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Pro und Kontra Kapselkaffee

Die praktischste Erfindung der Neuzeit oder doch nur ein Geniestreich der Werbeindustrie? Wenn es um Kaffee aus der Kapsel geht, scheiden sich die Geister. Soll man umsteigen oder nicht?

Pro Kapselkaffee

Es ist heute kaum noch vorstellbar, welchen Qualen der kaffeeliebende Teil der Menschheit ausgesetzt war, bevor es Kapselsysteme gab. Bei jeder privaten Einladung der bange Blick in die Tasse, in Hotels ein Frühstück ohne den geliebten Kaffeegeschmack von zu Hause, lange Büro-Meetings, in denen der Kaffee nur unwesentlich anders als Abwaschwasser schmeckte. Nur in Italien, da gab es an der ersten Tankstelle nach der Grenze bereits einen Espresso, auf den man sich die letzten 364 Tage hingefreut hatte.

Heute hat jedes anständige Hotel 40 Euro in eine Kapselmaschine im Zimmer investiert, da beginnt der Aufenthalt gleich ganz anders. Und darum geht’s ja auch: sich darauf verlassen zu können, dass der Espresso oder Lungo gut schmeckt. Die Maschinen sind so einfach zu bedienen, dass die höchste intellektuelle Anforderung das Auffinden des Einschaltknopfs darstellt. Das Ergebnis: ein Kaffee, der optisch, geschmacklich und olfaktorisch die Erwartungen erfüllt. Und bei allem Verständnis für das Streben nach Perfektion: Dieses Ergebnis ist bereits so gut, dass man sich fragt, warum man einen höheren Aufwand betreiben sollte. Ohne Kapsel- und Portionssysteme wäre die Menschheit noch immer im kaffeetechnischen Mittelalter! Dafür muss man den Erfindern danken: Sie haben ein Bewusstsein für besseren Kaffee geschaffen, für Sortenvielfalt und Qualität.

Contra Kapselkaffee

Das muss man sich einmal ausmalen: Weltweit werden etwa 12.300 Tassen Kapsel-Kaffee getrunken – pro Minute. Diese Zahl haben keine Umweltschützer ausgerechnet, das sind offizielle Herstellerangaben. Was danach mit der Kapsel passiert, wissen wir: Wertvolles Aluminium, mit hohem Energieaufwand hergestellt, landet nach einem Espresso-Shot auf dem Müll. Will man dabei mithelfen, diese Schrottberge weiter aufzutürmen? Wer Kapselkaffee trinkt, blendet das gern aus. Allerdings muss man fairerweise sagen: Wer sich eine Siebträgermaschine um 2000 Euro und mehr gönnt, muss auch die Stromrechnung dazu bezahlen. Die kleinen Kapselmaschinen brauchen viel weniger Energie. Und zumindest in der Schweiz finden sich vielerorts Rückgabestellen, um leere Alukapseln wiederzuverwerten.

Über die Umweltaspekte lässt sich also streiten, aber haben Sie schon einmal nachgerechnet? Wahrscheinlich nicht. Denn Kapselsysteme laufen nach der Devise »billige Erstanschaffung, dafür mächtige laufende Kosten«. Der Kilopreis liegt teils bei mehr als 80 Euro – hübsch kaschiert durch kleine Designerverpackungen à la Apple. Die Kunden heben dabei maximal eine Augenbraue. Es klingt ja auch toll, sich eine »Limited Edition Grand Cru« zu bestellen, die deutlich besser schmeckt als der Standard. Die Wahrheit ist: Der Mensch strebt nach Erfüllung, indem er Fertigkeiten beherrscht und meistert. Dazu leistet die trottelsichere Kapselmaschine garantiert keinen Beitrag – die Siebträgermaschine schon eher.


Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2019

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Gerald Reitmayr
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