Protagonist: Der Nevera ist ein elektrischer Supersportwagen des tschechischen Herstellers Rimac, an dem sich Bugatti und vor allem Porsche beteiligt haben. Die beiden VW-Sporttöchter haben mit E-Pionier Rimac viel vor.

Protagonist: Der Nevera ist ein elektrischer Supersportwagen des tschechischen Herstellers Rimac, an dem sich Bugatti und vor allem Porsche beteiligt haben. Die beiden VW-Sporttöchter haben mit E-Pionier Rimac viel vor.
© Rimac / philipprupprecht

Zwischen Elektrifizierung und alternativen Antrieben: Die Zukunft des Fahrens

Auch wenn immer mehr Autos über die Straßen stromern – die Elektrifizierung der privaten Mobilität ist kein Selbstläufer. Synthetischer Sprit hat mächtige Unterstützer, auch die Brennstoffzelle sucht Einsatzmöglichkeiten. Was uns in Zukunft antreibt.

Es war im November, als die Zukunft aus dem Tankrüssel floss. Am Isartor in München verkaufte eine Tankstelle 60 Liter E-Fuel im Testbetrieb, und Michael Haberland, Präsident des Autoclubs »Mobil in Deutschland«, befüllte publikumswirksam seinen historischen VW-Käfer aus 1967. Und nur einen Monat zuvor bretterte der frühere Formel-1-Pilot Christian Danner in einem BMW 3.0 CSL über den Salzburgring, auch der mit E-Fuel betankt, auch er ein halbes Jahrhundert alt; einst war damit der rasende Prinz Leopold von Bayern auf Europas Rennstrecken unterwegs. Beide Oldtimer fuhren ohne Probleme mit dem künstlichen Kraftstoff.

Unter den Antriebsformen der Zukunft genießen die »Electrofuels«, im Deutschen zu E-Fuels abgekürzt, aktuell die meiste Aufmerksamkeit, auch den intensivsten Lobbyismus in Brüssel. Der Grund ist ein einfacher: Sie können eins zu eins Diesel und Benzin ersetzen, lassen sich mit derselben Infrastruktur lagern, transportieren, tanken und in denselben Motoren verbrennen – und sind bei Herstellung aus grünem Strom, der also aus erneuerbaren Energien stammt, so gut wie frei von Treibhausgasen, also CO-neutral.

E-Fuel ist also der Königsweg für Autobauer, deren alternde Schätzchen auf eine relevante und solvente Fangemeinde zählen können: Etwa Porsche, von dessen 911 mehr als zwei Drittel aller gebauten Exemplare noch fahren. Die Zuffenhausener haben nahe der chilenischen Stadt Punta Arenas gemeinsam mit weiteren Konzernen eine Produktionsanlage hingestellt. Dort dreht sich das gigantische Windrad praktisch ununterbrochen und dürfte rund vier Mal so viel Energie liefern wie in Europa. Pro Jahr sollen vorerst 130.000 Liter Sprit synthetisiert werden, Ausbauschritte bis zu 500 Windrädern sind geplant.

Ikone: Den 911 wird Porsche als letztes Modell elektrifizieren. Vor allem für die zahlreichen historischen Elfer setzen die Stuttgarter auf synthetisches E-Fuel, damit diese Autos weiter als Verbrenner fahren.
© Porsche
Ikone: Den 911 wird Porsche als letztes Modell elektrifizieren. Vor allem für die zahlreichen historischen Elfer setzen die Stuttgarter auf synthetisches E-Fuel, damit diese Autos weiter als Verbrenner fahren.

Retter des Verbrenners? Nein!

Doch diese Zahl demonstriert auch das Problem der E-Fuels: Die aktuell verfügbare Menge tendiert gemessen am Verbrauch gegen Null. Die Herstellung: Spalten von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff, letzterer wird mit Kohlendioxid zu Kraftstoff weiterverarbeitet. Dieser Prozess ist weder neu noch übermäßig komplex, benötigt aber enorm viel Energie, also Strom – und macht daher nur Sinn, wo dieser regenerativ gewonnen werden kann, wo dauerhaft Wind weht oder die Sonne beständig brennt. Doch diese Orte liegen geografisch meist weit entfernt von Europa oder den Metropolen der Welt, also der Masse der Verbraucher. Offen ist derzeit auch die Frage nach den Preisen für E-Benzin: Optimisten wie Porsche-Chef Oliver Blume sehen diesen Preis bis 2030 auf unter zwei Euro (vor Steuern) fallen. Natur-gemäß sind viele Wissenschaftler und Naturschutz-Verbände weniger euphorisch.

