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»Ich wollte mit den Ideen vom Papa und Großvater weiterarbeiten«

Katharina Gessl zählt zu den Shootingstars der Naturweinszene. Ihre Weine finden sich beispielsweise auf der Karte des »Mraz & Sohn«. Über eine Frau, die aus dem Weingarten kam und diesen nur verließ, um mit einem noch größeren Knall wiederzukehren.

Spricht man in Wien gerade mit Fans von Naturweinen, fällt unter anderem immer wieder ein Name: Katharina Gessl. Im März zum ersten mal angekündigt, befinden sich seit knapp zwei Monaten die ersten Flaschen im Umlauf – unter anderem auf der Karte des »Mraz & Sohn«. Aber von Anfang an. Geboren wurde Gessl 1998 – in die Winzerfamilie Gessl aus Zellerndorf in Niederösterreich. Dem Bachelor in »International Wine Business« in Krems folgte ein Master in »Content & Media Strategy« an der NHL Stenden in den Niederlanden. Aktuell studiert die Winzerin in ihrem zweiten Master »Weinbau und Önologie« an der BOKU in Wien, arbeitet parallel als Projektmanagerin bei Wine + Partners und zählt ganz nebenbei zu den Shootingsstars der Naturweinszene. 

Dass sie die Expertise aus dem Marketing und dem Weinbau in sich vereint, wird beim Blick auf ihre Website, ihren Instagram-Account und bei jedem einzelnen Etikett klar. Gessl trifft den Nerv der Zielgruppe. Eine Zielgruppe, die jedoch über die Bewohner:innen Wiens zwischen dem 6. und 9. Bezirk deutlich hinausreicht, wie Gessl verrät. Ein Gespräch über die schwer zu definierende Frage nach gutem Branding, den Stand der Naturweinszene Österreichs im internationalen Vergleich sieht und Sehenscheidenentzügungen aus dem Weinkeller.

Falstaff: Sie kommen aus einer Winzerfamilie. Im Mai haben Sie ihre ersten eigenen Weine gelauncht. Wann entstand der Wunsch nach genau diesem Moment?

Katharina Gessl: Ich glaub die Idee war immer da, etwas handwerkliches zu machen. Wenn du auf einem Weingut groß wirst, ist es naheliegend, dass es der Wein wird. Das ist aber immer mit sehr viel Arbeit verbunden und als Kinder haben wir auch immer mitarbeiten müssen. Deshalb wollte ich mir erst noch ein paar andere Dinge anschauen, bevor mir klar wurde, dass ich heim und in den Betrieb gehe. Es war eigentlich immer klar, dass ich irgendwann ein Weingut gründen möchte – auch wenn das mit 25 jetzt recht früh ist.

Katharina Gessl kehrt vom Schreibtisch und dem Marketing wieder komplett zurück in den Weinkeller.
© Wein für Wein
Katharina Gessl kehrt vom Schreibtisch und dem Marketing wieder komplett zurück in den Weinkeller.

Sie gehen mit Ihren Weinen bewusst in eine Richtung, die in Österreich noch eher eine Nische ist. Wie nehmen Sie da ihre eigene Rolle wahr?

Ich weiß manchmal gar nicht, ob ich von Naturweinen sprechen soll. Der Begriff ist in konventionellen Kreisen oft noch sehr negativ behaftet. Ich glaube aber, es ist ein Herantasten mit meinen Weinen. Die sind sehr klar, sehr straight – so wie ich sie selbst gerne trinke. Ich trinke selbst gerne konventionelle, aber auch Naturweine. Dazwischen möchte ich die Mitte finden. Also taste ich mich mit meinen Weinen aus Sicht einer konventionellen Weintrinkerin an Naturweine heran, gleichzeitig sollen sie aber auch Naturweintrinker:innen spannend finden. 

Liegt dieses Herantasten auch ein bisschen an der noch stiefmütterlich behandelten Natural-Szene in Österreich?

Die österreichische Szene ist außerhalb der eigenen Grenzen ja eigentlich ziemlich bekannt. Wenn wir jetzt zum Beispiel in Stockholm oder Oslo in eine Weinbar gehen, werden wir dort zu 80 Prozent eher österreichischen Natur- als konventionellen Wein trinken. In Österreich sieht das noch ein bisschen anders aus, da ist es noch eher ein Bubble-Denken. 

Den Grüne Veltliner »Harwara« bezeichnet die Winzerin als das »Flaggschiff« ihrer eigenen Linie.
© Wein für Wein
Den Grüne Veltliner »Harwara« bezeichnet die Winzerin als das »Flaggschiff« ihrer eigenen Linie.

Was müsste denn in Österreich passieren, damit die Naturals aus der Bubble rauskommen?

Ein großes Thema ist sicher die Herkunft. Bei Naturweinen darf man, weil sie nicht zu den Qualitätsweinen zählen, die Lage nicht auf das Etikett drucken. Die ÖWM (Österreich Wein Marketing Anm.d.Red.) versucht da grade schon viel zu bewegen, beispielsweise mit einem eigenen Koster:innenkomitee, das kommen soll. Damit auch bei Naturweinen die Herkunft angegeben werden kann. Kommen diesbezüglich von oben keine Regulierungen wird es immer ein Nischenprodukt bleiben. 

Von dem großen Ganzen nochmal zurück zu Ihren Weinen. Der erste von vier Weinen Ihrer Linie war ein Pet Nat. Warum war das der perfekte Einstieg? 

