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»Haasse« Neuigkeiten: Wiens Würstelstände im Wandel

Der schnellste Weg, die wienerische Seele kennenzulernen, führt zum Würstelstand. Als kulinarische Institution und sozialer Ort zugleich ist er einzigartig geblieben.

»Am Würstelstand geht es ja nicht nur um das Essen des Würstels.« Diese klare soziologische Verortung des Wiener Snack-Platzes schlechthin stammt nicht von einem der berühmten »Würstler« der Stadt, wie dem »scharfen René« am Schwarzenbergplatz, dem »Leo« am Döblinger Gürtel, der gerade erst 95. Geburtstag feierte, oder dem Platzhirsch der »Haaßen« hinter der Oper, Josef Bitzinger. Nein, es war Birgit Reitbauer von Wiens bestem Restaurant »Steirereck« (100 Falstaff-Punkte), die diese kulinarische Institution als Treffpunkt aller Klassen würdigte. Selbst nach dem Opernball, »wenn alle ihre Schuhe ausgezogen haben«, entstünde bei Käsekrainer und Bier »eine Gemeinschaft von Unbekannten, die da zusammenrücken«.

Als Art modernes Lagerfeuer lädt das Standl zur schnellen Flucht aus dem Alltag ein. Doch während Bestellungen wie »A Schoarfe schoarf« oder »A Eitrige mit an Krokodü« allmählich aussterben (beziehungsweise nur als Legende für Touristen fortleben), gehen die Standln kulinarisch mit der Zeit. »Trüffelpommes und Champagner, Hamachi Roll mit schwarzem Sesam oder Kalbsbries-Burger – alles ist erlaubt«, lautet etwa das Credo von Sebastian Neuschler. Mit seinem »Alles Wurscht« am Börseplatz hat er die Diskussion entfacht, was alles Platz hat im klassischen Geviert eines Standls. Wobei die Abstimmung ohnehin das Publikum vornimmt. Und das liebt die Trüffelpommes ebenso wie seine »Currywurscht« mit fermentiertem Ketchup. Schließlich ergänzt Neuschler aber auch: »Wir sind kein normaler Würstelstand.«

Mit Pilzwürsteln von »Hut & Stiel« oder der Pommes-Alternative »Kukuruzzi Fritti« hat auch der »Wiener Würstelstand« in der Pfeilgasse in der Josefstadt einen Nerv getroffen. Als Alternative zu den allgegenwärtigen Burgern genießen ­Wiens Hipster hier Wurstkultur und Bier mitunter sogar zu DJ-Klängen. Jüngst expandierte man in die Nähe der alten Wirtschafts Universität und widmet sich dort auch dem Salzburger Kulturgut Bosna. Weiteres Highlight von Mike Lanners Frischzellenkur für den Würstelstand ist das Bologna-Sandwich mit Salsiccia und Olivenpaste. Und selbst beim in dritter Generation betriebenen »Leo« am Döblinger Gürtel ergänzt den Gral aller Käsekrainer-Freunde – die ein halbes Kilo (!) schwere Riesenwurst »Big Mama« – mittlerweile das »Spezl-Hotdog« als Austro-Innovation mit Sauerkraut und Speck im Laugenweckerl.

Die Rückkehr der Wurstkultur

Dass man seine Wiener Wurst inzwischen auch ohne Lehnen an der Theke genießen kann, ist die jüngste Entwicklung. Mit »Leitenbauer Wurstkultur« trägt der Neuzugang des Jahres 2023 für alle Freunde gefüllter Därme seinen Daseinszweck nämlich schon im Namen. Georg Leitenbauer hat sich in der Neubaugasse auf Charcuterie spezialisiert, dazu gehören auch besondere Würstelangebote. »Bei uns warten original St. Johanner«, so der gebürtige Salzburger mit Gruß an die alte Heimat, »aber auch Lahner aus dem Würstelofen.« Mit den Lahner-Würsteln können die Wiener jenes Rezept wieder verkosten, das zur bis heute andauernden babylonischen Verwirrung »Frankfurter versus Wiener Würstel« führte. Denn Johann Georg Lahner (1772–1845) hatte in Hessens Hauptstadt gelernt, allerdings in Wien Furore mit seinen gemischten Würsteln aus Schweine- und Rinderfleisch gemacht. Und er pinselte in der Tat »Alleinerzeuger der Original Wiener Frankfurter Würstel« auf sein Geschäftsschild in der Neustiftgasse. Womit die wiederentdeckten Lahner bei »Schurli« Leitenbauer nun sogar in ihren Entstehungsbezirk zurückgekehrt sind!

HIER GEHT´S ZU DEN BELIEBTESTEN WÜRSTELSTÄNDEN IN WIEN!


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Erschienen in
Falstaff Wien Special

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Roland Graf
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