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Farhad Vladi verkauft Privatinseln: »Eine Insel ist die Apotheke für die Seele«

Den Traum von der eigenen Insel träumte Vladi schon als Kind. Er hat ihn sich erfüllt. Im Gespräch erzählt er vom Beginn seiner Karriere, von Inseln aus Granit und was zu tun ist, wenn man auf einer Bananenschale ausrutscht.

Herr Vladi, wie sind Sie dazu gekommen, Inseln zu verkaufen?

Ich hatte das Thema Inseln immer schon im Kopf gehabt. Auch schon als Junge. Durch Bücher wie Robinson Crusoe oder die Schatzinsel. Da habe ich mir immer vorgestellt, wie schön es wäre, eine eigene Insel zu besitzen, das zu kontrollieren, was man sieht, der einzige Nachbar ist die Natur. Das hat mich sehr gereizt, also habe ich mich darum bemüht, eine eigene Insel zu kaufen.

Woher wussten Sie denn, dass man das kann: eine Insel kaufen?

Ich hatte gelesen, dass sich jemand für 5000 DM eine gekauft hat. Heute zweieinhalbtausend Euro.

Das ist günstig.

Dachte ich auch. Eine überschaubare Summe. Das kann ich mir vielleicht von meiner Großmutter leihen oder von sonst wem.

Wie sind Sie dann vorgegangen?

Das war gar nicht so einfach, denn damals gab es ja noch kein Google. Was es aber gab: Eine geographische Fachbuchhandlung hier in Hamburg. Da habe ich mir Karten angeschaut. Und durch vieles Nachdenken und Recherchieren bin ich darauf gekommen, dass die schönsten Inseln der Welt in den Seychellen liegen.

Warum?

Die sind aus Granit.

Das ist gut?

Eine Granitinsel bedeutet eine besondere Schönheit, mit Felsskulpturen auf dem Strand, ganz toll von der Natur geschaffen.

Jetzt wussten Sie schon, welche Inseln interessant sind, aber wie kauft man die denn?

Ich hatte gerade meinen Führerschein gemacht, habe mich ins Auto gesetzt und bin nach London gefahren. Niemals werde ich vergessen, wie ich am Trafalgar Square angekommen und in die Botschaft gegangen bin.

Von den Seychellen?

Ja, das war nur ein Zimmer mit einem Fernseher. Ich öffnete die Tür und fragte den Herrn, der dort saß: Ich habe gehört, dass Sie wunderschöne Inseln haben, kann man die kaufen? Da hat der mich nur angelacht und gesagt, nee, nee, wir verkaufen hier nichts.

Enttäuschend.

Ich ging raus und sah noch in der Ecke mehrere Stapel mit seychellischen Zeitungen. Da habe ich mir welche mitgenommen. Einer Redaktion habe ich dann 50 DM geschickt, mit der Bitte, mir eine Anzeige zu schalten: Vladi sucht Insel. Das war so viel Geld in den Seychellen, dass ich eine ganze Seite dafür bekommen habe. Und tatsächlich kamen zwei Angebote.

 

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Haben Sie zugeschlagen?

Nein. Beide waren über eine Millionen DM. Da war der Traum zu Ende. Aber ich dachte, naja, bevor ich alles wegschmeiße, mach‘ ich mal eine Offerte und schicke sie zu ein paar Reichen.

Wie haben Sie die aufgetan?

Durch die Zeitung. Und einer hat dann angerufen und gesagt, kommste mal bei mir vorbei. Gemeinsam mit zwei Freunden hat der die erste Insel gekauft.

Was sprang für Sie raus?

Eine Provision von 30 000 DM.

Kein schlechtes Geld.

Das war so viel Geld damals. Für mich war dann klar: Es gibt noch keinen Inselmarkt, sobald ich fertig bin mit meinem Volkswirtschaftsstudium, fange ich an zu verkaufen.

So lange wollten Sie warten? Hat es Ihnen nicht in den Fingern gejuckt?

Naja, es kam dann gleich der nächste Kunde, weil die ersten ein bisschen angegeben haben mit ihrer Insel. Da haben sie den nächsten scharf gemacht, der die zweite Insel in den Seychellen gekauft hat.

