Eine pfiffige Mischung aus Design und Tradition: Das Weingut Georgiberg wurde von Star-Architekt Helmut Perner multifunktionell geplant.

Eine pfiffige Mischung aus Design und Tradition: Das Weingut Georgiberg wurde von Star-Architekt Helmut Perner multifunktionell geplant.
© Augenblick/Barbara Zapfl

Kathedralen des Weins: Die schönsten Weingüter der Südsteiermark

An imposanten Kellerbauten hat die Südsteiermark in der letzten Zeit so einiges zu bieten. Was aber hat es mit der perfekten Symbiose zwischen Wein und Architektur auf sich? Und welche Winzer des Landes schaffen 2024 neue Räume? Ein Lokalaugenschein.

»Architektur darf polarisieren«, zementiert der Baumeister Gernot Röck. »Sie muss deshalb aber nicht zwingend verstören.«  Bei der Besichtigung der aktuellen Baustelle am Weingut Tement wird die, vom Geschäftsführer des Familienbauunternehmens Röck adressierte Ambivalenz, sichtbar. Familie Tement baut. Wieder einmal – nach den beiden Gastronomiebetrieben »Die Weinbank« und »Die Magnothek« (letztere startet 2024 mit neuem Betreiber und kleinem Facelift neu) und den »Winzarei- und Ciringa-Ferienhäusern« – gibt es ein neues spannendes Projekt. Ganz offensichtlich hat Manfred Tement seine Passion für Bauwerke, Gestaltung und Revitalisierung an seine beiden Söhne vererbt. Derzeit sind die drei mit der Erweiterung des Stammhauses beschäftigt.

Man spricht von »Zubau« – doch nicht nur die räumliche Dimension offenbart Größeres. Die neue Lagerhalle am Bergrücken der Topriede Zieregg beherbergt rund 2.000 frei zugängliche Palettenplätze und ist 30 Meter lang, 20 Meter breit und 12 Meter (!) hoch. Hinzu kommen ein adaptierter Logistikbereich und eine gänzlich neue, für Kunden zugängliche Parkanlage mit 1.000 Quadratmeter begrünter Fläche. Die architektonische Ambivalenz spiegelt sich in der schwarzen Betonfassade wider. »Steht man direkt vor der Halle, wirkt das Schwarz hart. Mit etwas mehr Abstand betrachtet schmiegt sich die Fassade der Landschaft an«, bemerkt Röck. Das Architekturbüro Malek Herbst, das unter anderem das »Restaurant Thalersee«  im Westen von Graz konzipiert hat, ist für das Design und die Idee des Nutzgartens verantwortlich. »Wir wollten der Weinwerdung noch mehr Aufmerksamkeit schenken.

Die Halle soll künftig jenen Weinen, die länger reifen dürfen, den entsprechenden Rahmen bieten«, erklärt Armin Tement. Er sei sich bewusst, dass »wir mit allem, was wir tun, aktuell extrem in der Auslage stehen. Wer seinen Vater tatsächlich kenne, würde wissen, dass er nichts in die Welt setze, was nicht Hand, Fuß und viel Akribie besitzt. Wein ist ein Speichermedium, das Ressourcen hält. Schon allein deshalb ist unsere Prämisse, überlegt und architektonisch wertvoll für die nächsten Generationen und für die kleinstrukturierte Region Südsteiermark zu bauen«, so der Biowinzer. Bei der schwarzen Fassade handelt es sich tatsächlich um ein Unikat und um ein solches erschaffen zu können, müssen alle Zahnräder am Bau ineinandergreifen und alle Beteiligten eine hohe Lösungskompetenz besitzen. Auch die Winzerfamilie selbst. Das Ergebnis ist die Bestätigung, dass der Prozess funktioniert hat. Die Auseinandersetzung mit dem besonderen Landstrich der Steiermark, gepaart mit dem sinnlichen Erleben, das mit der Welt des Weinbaus verbunden ist, schafft also neue Räume. Beim Blick über die südsteirische Hügellandschaft wird es deutlich: Wein und Architektur gehören zusammen. Wieso eigentlich?