Als Retter des Verbrenners kommen E-Fuels also kaum in Frage, auch wenn sie für eine kleine Fraktion von Auto-Enthusiasten sicherlich ausreichen werden. Eher winkt E-Fuels ein Zukunftsjob in den Motoren von Schiffen und Flugzeugen, denn vor allem auf Langstrecken würden in diesen Fortbewegungsmitteln Batterien zu schwer und zu voluminös und damit unwirtschaftlich; auch deshalb ist die Lufthansa-Gruppe samt Austrian und Swiss an der ersten Produktionsanlage für synthetischen Sprit der Schweizer Firma Synhelion beteiligt. Dieses Start-up geht technisch einen etwas anderen Weg als die Porsche-Anlage und gilt als weltweit führend auf diesem Gebiet.

Kaum Chancen für den Einsatz in Autos räumen Experten dem Wasserstoff ein, also Brennstoffzellen-Antrieben. Zwar startete in Europa vor allem Daimler früh mit der Forschung, bereits in den Neunzigerjahren betrieben die Schwaben ihr NECAR (»New Electric Car«) mit Fuel-Cell-Antrieb – doch bis heute brachte es kein Sternträger zur Marktreife. Die Technologie gilt als zu teuer, zu wenig effizient in der Leistungsausbeute, Wasserstoff ist schwer zu lagern, zudem fehlt die Tank-Infrastruktur. Bei Nutzfahrzeugen, sowohl Lieferwagen als auch schweren Lastwagen, wird die Brennstoffzelle aber zunehmend zum Thema. Und sogar Toyota, die mit dem Mirai den einzigen relevanten Brennstoffzelle-betriebenen Pkw verkaufen, stellt inzwischen Nutzfahrzeuge in den Mittelpunkt ihrer Entwicklung.

Fürs Auto allerdings, sagt der passenderweise »Auto-Papst« genannte Mobilitätsprofessor Ferdinand Dudenhöffer aus Duisburg, »ist die Batterie gesetzt«. Tesla-Boss Elon Musk gebühre das Verdienst, das BEV, das Battery-Electric Vehicle, »zum Mainstream gemacht zu haben«.

Mindestens ebenso wichtig für diesen Siegeszug war allerdings Herbert Diess, der frühere Chef des VW-Konzerns: Gebeutelt vom sogenannten Diesel­skandal suchte Diess nach einem neuen Großthema, man könnte es auch »Ablenkung« nennen, und wurde bei der Batterie fündig. Seine publizistische Offensive zur Verkündung der Elektrowende entfaltete derartige Zugkraft, dass die anderen Hersteller notgedrungen mitzogen (nur BMW hält nach wie vor fast trotzig an der »Technologieoffenheit« fest) und schließlich Brüssel als elektrisierender Höhepunkt ab dem Jahr 2035 die Zulassung von Verbrennern verbot. Die Regierung Deutschlands, Welthauptquartier des Benzinmotor-Engineerings, konnte nur noch durchsetzen, dass E-Fuel-betriebene Verbrenner vom Verbot ausgenommen werden.

Viele Hersteller werden sich schon früher umstellen, bereits um 2030 dürften in Europa zwei Drittel aller Neuwagen nur noch per Batterie angetrieben sein. Aus Sicht der Autobauer ist das ein Weg ohne Alternative: Satte 520 Milliarden Euro investieren die Hersteller insgesamt in die Elektrifizierung, schätzt der CEO eines der größten Autohandelskonzerne Europas – deutlich mehr als die jährliche Wirtschaftsleistung Österreichs.

Spritfabrik: In dieser Anlage nahe Punta Arenas in Chile entsteht aus Windkraft Strom. Mit diesem wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten, Letzterer wird mit Kohlendioxid zu Kohlenwasserstoff synthetisiert – dem Grundbaustein von Benzin.
© IMAGO / Fotostand
Spritfabrik: In dieser Anlage nahe Punta Arenas in Chile entsteht aus Windkraft Strom. Mit diesem wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten, Letzterer wird mit Kohlendioxid zu Kohlenwasserstoff synthetisiert – dem Grundbaustein von Benzin.