Die Idee war es, die Rebsorten aufzugreifen, mit denen meine Familie schon seit Generationen arbeitet. Ich wollte mit den Ideen vom Papa und Großvater weiterarbeiten. Der erste war der Pet Nat, weil ich den selber ganz cool finde. Das Risiko und die Spielereien in diesem Zusammenhang macht man wahrscheinlich auch nur als Jungendliche. Er besteht zu 50 Prozent aus Grünem Veltliner, was schon immer ein Steckenpferd bei uns am Weingut war. Und weil ich Pet Nat mag, der mit einer Aromarebsorte kombiniert ist, sind die anderen 50 Prozent Gelber Muskateller. Beide stammen aus 40-Jährigen Rebstöcken, die mein Großvater damals gepflanzt hat. 

Am 15. Mai ging die Niederösterreicherin erstmal mit ihrer eigenen Linie an den Start.
© Liz Perdacher
Am 15. Mai ging die Niederösterreicherin erstmal mit ihrer eigenen Linie an den Start.

Und wie kam der zu seinem Namen »Bararawarin«?

Wir dürfen bei den Naturweinen die Herkunft ja nicht draufschreiben, aber ich wollte ihnen Namen geben, die diese trotzdem klar machen. »Bararawarin« ist ein Weinviertler Wort für Arbeiterin und der Pet Nat heißt so, weil er einfach wahnsinnig viel Arbeit war. Der Papa und ich haben jeden Tag den Restzuckergehalt gemessen und jede der 1.200 Flaschen fünfmal per Hand gerüttelt. Das waren dann auch fünf Sehnenscheidenentzündungen. Aber es hat trotzdem wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Daneben gibt es ja noch drei weitere Weine. Wie kam es zu denen?

Einer ist der Gelbe Muskateller, der »Schlingel«. Wir bewirtschaften unsere Weingärten alle biologisch und gerade diese Rebsorte ist da ein spinnerter Hund. Im Keller hat er einfach jeden Tag anders geschmeckt und er ist mit 10,5 Volumentprozent auch der leichteste in der Reihe – deshalb der »Schlingel«. Der Rosé vom Zweigelt ist das »Gspusi«. Bei dem Namen hat auch die Farbe ein bisschen mitgespielt, weil er kein leichter Provence-Rosé sein soll. Er soll eben nicht zum Anstoßen sein, sondern als Speisebegleiter in die Gastro passen. Der Grüne Veltliner ist der »Hawara«. Das war von Anfang an eigentlich klar, weil wir bei uns im Betrieb schon immer über 50 Prozent Grünen Veltliner angebaut haben. Er ist jetzt auch zum Flaggschiff geworden.

Im Weingarten und dem -keller findet natürlich die meiste Arbeit statt. Sie haben neben ihrer Tätigkeit als Winzerin aber auch viel Erfahrung im Marketing innerhalb der Branche gesammelt. Ein Erfahrungsschatz, von dem jetzt auch ihre eigene Marke profitiert. Was macht aus ihrer Sicht gutes Branding für Winzer:innen aus?

Das ist schwierig. Gerade beim Naturwein gibt es sehr freakige und extrem reduzierte Etiketten. Es gibt beide Extreme. Wichtig war mir für meine Weine meine eigene Handschrift, deshalb habe ich einen Fragebogen an Freunde, Bekannte und Leute die ich kennengelernt habe geschickt. Die mussten dann unter anderem aufschreiben, welche Farbe, welches Tier, welche Fotosprache oder welche Adjektive sie mit mir assoziieren. Und so unterschiedlich die Leute waren, so ähnlich waren ihre Antworten. Dann habe ich einfach mal 50 bis 60 Entwürfe gemacht. 

Im Weingarten möchte sie an den Ideen ihres Vaters Alois Gessl und Großvaters Karl Jäger (r.) weiterarbeiten.
Foto beigestellt
Im Weingarten möchte sie an den Ideen ihres Vaters Alois Gessl und Großvaters Karl Jäger (r.) weiterarbeiten.

Eine Linie inklusive vier Etiketten ist es am Ende übrig geblieben, die jetzt eine klare Zielgruppe ansprecht. Oder?

Das dachte ich am Anfang auch. Aber das Echo von den Konsument:innen ist viel diverser – und das ist super cool. Die Gruppe ist weniger feminin als gedacht und das Branding kommt auch bei älteren Leuten gut an, weil es nicht zu bunt oder verspielt ist. Sondern eben etwas reduzierter und mit mehr Fokus auf Herkunft und Charakter. Ich glaube großen Anteil daran hat der Austausch mit meinen Eltern und anderen Winzer:innen. Und vielleicht ist es gerade deshalb kein Naturwein, der sich nur zwischen dem 6. und 9. Bezirk hin und her schubst. 

Sondern?

Es gibt bei uns in der Region einen vollen Aufschwung. Da gibt es beispielsweise die Retzer-Weinwoche, bei der eine Woche über 700 Weine, alle konventionell, ausgeschenkt werden. Die würden gerne ab dem kommenden Jahr einen Naturweintag einführen. Und ich glaube gerade durch solche Bewegungen im ländlichen Raum lässt sich Schwellgrenze gegenüber Naturweinen immer weiter heruntersetzen. 

Beim Blick in die Zukunft, stellt sich abschließend natürlich auch noch die Frage nach den eigenen Zielen für die kommenden Jahre.

Ich würde gerne mehr mit verschiedenen Lagen arbeiten. Mich würde zum Beispiel Grünen Veltliner auf verschiedenen Böden wie Löss und Lehm interessieren. Das Repertoire an Rebsorten bleibt aber erstmal gleich. Und ich würde mich gerne international breiter aufstellen. 


Info

Katharina Gessl
Zellerndorf 70
2051 Zellerndorf
katharinagessl.at

 

Felix Moßmeier
Felix Moßmeier
Digitalredakteur
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