Wechselspiel und Stellenwert

»Wein hat einen sehr hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Mit der Architektur teilt er sich den Hang zur Langlebigkeit. Man denke an all die Schlösser und Kirchen in unserem Land, die Jahrzehnte, gar Jahrhunderte überdauern. Auch Wein kann das zum Teil. Darin besteht wohl die Symbiose«, philosophiert Röck. »Die Werte, die wir als Familie in dieser Region leben, haben allesamt etwas mit Kultur zu tun. Volkskultur, Genusskultur, Baukultur – all das sind Dinge, die man in gewisser Weise veredeln kann. Wir leben und arbeiten in der Südsteiermark, die mit der Schönheit der Hügel, viel Wein, dem landschaftlichen Wechselspiel zwischen Wald und Streuobst verwöhnt ist. Da muss auch die Architektur, ob modern oder traditionell, mit Bedacht eingebettet werden.«, konstatiert Armin Tement. »Optisch habe er persönlich ein gutes Gespür«, für das Technische sind Bruder Stefan und Papa Manfred verantwortlich. »So ein Umbau ist immer schön, wenn du die Veränderung begrüßen kannst, aber eben auch anstrengend, weil so viele Entscheidungen fern unseres Kerngeschäfts täglich getroffen werden müssen«, atmen die Weinbauern kurz durch. Zwei Millionen Euro Budget wurden für das aktuelle Bauvorhaben anberaumt. Für Frühjahr 2024 visiert man das Baufinale am Zieregg an. Stillsitzen wird man auch danach nicht. Mitten in Ehrenhausen gehören Tement neben dem örtlichen Flaggschiff Weinbank noch zwei weitere Immobilien, die derzeit im Altbestand weilen. Aus einem könnte Armin Tement zufolge in den nächsten Jahren »eine Art Heuriger mit kleinen Events« entstehen, im anderen sieht er »eine Begegnungszone und einen Wohlfühlort.«  Dort sollen irgendwann ein kleines Hotel und ein Kaffeehaus für Lesungen, Konzerte und andere Kulturveranstaltungen einziehen.

Alte Substanz, neues Leben

Für seine Winzerkollegen Gross ist die Rekultivierung alter Bausubstanz ganz in der Nähe ebenfalls eine Mission und im wahrsten Sinn des Wortes ein baulicher Brocken. Der ehemalige Buschenschank Stauder am Ehrenhausener Hauptplatz soll die neue Heimat für den Weinverkauf des »Weingut Gross« werden. Nach dem ersten Bauabschnitt im Erdgeschoß beherbergte man 2022 ein Pop-up-Café samt kleiner Kunstgalerie, nun soll der nächste Abschnitt im zum Teil denkmalgeschützten Gebäude voranschreiten. Auch hier ist Röck federführend. Kaum eine südsteirische Baustelle, die ohne das Zutun des Hochbau-Experten vonstatten geht. Am Weingut Lackner-Tinnacher etwa mischte man bei der Vorplatzgestaltung mit, die Weingüter Maitz, Georgiberg und Bullmann tragen ebenfalls Röcks Handschrift. Das Weingartenhaus der Weinidylle Dreisiebner ist in jedem Fall besonders gelungen. Die Bezugslinien zur Umgebung sind originell wie einzigartig. Weinstöcke wurden per Hand als Fassade verarbeitet, die Vordachuntersicht über der Terrasse ist von einem Geflecht aus getrockneten, hinterleuchteten Weinreben geprägt. Architekt Albert Köberl hat sich dort und im Haupthaus verewigt.