Die »Ladeangst« geht um

Rund 1,3 Milliarden Autos fahren aktuell auf der Welt, das ist fast das Doppelte des Bestands zur Jahrtausendwende. Und auch wenn ein Großteil des Wachstums aus Entwicklungsländern kommt, spielt die Musik punkto Auto in Europa, China und an den dicht besiedelten Küsten der USA – und diese drei Großregionen setzen auf den Batterie-Antrieb: Europa mit dem Zulassungsstopp ab 2035. China mit der gezielten Förderung der neuen Technologie; 2030 dürften dort bereits 80 Prozent aller Neuwagen als BEV oder Plug-in-Hybrid mit Ladestecker angemeldet werden. Sogar die USA haben sich auf den Weg gemacht – ein wiedergewählter Präsident Donald Trump, erklärter E-Auto-Gegner, könnte die Entwicklung allerdings einige Jahre verzögern, wenn auch wohl nicht mehr aufhalten.

Derzeit zeigen sich in diversen Ländern jedoch Bremsspuren: Die Förderung von E-Autos wird zurückgeschraubt, das drückt auf die Zulassungszahlen. Die »Reichweitenangst« halten inzwischen zwar die meisten Branchenleute für passé, dafür wurde sie von der »Ladeangst« abgelöst: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur außerhalb Mitteleuropas geht schleppender vorwärts als geplant. Zwar sagen E-Turbos wie Dudenhöffer, so etwas existiere, abgesehen von Ost- und Südeuropa, »nur noch in den Köpfen der Menschen«. Doch die sind es ja, die Kaufentscheidungen treffen: Der Schweizer Verkehrsclub TCS ermittelte in einer Umfrage, dass immer mehr Menschen den Kauf eines E-Autos ablehnen, weil sie zuhause eine Ladestation vermissen, etwa weil sie keine eigene Garage mit Strom-Wallbox besitzen.

Die Batterietechnik als solche beherrschen die Hersteller und optimieren stetig weiter. Fahrzeuge mit aktuellen Lithium-Ionen-Batterien schaffen es inzwischen auf Reichweiten oberhalb von 650 Kilometern (Polestar, Mercedes) bis zu fast 900 Kilometern (Lucid). Die lang erwartete Feststoffbatterie (»Solid State«) wäre ein nächster Gamechanger, sagt Dudenhöffer: schnelleres Laden, mehr Speicher­fähigkeit, zudem höherer Brandschutz. Toyota stellte kürzlich einen »technologischen Durchbruch« der hauseigenen Batterieforschung vor – Feststoffbatterien mit 1000 Kilometern Reichweite, später sogar 1200, Laden auf 80 Prozent in weniger als zehn Minuten, kommerziell womöglich 2028 marktreif.

Die andere Seite beschreibt Dacia-Chef Denis Le Vot, der mit dem »Spring« auch einen reinen Stromer im Angebot hat. Der schafft zwar 230 Kilometer Reichweite, aber, sagt Le Vot, würde er das Auto nochmals entwickeln, »dann nur mit halb so großer Batterie«. Denn durch das Tracking der Fahrprofile wisse man, dass die Kunden im Schnitt nur 31 Kilometer täglich fahren. Halbe Batterie wäre gleichbedeutend mit mehreren Tausend Euro Einsparung.

Tatsächlich, und auch das gehört zur Frage nach der Zukunft des Fahrens, wird die Zeit des einen Autos für alle Anwendungen womöglich zu Ende gehen. Hersteller, aber auch Vermieter wie Europcar bieten bisweilen schon E-Auto-Abonnements an, die das zeitweise Tauschen des Stromers gegen einen Verbrenner ermöglichen – um sorgenfrei nach Spanien oder Griechenland in den Urlaub fahren zu können. Unter den beliebten Urlaubsländern ist dort das Netz an Ladesäulen derzeit noch besonders dünn.

Rein optisch wird sich die Frage, wie und was wir in Zukunft fahren, von selbst erledigen, weil die designtechnische Distanzierung der E-Autos von den Verbrennern, anfangs von Tesla und heute vor allem von Mercedes zelebriert, mit der Ausbreitung der Stromer ihren Zweck einbüßt. Denn was zum Gewöhnlichen wird, kann keinen Sonderstatus als Demonstrationsobjekt des persönlichen Umweltgewissens mehr beanspruchen. Das Design bewegt sich Richtung Modernität, wie es Polestar oder Lucid pflegen, oder zum Megatrend Retro wie beim Mini oder beim Fiat 500, die es beide als Stromer und Verbrenner gibt, wie auch beim ID.Buzz von VW und dem neuen Renault 5, wo die Hersteller zwei echte Ikonen als Stromer wiederbelebt haben.