Wie enttäuscht waren Sie damals, dass Sie nicht direkt die erste Insel selbst kaufen konnten?

Ich wusste ja, was Immobilien hier in Hamburg kosten, es war für mich kein Rätsel, warum die so viel Geld für die Insel wollten. Was ich mich nur gefragt habe, ist, warum mal jemand eine Insel für 5000 DM bekommen hat. Aber wahrscheinlich war das nur eine Ungenauigkeit des Journalisten und die Insel war gepachtet, nicht gekauft.

Immerhin hat so Ihr Inselhandel begonnen.

Erstmal musste ich noch eine Lehre machen bei der Deutschen Bank. Das hatte ich meinem Vater versprochen. Der war sich unsicher, was sein Sohn da macht mit Inseln.

Er hat an Ihnen gezweifelt?

Wenn Ihr Sohn Ihnen sagen würde, er möchte Grundstücke auf dem Mond verkaufen, würden Sie ihm vielleicht auch sagen, ist das nicht ein wenig forsch?

Auf der eigenen Insel ist der einzige Souverän, den Sie haben, die Natur.

Aber dann ging es los.

Die ersten zehn Jahre waren nicht so einfach, weil ich mehr exploriert habe als ich verkauft habe. Aber dann nahm das Fahrt auf.

In Ihrer Geschichte kommen zwei Dinge zusammen, die sich selten in einem Menschen finden: Sie scheinen ein Träumer zu sein, der weiß, wann es Zeit ist, die Träume der Realität anzupassen.

Genau so ist es. Es hat lange gedauert, bis ich meine eigene Insel kaufte, weswegen ich das ganze Ding ursprünglich anging.

Wann haben Sie Ihren Traum erfüllt?

1988.

In den Seychellen?

In Neuseeland.

Und, sind Sie oft da?

Oft! Nicht nur wegen meiner Insel. Ich habe dann auch die Nachbarinseln verkauft. Aber dann auch in den Fijis, Französisch-Polynesien und was da noch so ist.

Es ist das eine, einen Traum zu haben, etwas anderes, wenn er wahr wird. Wie hat sich das angefühlt, das erste Mal auf die eigene Insel zu treten?

Wahnsinnig gut. Ich dachte, sie ist genau richtig. Nur ein bisschen weit von Hamburg weg. Und es hat sich bestätigt, was ich mir vorgestellt hatte: Eine Insel ist die Apotheke für die Seele. Sie denken ganz anders, die Welt ist vergessen, die Probleme, die täglich in der Zeitung stehen, gibt es immer noch da, aber weiter weg. So wie Sie abgeschieden sind von der Welt und keine Nachbarn mehr haben, keine Straßen, keine Verkehrsvorschriften haben, dann fühlen Sie sich im positiven Sinne isoliert.

Es ist also ein Unterschied, ob ich auf eine Insel wie Mallorca fliege oder eine eigene Insel besitze?

Das können Sie nicht vergleichen. Egal wie schön Sie es auf Mallorca haben: Sie haben nicht die Kontrolle über das, was Sie sehen. Nachbarn, Straßen, Verkehrsregeln. Es gibt immer etwas zu beachten. Auf der eigenen Insel ist der einzige Souverän, den Sie haben, die Natur.

Aber wenn der Traum Realität wird, finden Sie die Realität wahrscheinlich noch besser als Ihren Kindheitstraum.

Das klingt ein wenig nach Pippi Langstrumpf: Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt. Wie viel Kind muss in einem stecken, damit man diesen Traum leben möchte?

Ein bisschen noch. Aber wenn der Traum Realität wird, finden Sie die Realität wahrscheinlich noch besser als Ihren Kindheitstraum. Ein Kind kann sich nicht vorstellen, was auf einer Insel alles passieren kann. Wie schön das ist, sich mit der Natur zu verständigen.

Das kann auch gefährlich werden.

Sicher, wenn es stark regnet, müssen Sie Schutz suchen. Aber wenn die Sonne scheint, freuen Sie sich. Und: Ihnen kann niemand dazwischenreden, niemand kann Ihnen etwas sagen.

