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Graciela Cucchiara's »Mamma«-Küche: Die Kunst, keine Kunst draus zu machen

Man kennt sie aus dem Fernsehen, in München ist sie so etwas wie eine Stadtheilige und jetzt erscheint ihr Kochbuch »Mamma Mia«. Höchste Zeit für einen Besuch.

Graciela Cucchiara ist keine besondere Frau. Sie ist ein besonderer Mensch. Das wird jeder wissen, der ihr schon einmal begegnet ist: ganz egal, ob in ihrer »Kochgarage« in München, in ihrem Feinkostladen oder im Fernsehen bei »The Taste« oder »Kitchen Impossible«. Sie ist laut, sie hat immer einen Spruch parat und ihr Charme entsteht aus einer Mischung aus Chaos und Leidenschaft.

Aber bevor es hier zu theoretisch wird, wird erstmal gegessen. Cucchiara trägt ein buntes Kleid, ihre große Brille, die wohl ein Überbleibsel aus ihrer Zeit als Grafikdesignerin ist, und ein lila Stirnband. »Hast du Hunger?«, fragt sie. Und natürlich hat man Hunger, wenn man in ihrem Laden steht. Überall stehen Saucen, Öle, Spirituosen, kulinarische Mitbringsel von ihren Reisen. Ihr Geschäft sieht aus wie eine Farbexplosion. Ihre Küche, das zeigen auch die Gerichte ihres neuen Kochbuchs »Mamma Mia, italienische Rezepte mit Herz«, ist wie ein Sprung in die Zutaten, die sie gerade zur Hand hat.

Sie reicht eine italienische Tortilla, einen Salat mit den letzten Tomaten des Jahres, die in ihrem Garten gewachsen sind, und gebratene Paprika. »Das ist die Mamma-Küche«, sagt Cucchiara. Mit dem Begriff drückt sie mehr aus als das Klischee der italienischen Mutter, die in riesigen Töpfen immer eine Tomatensauce köcheln hat. Für Cucchiara bedeutet es, aus den Dingen, die man zur Verfügung hat, aus den Umständen, in denen man sich befindet, das Beste herauszuholen.

Gelernt habe sie das schon als Kind, im Argentinien der 60er-Jahre. Ihr Vater war Mechaniker, genau wie sein Vater und dessen Vater. Wenn etwas am Haus kaputt war, war es kurze Zeit später wieder ganz, weil Papa immer eine Lösung fand. Und das musste er auch: Das Land stolperte von einer Wirtschaftskrise in die nächste, eben war das Leben noch leicht, plötzlich war man bitter arm und musste schauen, wo man bleibt. Das habe Cucchiara geprägt, sagt sie.

Immer ohne Rezept, immer dem Geschmack hinterher

Und das lässt sich auch mit Blick auf ihren Lebensweg beobachten: Von der Nonnenschule, von der sie selbstverständlich einmal fast verwiesen wurde, über das Psychologiestudium, das sie abbrach, um Grafikdesignerin zu werden. Dann der Umzug nach Italien, von dort nach Deutschland und immer wieder raus in die Welt. Von Single, zu verheiratet, geschieden, verliebt, verheiratet und nochmal geschieden. Graciela Cucchiaras Lebensgeschichte wirkt wie ihr Laden: Schaut man zu genau hin, wirkt es vielleicht zusammengewürfelt, dann tritt man einen Schritt zurück und kann nur staunen, wie stimmig diese verschiedenen Farben und Formen doch sind.

In der Mitte ihres Ladens steht ein Tisch, der aus vier Waschbecken gebaut ist, auf denen eine Glasplatte liegt. Aus dem ehemaligen Abfluss scheinen Lampen ihr Licht. Zusammengewürfelt, klar, aber auf jeden Fall faszinierend.

Und genau so kocht Graciela Cucchiara auch: immer ohne Rezept, immer dem Geschmack hinterher. »Meine Zutaten sprechen zu mir«, sagt sie. »Zum Beispiel die Säure von diesen Tomaten«, sie schiebt sich eine in den Mund. »Mit dieser Säure baue ich meinen Geschmack, dann brauche ich noch eine Süße, etwas Bitteres, gerne ein wenig Schärfe.« Falls mal eine Zutat fehle, überlege sie, was wohl so ähnlich schmecken könnte. Die Wissensgrundlage dafür sei ihre Liebe zum Naschen. Sie schaut ernst und sagt: »Ich liebe naschen.« Das sei schon als Kind so gewesen. »Gaumen kann man immer verbessern, immer trainieren.« Das sei wie mit der Musik, je mehr man davon höre, desto tiefer werde das Erlebnis.

Für ihr Kochbuch habe sie sich dann aber doch entschieden, ein paar Rezepte aufzuschreiben, sagt sie. »Ausnahmsweise.« Zum Beispiel eine Variation des klassischen Cesare Salads, mit Rosenkohl. Durch die Mischung mit Parmesan und Frühlingszwiebel entsteht ein frischer und doch vollmundiger Geschmack. Oder die Arancini di Riso, ein Klassiker aus Sizilien, panierte Reisbällchen mit Safran-Mozzarella-Füllung. Cucchiara’s liebstes Gericht sei aber die Parmigiana di Melanzane, der Auberingen-Auflauf.

Was das Buch besonders macht, ist Cucchiaras Geschichte, die dazu inspiriert, Kochen neu zu lernen. Nicht mit der Feinwaage, sondern mit Feingefühl. Einfach mal machen, kosten, nachwürzen – und vor allem Spaß dabei haben. »Essen macht Lebensfreude«, fasst sie es zusammen.

Moritz Hackl
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