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Bittersüße Versuchung: Kaffeegenuss im Klimawandel

Aus ökologischer Sicht ist Kaffeetrinken bedenklich, das wissen viele. Doch wie steht es wirklich um die Nachhaltigkeit des beliebten Koffeingetränks? Und wie können wir als Konsument:innen Einfluss nehmen?

Ein Kaffee am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen? Drei Tassen trinken jede Österreicherin und jeder Österreicher im Schnitt täglich. In Deutschland liegt der Tagesdurchschnitt sogar bei fast vier Tassen – so viel wie nie zuvor. Es ist ein bedenklicher Rekord mit einer bitteren Prognose: Bis 2050 könnte die Hälfte aller Anbauflächen für Kaffee nicht mehr nutzbar sein. Schuld daran ist der vom Menschen verursachte Klimawandel, an dem auch unser offizielles Lieblingsheißgetränk nicht ganz unbeteiligt ist.

»Kaffee ist einerseits Verursacher und gleichzeitig Opfer des Klimawandels«, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbands, Holger Preibisch. Gigantische Flächen Regenwald mussten Kaffeeplantagen weichen. Durch die hohe Stickstoffbelastung in Düngern werden Treibhausgase produziert. Zusätzlich haben die Monokulturen der letzten Jahrzehnte die Böden am »Kaffeegürtel« rund um den Äquator ausgelaugt. Anbau, Verpackung und Konsum schlucken Unmengen an Wasser und Energie. In einer Tasse Kaffee stecken mehr als 130 Liter Wasser. Und für jede kaffeetrinkende Person fallen allein durch ihren Konsum jährlich fast 100 Kilogramm CO2-Äquivalente an.

Gleichzeitig leidet die Kaffeekirsche an den Folgen ihrer weltweiten Beliebtheit und ihres massenhaften Anbaus. Die Folgen des Klimawandels wie Überschwemmungen, Stürme und Dürren schaden der empfindlichen Pflanze. Immer häufiger sind ganze Ernten unbrauchbar. Die Zukunft der Bohne könnte tatsächlich finster aussehen.

Dass Handlungsbedarf besteht, haben längst nicht nur woke Fairtrade-Röstereien in Biomärkten begriffen. Der Anteil nachhaltiger Kaffeeproduktion steigt seit Jahren. Laut Jahresbilanz des Forums Fairer Handel ist und bleibt Kaffee Spitzenreiter unter den fair gehandelten Produkten. Etablierte Großkonzerne ziehen mit. »Die Firmen haben ein ureigenes Interesse daran, Ressourcen zu schonen und dem Klimawandel entgegenzutreten«, sagt Preibisch. Die Branche habe dabei »Argusaugen aufeinander«, so Preibisch, und schwenke im Eiltempo auf Nachhaltigkeit um.

Und das kommt an. Denn auch für die Konsumenten sind Klima- und Umweltschutz längst relevante Kauffaktoren. Das geht zum Beispiel aus einer Umfrage hervor, die der Österreichische Kaffeeverband im vergangenen Jahr unter dem Titel »So steht Österreich zu Nachhaltigkeit bei Kaffee« veröffentlicht hat. 1000 Menschen wurden dafür befragt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Menschen wollen ihren Kaffee mit gutem Gewissen genießen, im Bewusstsein, dass Nachhaltigkeit vom Kaffeeanbau bis zum fertigen Getränk sichergestellt ist.

Für die Branche gehe es deshalb darum, »sämtliche Prozesse von der Bohne bis zur Tasse lückenlos in die Überlegungen zur Nachhaltigkeit einzubeziehen«, so der Präsident des Österreichischen Kaffeeverbands, Marcel Löffler. Der Wandel, der sei bereits in vollem Gange.

Schon heute werden zum Widerstand gegen Witterungen robustere Kaffeepflanzen gezüchtet. Statt auf Monokulturen setzt man verstärkt auf Mischkulturen, um Böden und ihre Nährstoffe zu schützen. Es werden weniger umweltschädliche Pestizide eingesetzt. In Deutschland verpflichtet zudem, das in diesem Jahr in Kraft getretene Lieferkettengesetz deutsche Unternehmer im Ausland, Menschenrechte einzuhalten, die Umwelt zu achten und Lieferketten streng zu überprüfen. Wenn das klappt, hieße das: mehr Nachhaltigkeit und fairere Arbeitsbedingungen. Bedeutet das, die dünne Brühe aus Omas Filterkaffeekanne und der Lungo aus dem Büro sind jetzt plötzlich nachhaltig?

Schritt in die Richtige Richtung?

Obwohl die zum Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé gehörende Marke Nespresso vorrangig für George Clooney als ihr Werbegesicht bekannt ist, ruft diese ihre Kunden bereits seit Jahren dazu auf, die bunten Aluminiumkapseln in der gelben Tonne zu recyceln. Mittlerweile hat der Konzern auch eine biologisch abbaubare Kapsel aus Papier auf den Markt gebracht.

