzige Noten. Der Gaumen wirkt komplett in sich ruhend, mit viel Stoff, aber zugleich einer geradezu heiteren, unbeschwerten Anmutung, lebendig in der Säure und intensiv mineralisch unterlegt. Große Länge!
Franken, Deutschland
Im Duft nobles Holz, balsamische Noten, Minze, Marzipan, auch Anisbrötchen. Der Gaumen zeigt einen getragenen Bau mit feiner Phenolstruktur, lebendiger Säure, und flintigen Abgangsaromen. Fein und druckvoll in einem, sehr komplett.
Franken, Deutschland
Eine feine Würze im Duft, gebrannte Mandel, blühende Frühlingswiese, auch zart buttrige Untertöne sind da. Der Gaumen beginnt kreidig und steigert sich zu geradezu adstringierender Stoffigkeit, verbindet Fülle mit mineralischer Spannung und guter Säurebalance. Noch jung!
Franken, Deutschland
Kühle frische Nase nach Limettenabrieb, Borretsch, Glaskirschen und Weißen Johannisbeeren. Am Gaumen saftig, dicht gewoben, korpulent, gut stützende Säure, ein mineralischer Silvaner mit Volumen für die Flaschenreife, guter Speisenbegleiter.
Franken, Deutschland

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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2024

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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