Was ist, wenn Ihren Kunden das Leben auf der Insel nicht gefällt?

Ich rate allen meinen Kunden vor dem Kauf mal eine Insel zu mieten. Dann sehen sie die sozialen Elemente, die natürlichen und sie stellen fest, ob sie damit leben können. Oft sagen Kunden schon nach dem zweiten Tag, das reicht, das finde ich toll, ich kaufe die Insel.

Kommt es auch vor, dass sich Kunden nach dem Inseltest gegen den Kauf entscheiden?

Ab und zu kommt es vor. Da sagen die: Wir haben es zwar genossen, aber meine Frau ist Nichtschwimmerin, ich ziehe doch eine Halbinsel vor. Oder sie merken, dass sie Animation von Dritten brauchen, ihren Urlaub lieber im Robinson Club verbringen, wo ihnen alles serviert wird.

Wenn man sich ein Haus kauft, weiß man in etwa, was einen erwartet. Bei einer Insel ist das etwas anderes. Welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen?

Man braucht immer eine gute Anbindung zum Festland oder zur Zivilisation. Wenn Sie etwa Kopfschmerzen bekommen oder auf einer Bananenschale ausrutschen, sollten Sie nicht zu weit von einem Krankenhaus leben. Von jeder der Inseln, die wir verkaufen, kommt man innerhalb von 90 Minuten zu einem Arzt.

Als Sie ins Geschäft eingestiegen sind, haben Sie einen Preis von einer Million DM genannt bekommen. Wie viel zahlt man denn heute für eine Privatinsel?

Das kommt auf verschiedene Faktoren an: Wo ist sie gelegen? Wie groß ist sie? In Kanada etwa ist das Angebot an Inseln wesentlich größer als etwa auf den Seychellen, ein kleines Land mit nur 86 Inseln. Das wirkt sich natürlich auf den Preis aus. In Kanada bekommt man eine Insel schon für 200 000. Für 300 000 bekommen Sie eine in Irland, in Schweden ist es noch billiger. 100 bis 200 000 zahlen Sie in Norwegen.

Das sind alles Inseln, auf denen man ein Haus bauen kann?

Natürlich.

Außerdem sind Inselkäufer überdurchschnittlich intelligent.

Was für Menschen kaufen sich eine Insel?

Das sind Leute, die etwas Geld haben müssen. Außerdem sind Inselkäufer überdurchschnittlich intelligent. Das sage ich deshalb, weil sie unheimlich viel planen und die Planung dann im Zweifel auch alleine umsetzen müssen. Die müssen klar kommen mit der Natur, mit sich selbst, mit der Insel. Wenn man in der Eigentumswohnung Probleme hat, ruft man den Elektriker oder den Klempner. Auf der Insel macht man das selbst. Man muss also verstehen, wie das alles funktioniert und in der Lage sein, es auch zu reparieren und in Stand zu halten.

Können Sie erkennen, ob jemand das Zeug dazu hat, Inselbesitzer zu werden?

Als ich meine hundertste Insel verkauft habe, habe ich mir die Kunden alle einzeln angeschaut. Ich wollte herausfinden, was die gemeinsam haben. Wenn das alles über 40-Jährige sind, die sich gerade haben scheiden lassen, hätte ich ja mit meinem Katalog zum Amtsgericht gehen können. Aber ich habe keine Gemeinsamkeit gefunden. Der eine ist Zahnarzt, der andere Banker, wieder einer ist Geschäftsmann. Auch das Alter ist sehr unterschiedlich. Die meisten sind über 30.

Inseln sind dem steigenden Meeresspiegel ausgeliefert. Wie gehen Sie damit um?

Wir machen auf vielen unserer Inseln Untersuchungen und haben den Klimawandel noch nicht wirklich bemerkt. Der Meeresspiegel müsste über zwei Meter steigen, bevor der erste Kunde nasse Füße kriegt. Wenn das passieren sollte, stünde Hamburg schon unter Wasser, Amsterdam auch, Florida wäre zu zwei Dritteln weg. Der Klimawandel ist eine Bedrohung für alle Menschen. Inselbewohner müssen nicht mehr Angst haben als Menschen auf dem Festland.


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Moritz Hackl
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