Nicht weniger engagiert ist das Münchner Familienunternehmen Dallmayr mit seiner jahrhundertealten Tradition. Seit 2010 ist es Lizenzpartner von Fairtrade, 2021 wurde es für sein Engagement in Äthiopien mit dem Deutschen Award für Nachhaltigkeitsprojekte ausgezeichnet. 2020 brachte es kompostierbare Kapseln auf den Markt.

Der italienische Kaffee-Patriarch Lavazza spricht in seinem Report 2023 von 66 Prozent recycelbarem Verpackungsmaterial und wirbt seit Jahren mit einer globalen Nachhaltigkeitsstrategie. Zur Wahrheit gehört aber auch: Für viele Umweltverbände ist die umweltfreundliche Kaffeekapsel nichts weiter als ein hehrer Wunsch. Was daran liege, dass die globale Recyclingrate der Ökokapsel in Wahrheit noch viel zu niedrig sei und die abbaubaren Kaffeekapseln in Kompostierungsanlagen häufig als Störstoff aussortiert und danach einfach verbrannt werden.

Diese Beispiele zeigen: Für Konsumenten ist es gar nicht so einfach, zu erkennen, ob der Kaffee, der im Einkaufskorb landet, wirklich so nachhaltig ist. Werden Arbeiter fair bezahlt? Wird auf die Klimafreundlichkeit geachtet? Oft können wir beim Lesen der Verpackungsrückseite lediglich darauf vertrauen, dass die vielversprechenden Maßnahmen auch wirklich dort angekommen sind, wo sie gebraucht werden.

Eine Orientierung geben Siegel und Zertifizierungen: Fairtrade zum Beispiel zielt auf verbesserte Anbau- und Arbeitsbedingungen von benachteiligten Kleinbauern in den Produktionsländern ab. Kaffee mit EU-Bio-Siegeln erfüllen Europas Kriterien für ökologischen Landbau. Rainforest Alliance schreibt sich einen fairen Handel, Land- und Forstwirtschaft auf die Fahne.

Aber auch Kaffee ohne Siegel kann nachhaltig sein, erklärt Holger Preibisch vom Deutschen Kaffeeverband. Darüber hinaus bedeutet ein fehlendes Zertifikat nicht automatisch, dass der Kaffee nicht umweltschonend angebaut wurde. »Die Röster wollen flexibel sein, welchen Kaffee sie anbieten«, so der Fachmann. Mal falle eine Ernte wegen Überschwemmungen aus, mal seien die Häfen vor Ort blockiert. Man müsse flexibel sein und manchmal eine andere Röstmischung abpacken als im Vorjahr, so Preibisch. Für den Verbraucher bleibt es ein wenig undurchsichtig.

Der Konsument ist gefragt

Aber nicht nur im Produktionsland, auch auf den weiteren Stationen des Kaffees kann nachhaltig gewirtschaftet werden. Es geht um den Transport, die Verpackung, die Zubereitung. Gerade Letztere ist zu fast 50 Prozent am hohen CO2-Abdruck beteiligt. Hier können die Konsumenten einen entscheidenden Beitrag leisten: Espresso am Frühstückstisch aus der Bialetti ist nachhaltiger, als im Großraumbüro für jeden einzelnen Cappuccino mehrere Liter Wasser eines Vollautomaten zu erhitzen. Energiesparsam sind auch der Handfilter oder die French Press. Gleichzeitig gilt: Große Verpackungen mit ganzen Bohnen sind umweltfreundlicher als Kapseln oder Pads.

Wäre ein radikaler Lösungsvorschlag, in Zukunft einfach auf vier, fünf Tassen Kaffee in der Woche zu verzichten? Holger Preibisch ist da skeptisch: »Kaffee ist so fest in unserer Kultur verankert, dass ein Verzicht – sei er freiwillig oder politisch vorgegeben – nicht einmal vorstellbar ist.« Kaffee erfülle in unserem Alltag die unterschiedlichsten sozialen Funktionen. »Wir trinken eine Tasse Kaffee, um nachmittags nochmals so richtig durchzustarten. Gleichzeitig gönnen wir uns eine Kaffeepause, um runterzukommen«, so Preibisch. Kaffee verbindet: beim Meeting mit wichtigen Geschäftspartnerinnen und partnern, beim Jammern in der Kaffeeküche, beim Reisen über Deutschlands Autobahnen, beim Dinnerabschluss über einer Schale Tiramisu.

Wer oder was kann hier das Wasser reichen? Schon länger versuchen Start-ups, regionalangebaute Kaffeealternativen bekannter zu machen. Denn: Auch aus heimischem Getreide, aus Lupinen oder Eicheln lässt sich ein kaffeeartiges Getränk brühen – mit deutlich besserer CO2-Bilanz. Bisher allerdings nur mit einer überschaubaren Fangemeinschaft. 


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Erschienen in
Falstaff Future 2023

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Nora Voit
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