Aus Hygienegründen haben Plastik-Verpackungen in der Pandemie einen hohen Stellenwert eingenommen.

Aus Hygienegründen haben Plastik-Verpackungen in der Pandemie einen hohen Stellenwert eingenommen.
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Kunststoff-Verpackung: Vom Gebrauchsgut zum Abfall und zurück

Kunststoff als »sicherste« Verpackung und für schützende Hygiene: Über Möglichkeiten, Plastik in Zukunft sinnvoll und umweltgerecht einzusetzen.

Ein Blick durch Tokios Ausgehviertel zeigt westlichen Besuchern neben Neon-Reklamen, Manga-Figuren und Einweg-Regenschirmen vor allem eines: Japaner lieben westliche Soft-Drinks! Im Unterschied zum Westen tragen die Dosen in Nippon aber eine Besonderheit mit sich: Jede einzelne ist versiegelt mit einem Plastikhut – damit sichergestellt wird, dass der erste Schluck aus der Dose auch wirklich die erste Berührung des Produkts mit den eigenen Lippen ist – ohne die Spuren fremder Hände »mitzutrinken«. Der Wunsch nach Perfektion, Sauberkeit und Reinheit ist in Japan kulturell geprägt. Die Corona-Krise hat die Sehnsucht nach dieser japanischen Verpackungsphilosphie stärker als je zuvor in den Westen exportiert.

Für Produzenten gilt Kunststoff als die »sicherste« Verpackung und als neuer Kundenwunsch – gleichzeitig zählt vermeidbarer Plastikmüll wie eben jener Dosenschutz zu den größten Umweltproblemen unserer Zeit. Das Ideal von »Zero Waste«, also das vollkommene Abschaffen umweltschädigenden Restmülls, wird immer als Parallelentwicklung ebenso zur Realität. Nicht recycelter Plastikabfall endet ansonsten in Form von buchstäblichen »Müllinseln« oder als Mikroplastik in den Weltmeeren – und landet über den Umweg der Fischerei erst recht wieder direkt auf unseren Tellern.

Abfall als Zeichen der Zeit

Die Plattform »Verpackung mit Zukunft« widmet sich der Frage, wie wir in den nächsten Jahren mit Kunststoffverpackungen umgehen werden. Fest steht: Die Pandemie erhöhte sowohl den Wert als auch die Sicherheit von Verpackungen, aber sie definierte auch die Branche selbst um. Zwar gibt es in wenigen Bereichen Steigerungen der Produktion – etwa bei Verpackungen für Lebensmittel, Medikamente, Desinfektions- und Putzmittel –, gleichzeitig wurde aber die Produktion für Luftfahrtindustrie, Automobilsektor und andere klassische Investitionsgüter stark zurückgefahren.

Diese Umstellung ist Folge eines massiven gesellschaftlichen Wandels – und des daraus resultierenden Kaufverhaltens, wo Hygiene- und Gesundheitsprodukte einen neuen Hype erzeugen. Was wie in welchen Maßstäben verpackt wird, ist so also auch immer ein Zeichen unserer Zeit. Distributionswege und der Transport von Gütern auf globalem Level sind zuletzt extrem ins Stocken geraten. Dieser »Handelsstau« wird dafür mehr und mehr zum stillen Gamechanger für das innovative, ökologische und »Zero Waste« anpeilende Verpackungsdesign der Zukunft.

Österreich ist hier in Sachen Innovation ganz vorne dabei, erklärt Harald Hauke, Chef der Altstoff Recycling Austria AG (ARA AG): »Der Kunststoff von heute ist ein High-Tech-Produkt. Jede Verpackung, die verwendet wird, hat auch in den meisten Fällen ihre Berechtigung. Wir haben alle EU-Verpackungsziele für 2030 erreicht – bis auf Kunststoff. Zielvorgabe ist, die Recyclingquote von Kunststoff bis 2025 auf 50% zu verdoppeln und bis 2030 alle Kunststoffverpackungen recyclingfähig zu machen. Unsere Sammelinfrastruktur zählt bereits heute zu den besten, wir werden sie aber weiterhin ausbauen und noch näher zu den Bürgern bringen.«

Wird Plastikabfall künftig nicht adäquat recycelt, endet er in Form von buchstäblichen »Müllinseln« oder als Mikroplastik in den Weltmeeren – und landet über den Umweg der Fischerei wieder direkt auf unseren Tellern.
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Wird Plastikabfall künftig nicht adäquat recycelt, endet er in Form von buchstäblichen »Müllinseln« oder als Mikroplastik in den Weltmeeren – und landet über den Umweg der Fischerei wieder direkt auf unseren Tellern.

Ist Plastik wirklich so schlecht wie sein Ruf?

Die Verpackungen sollen leicht und gut transportierbar sein, die Haltbarkeit der Lebensmittel garantieren sowie vor allem vor Kontamination aller Art schützen. Und da ist es der Kunststoff, der all diese Hygiene- und Qualitäts-Kriterien am besten erfüllt. Er schützt den Inhalt vor äußeren Einflüssen und sichert Lager- und Transportfähigkeit der Güter. Darum wird er auch so bald nicht aus unserem Verbrauch wegzudenken sein – auch über die Krisenzeiten hinaus, so Hauke: »Ich glaube nicht, dass sich die Verpackungen der Zukunft grundsätzlich ändern werden. Dafür ist Plastik zu tief in allen Prozessen verankert. Was sich aber ändern wird und muss, ist, dass zukünftige auf Plastik basierende Produkte zu 100% recycelbar werden. Footprint-Verpackungen werden sehr wichtig sein. Es wird auch verstärkt darum gehen, Lebensmittel zu schützen und »Foodwaste« zu vermeiden, was durch richtig vorportionierte Produkte erzielt werden kann. Es wird in den nächsten zehn Jahren nicht zum Masseneinsatz vollkommen neuer Materialien kommen. Was aber passieren wird, ist, dass Kunststoff-Produkte so designt werden, dass sie vollkommen wiederverwertbar werden.«

Umso mehr gilt es, Plastik nicht nur als »unvermeidbares Übel« zu sehen, sondern daran zu arbeiten, es in ein sicheres, umweltverträgliches Produkt des allgemeinen Bedarfs zu verwandeln, das die »Zero Waste«-Kriterien erfüllt. Und dafür sind letztlich auch die Konsumenten selbst verantwortlich: »Wenn diese Glas in Glasbehälter, Metall in Metallbehälter und Kunststoff in Kunststoffbehälter geben, ist schon einmal viel getan. Wir müssen das Kunststoff-Recycling verdoppeln. Um das zu erreichen, müssen wir vor allem eines tun, nämlich: die Menschen weiterhin motivieren, ihren Teil beizutragen.«

Erschienen in
Falstaff Future 2021

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Michael Kirchdorfer
Autor
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