Während noch über Wirkungsgrade von E-Autos (hoch) und E-Fuels (niedrig, weil Strom erst zu Sprit synthetisiert werden muss), über Energiepreise heiß diskutiert wird oder die Frage, woher der viele zusätzliche Strom kommen solle, singt Europa längst das Lied der Elektrifizierung und Dekarbonisierung. Doch in anderen Regionen habe man da einen anderen »Drive«, sagt Dacia-Chef Le Vot, etwa in Südamerika oder Indien. Er ist überzeugt, dass zahlreiche Antriebe via Autogas (LPG), komprimiertes Erdgas (CNG) oder Kleinstverbrenner auf lange Sicht ihre Märke finden werden. Und vielleicht hat der als Übergangstechnologie belächelte Plug-in-­Hybrid noch eine lange Karriere vor sich.

Auch Ethanol und Methanol werde es weiter geben, sekundiert der Wiener Motorenbauer Fritz Indra, so etwas wie der Antichrist zu Dudenhöffer. Indra war Motorenentwickler bei diversen Autokonzernen und Dozent an der TU Wien, zuletzt als Honorarprofessor, und trägt den Beinamen »Motorenpapst«. Indra betont immer wieder, der Viertakter-Verbrennungsmotor sei das Beste, was es gibt, »wenn man gesamtheitlich, also über den gesamten Produktions-, Lebens- und Entsorgungsprozess darauf blickt«. Er bezweifelt, dass es gelingt, Elektroautos mit sauberem Strom zu laden, weil Wind- oder Solarparks nur in weit entfernten Regionen des Globus Sinn machen. Also werde der E-Strom »dreckig« sein. Er rechnet vor, dass es einfache Verbrenner ab 10.000 Euro zu kaufen gebe, während die Hersteller bisher recht erfolglos darum kämpfen, Elektroautos für unter 20.000 Euro anbieten zu können – und dass trotz Verkaufserfolgen bei neuen E-Autos die Bestandsflotte nach wie vor sehr klein sei. Und Indra kritisiert die Abhängigkeit von China.

Straßenlage: Wie hier beim Mercedes EQC liegt die Batterie der E-Autos zumeist flach unter den Insassen. Der tiefe Schwerpunkt sorgt für hervorragende Fahreigenschaften.
© Daimler
Straßenlage: Wie hier beim Mercedes EQC liegt die Batterie der E-Autos zumeist flach unter den Insassen. Der tiefe Schwerpunkt sorgt für hervorragende Fahreigenschaften.

Die Chinesen drängen nach Europa

Zwar bauen die Autohersteller in Europa nach und nach eigene Batteriefabriken auf, um sich von chinesischen Lieferanten zu emanzipieren – doch solange wichtige Rohstoffe aus China kommen und China diese den heimischen Herstellern oft billiger verkauft, bleibt Waffengleichheit ein Traum. Als wäre das nicht genug, drängen bereits zahlreiche chinesische Autobauer, die bekanntesten darunter Great Wall, BYD, Aiways oder die Geely-Marke Lynk&Co, auf den europäischen Markt.

E-Fuels befürwortet Fritz Indra. Diese seien transportabel und fungierten als Energiespeicher. Für das Elektroauto stellte er im Juni eine stramme Prognose in der deutschen Wochenzeitung »Die Zeit«: »Spätestens 2030 muss die EU sagen, wir lassen das mit dem Verbrennerverbot, weil sonst der wirtschaftliche Zusammenbruch der EU droht.« Denn die Kunden, sagte er zwei Monate später dem »Standard«, wollten diese Autos schlicht nicht.

Welcher Papst verkündet nun die Wahrheit? Fairerweise muss man sagen, Papst Fritz hat womöglich die schweigende Mehrheit hinter sich, Papst Ferdinand aber deutlich mehr Funktionäre und investierte Milliarden. Um 2030 wissen wir dann mehr. Oder erst später.

Dass alles etwas länger dauert, ist in einer solchen Technologiewende wohl unvermeidlich. Nur ein Beispiel: Die Preisangleichung von E-Autos und Verbrennern, von der Industrie eigentlich für 2025 prognostiziert, soll nun erst 2026 oder gar 2027 erreicht sein.

Noch ein Beispiel? Der eigentliche Star im Kinofilm »I, Robot« war der futuristische Audi RSQ; der Film aus 2004 spielt im Jahr 2035, doch im Audi war ein Zehn-Zylinder-Verbrenner von Lamborghini eingebaut. Einen elektrischen RSQ konnte Audi erst 2019 für den Animationsfilm »Spies in Disguise« präsentieren.

 


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Erschienen in
Falstaff Future 2023

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Dirk Ruschmann
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