Auch das »Landgut am Pössnitzberg«, einst Wirkungsstätte des Weingut Polz, ist jüngst gewachsen. Der Grazer Architekt Clemens Luser hat das Seminarhaus am Gut in Leutschach gestaltet. Die Besonderheit: Das Haus in vorgefertigter Holzriegel-Bauweise steckt auf der einen Seite im Hang, während es auf der anderen über diesen auskragt. Das Zeitfenster für die Errichtung war kurz, doch die Umsetzung unter der Bauleitung der Familie Röck einfach, weil sie losgelöst von bestehender Bausubstanz erfolgen konnte. Ein wenig geschichtlicher Hintergrund: Bis in die 90er-Jahre war die Südsteiermark vor allem von Zweckbauten geprägt. Dann kam der Weinskandal. Mit ihm veränderte sich auch die Vermarktungsstrategie des Weins und somit auch die Bauweise. Das bestätigt auch Röck: »Ab diesem Zeitpunkt legte man das Augenmerk auf High-End-Architektur und sinngebende Formensprache. Die Handschrift des Winzers sollte von nun an nicht nur in der Flasche, sondern in seinem gesamten Refugium sichtbar werden.« Mittlerweile hätten Winzer eine sehr hohe Baukompetenz vorzuweisen. »Die meisten wissen sehr konkret, was sie wollen, und möchten intensiv in das Bauprojekt eingebunden sein. Dieses Miteinander schätze ich sehr«, unterstreicht der Bauprofi. »Die Architekturlandschaft in der Südsteiermark ist sensibel, teilweise umstritten. Ich schätze es, wenn man unterschiedliche Epochen nebeneinander existieren lässt und Betriebe sowie neue Räume aus der inneren Kraft herauswachsen. Etwas weiterzuentwickeln und gleichzeitig Altes zu erhalten, ist für unsere Region sicherlich nachhaltiger als ein durchgestylter Neubau einer Investorengruppe«, bringt Winzer Tement auf den Punkt.

Die Adressen

Begehbare Weinflasche
Originelle Aussichtsplattform am Lautenberg bei Bad Loipersdorf. Oben bietet die größte
begehbare Weinflasche, zusammen mit einem Glas, einen wunderbaren Rundumblick.
loipersdorf.at

Weinhof Locknbauer
Hier hat die junge Berliner Architektin Mascha Ritter den Kern eines Bauernhof grundlegend transformiert und beeindruckend erweitert.

Pichla bei Radkersburg 58, 8355 Tieschen
T: +43 664 1690787, locknbauer.at

Weingut Georgiberg
Eine absolut gelungene Mischung aus Tradition, Design und Wein.

Wielitsch 54, 8461 Berghausen
T: +43 3453 20243, weingut-georgiberg.at

Schaubrennerei Malli
Aus einem alten Holzschuppen entstand eine coole Schaubrennerei, formal spannend und eine weithin sichtbare Landmarke.

Einöd 38, 8442 Kitzeck im Sausal
T: +43 3456 3159, weingut-malli.at

Weingut Weinidylle Dreisiebner
Viel Platz für Lebensfreude im Weingut, Buschenschank und ein außergewöhnliches Ferienhaus, eingebettet in die Rebenlandschaft der Winzerfamilie Dreisiebner.

8461 Sulztal an der Weinstraße 44
T: +43 3453 2809, weinidylle-dreisiebner.at

Familiengut Tement
Die Traditionalisten verwehren sich keinem Fortschritt. Bio und Bauen im Großformat scheinen ihnen zu liegen.

Zieregg 13, 8461 Ehrenhausen
T: +43 3453 4101, tement.at

Weingut Gross
Als Winzerfamilie seit Jahrzehnten etabliert, neu jetzt die örtliche Weinzentrale im alten Gehöft.

Ratsch 26, 8461 Ehrenhausen
T: +43 3453 2527, gross.at

Landgut am Pössnitzberg
Das ehemalige Refugium der Winzerfamilie Polz hat ein umfassendes Facelift bekommen.

Pössnitz 168, 8463 Leutschach
T: +43 3454 205, poessnitzberg.at


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Tina Veit-Fuchs
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