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»Maison D'Avignon« in Hamburg: »Ich koche zum Wein«

Der Koch und Sommelier Mathias Mercier hat in den ersten Restaurants Hamburgs gearbeitet. Still und leise hat der Franzose nun ein Bistro eröffnet, das den Namen seiner Heimatstadt trägt. Auf den Tisch kommen Speisen, die häufig vom Wein inspiriert sind.

Es war ein langer Weg zu seinem ersten eigenen Bistro, obwohl es Mathias Mercier von frühen Tagen an klar gewesen sei, dass er ein Restaurant besitzen wollte. Der Koch und Sommelier kommt aus einer Gastronomie-Familie, die Mutter war Direktorin der Hotelfachschule von Avignon, beide Brüder hatten Restaurants. Das Kochen lernte er noch in Frankreich. Nach einer Station in England kam er im Jahr 2000 nach Hamburg, arbeitete sieben Jahre im »Landhaus Scherrer« – und bildete sich zum Sommelier weiter. Er war Teilinhaber vom »La Maison Niewöhner« in Winterhude, zuletzt Sommelier im »Bianc«.
Den Corona-Lockdown nutzte er, um seine »Leidenschaft zu Hause auszuleben«, wie Mercier sagt. Viel zu experimentieren, an neuen Aromen und Kombinationen von Wein und Speisen zu tüfteln. Oft fange er dabei mit dem Wein an und überlege, was dazu passen könnte – »Ich koche zum Wein«. Dabei seien die Effekte nie dieselben: Manchmal gelänge eine Harmonie-Kombination, ein anderes Mal eine Kontrast-Kombination – wie etwa der Weichkäse aus der Champagne mit kandierten Walnüssen und einem kraftvollen Cidre.

Als das »Petit Amour« in Ottensen, für das Mercier ebenfalls arbeitete, Anfang des Jahres schloss, hatte er das Gefühl, endlich etwas Eigenes machen zu müssen. »Es war an der Zeit«, sagt der Endvierziger, »wann, wenn nicht jetzt!«. So sei der Entschluss, das Ecklokal in der Arnoldstraße zu übernehmen, spontan gewesen.

An dem Ort im Hamburger Stadtteil Ottensen, wo zuvor das »El Jardin« Tapas servierte, öffnet Mercier am 8. September sein »Maison d’Avignon«. Kaum durch die Tür, wird man freundlich begrüßt. Im verwinkelten Raum finden rund 20 Gäste Platz, am kleinen Tisch, auf Hockern, Holzbänken und einigen Stühlen; die Wände sind weiß, die Lampen zusammengewürfelt – alles wirkt sehr locker, wirkt optisch fast wie ein Stadtteil-Café. Die Karte gibt deutliche Hinweise auf das, was folgen wird: lediglich zwei Seiten, links neun Weine, rechts zehn Gerichte, aus denen sich der Gast ein Menü mit vier (65 Euro) bis sechs (85 Euro) Gängen zusammenstellt, idealerweise mit der empfohlenen Weinbegleitung (50-80 Euro). Einzelne Gerichte werden nur ausnahmsweise serviert.

Gedanklich am Mittelmeer

Schon der erste Gang zeigt, was hier möglich ist. Mathias Mercier serviert ein Kalbstartar mit flambiertem Comté und Himbeeren auf einer Soße mit deutlichen Röstaromen – eine kühne, humorvolle Kombination, die allerdings aufgefangen von dem jungen cremigen Chablis völlig plausibel erscheint.
Ähnlich kontrastreich der Ziegenkäse mit angegrillter Sardine und Tomatenconfit, über die Mercier pure Lavendelblüten ausstreut. Dazu gibt es einen 2019er Collioure Blanc, einen frischen Weißwein von fast salziger Mineralität – so entsteht wundersamerweise der Eindruck, direkt am Mittelmeer zu atmen.

Nicht alle Gänge folgen der Lust am verblüffenden Kontrast. Geradezu traditionell erscheint die Kalbszunge auf einem Bett von nussig-erbsigen Graupen, in denen – Überraschung! – eine (ungestopfte) Entenleber verborgen, für einen üppigen Unterton sorgt. Das Gericht wird mit der Cuvée 2020 Ventoux »Quintessence« Rouge, einem kraftvollen Rotwein mit feinen Holznoten, zum puren Genuss. Das ist bodenständige, wenngleich äußerst feine Bauernküche im besten Sinn.

Manche Gänge wirken nicht vollkommen schlüssig, etwa wenn zur perfekten Crème brûlée eine weitere schaumige Creme mit Aprikose kommt; oder auch ein wenig unentschieden, wenn neben dem Lammfilet mit Ofen-Topinambur, Kräuterseitlingen und dem Glas Médoc noch ein – allerdings köstliches – Töpfchen mit geschmorter Lammschulter steht.

Nur ein Seating

Aber egal, Mercier experimentiert mit Aromen und Texturen, traut sich etwas. Und es ist ein Vergnügen, das Ausprobieren und das Spiel mit der Gleichwertigkeit von Speise und Wein mitzuerleben.
Er werde sich weiterhin ganz auf die französische Küche konzentrieren und auch ausschließlich Weine aus Frankreich anbieten – »Wenn ich mit etwas anderem anfangen würde, ginge das Gleichgewicht verloren.« Und auch künftig werde es nur ein Seating geben, der Tisch wird nicht doppelt besetzt, die Gäste verbringen dort den Abend.

Das setzt ein recht hohes Preisniveau voraus, das dem kulinarischen Niveau, aber nicht unbedingt der etwas saloppen Möblierung angemessen erscheint. Doch nicht zuletzt die Zugewandtheit und Freude, mit der Mercier und sein perfekt informierter Kellner die Speisen und Weine an den Tisch bringen und pointiert erläutern, machen den Besuch im »Maison d’Avignon« zum schönen Erlebnis.


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Hilmar Schulz
Falstaff Scout
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