Rund 845 Gramm Senf isst jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr.

Rund 845 Gramm Senf isst jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr.
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Senf: Deutlich mehr als eine Grillsauce

Bereits seit dem 1. Jahrhundert nach Christus wird Senf zubereitet – und die würzige Paste erfreut sich bis heute nicht nur in der Grillsaison großer Beliebtheit. Falstaff hat mit Senfmanufaktur-Betreiberin Simone Seiboth über den besten Senf für den Grillabend und die gesundheitlichen Vorzüge des Gewürzes gesprochen.

Beim gemeinsamen Grillen mit Freunden sind die Deutschen eigentlich experimentierfreudig: Neben dem klassischen Ketchup stehen immer häufiger auch exotische Mango-Chili- und rauchige BBQ-Saucen oder extravagante Chutneys auf dem Tisch. Doch beim Senf lieben es die Grillliebhaber nach wie vor klassisch, wie Simone Seiboth, die seit 15 Jahren ihre Senfmanufaktur im Harz betreibt, erklärt: »Am häufigsten verkaufen wir veganen Senf, den wir nach dem Muster ›Bautz‘ner Senf mittelscharf‹ herstellen, also mit Zucker und Branntweinessig. Der macht etwa 50 Prozent meiner Produktion aus – und die restlichen 50 Prozent verteilen sich auf ungefähr 60 verschiedene Sorten.«

Den Grund dafür sieht Seiboth darin, dass viele Menschen sich beim Grillen einfach auf den altbewährten Geschmack freuen und ein Universalprodukt zu diversem Grillgut haben möchten: »Da weiß man was man hat, das fordert einen nicht so besonders heraus. Damit hat man einen Senf, der neutral ist und überall einigermaßen passt und genauso schmeckt, wie ich es erwarte.«

Simone Seiboth hat dabei freilich mehr Senf im Kühlschrank als die meisten anderen: »Ich habe immer drei bis fünf Sorten im Kühlschrank stehen und probiere die über die Woche hinweg auch immer in unterschiedlichen Anwendungen. Bei mir gibt es für die Verwendung keine festgelegten Regeln, ich bin da ein kreativer Chaot.« Bei ihrer Familie muss sich die Senfexpertin dabei aber gelegentlich für ihre Leidenschaft rechtfertigen: »Die sagen immer: Du mit deinen vielen ›Senf-Sachen‹, aber ich habe da meinen Tick und wenn ich einkaufen gehe, komme ich auch immer wieder mit drei neuen Sorten Senf nach Hause.«

Der optimale Senf für jedes Gericht

Obwohl sich Senf ganzjährig etwa für die Zubereitung von Dressings oder Saucen eignet, hat die würzige Paste zur Grillsaison im Sommer Hochkonjunktur. Während viele Grillfans dabei nur den mittelscharfen Standardsenf im Kühlschrank lagern, sieht es bei Simone Seiboth anders aus. Sie hat sogar einen speziellen Grillsenf kreiert, der die ohnehin positiven Eigenschaften des Senfs noch einmal unterstützt: »Bei mir ist das Grillen häufig mit sehr eiweißreichen Lebensmitteln verbunden – egal, ob ich nun Käse grille oder Fleisch oder Fisch. Für die Leber ist es in diesem Fall immer gut, verdauungsanregende Stoffe zu bekommen. Dafür verwende ich in meinem Grillsenf verdauungsfördernde Kräuter – obwohl Senf durch die enthaltenen Bitterstoffe natürlich ohnehin die Verdauung unterstützt.«

Am Preis kann man nicht unbedingt die Qualität erkennen.

Wer sich nicht mehr mit einem Universalsenf zufriedengeben möchte, für den hat Simone Seiboth allerdings auch noch Tipps, wie man einzelnes Grillgut mit der richtigen Würze noch besser zur Geltung bringen kann: »Es hat sich herausgestellt, dass süßere Senfe, etwa Feigensenf oder Honigsenf, besonders gut zum Berg- oder Ziegenkäse gehen, aber auch zu Wild. Gerade letzteres bringt so einen tollen Eigengeschmack mit und den will ich nicht mit einem branntweinessiglastigen, säuerlichen Senf überdecken.« Für Wildgerichte empfiehlt die Expertin dabei eher einen Honigsenf als einen klassischen süßen Senf, da dieser auch noch eine gewisse Schärfe mitbringt.

Bei veganer Ernährung rät die Senf-Expertin darüber hinaus zu ganz besonderer Vorsicht. So ist beispielsweise nur eine ihrer eigenen Senf-Kreationen komplett vegan, da die anderen mit Honig gesüßt werden. Für strenge Veganer gilt es hier also, ganz besonders auf die Inhaltsstoffe zu achten.

Es gibt große Qualitätsunterschiede

Einen guten Senf können Grillfreunde dabei nicht ausschließlich am Preis festmachen. »Daran kann ich nicht unbedingt die Qualität erkennen«, erklärt Seiboth und rät dazu, immer einen Blick auf die Zutatenlisten auf Senfglas oder -tube zu werfen: »Man sollte vor allem auf das Ende gucken und was da noch kommt, beispielsweise Formulierungen wie ›Gewürze und anderes‹. Damit sind dann Zutaten gemeint, die häufig unter einem Prozent liegen und nicht mehr deklarationspflichtig sind.«

Senf neutralisiert in einem gewissen Maß die krebserregenden Stoffe auf Grillgut.

Seiboth selbst hat sich dagegen zu einer vollständigen Deklaration aller Inhaltsstoffe verpflichtet und setzt bei ihren Senfsorten auf ein ganz besonderes Rezept: »Das ist über 1.000 Jahre alt, von den Ottonen und ich habe es von Archäologen bekommen. Die wussten schon damals den Senf als scharfes Würzmittel sehr zu schätzen, das gegen Magengrummeln geholfen hat, wenn beispielsweise das Fleisch nicht mehr gut war.«

Die gesundheitsfördernde Wirkung von Senf

Neben seiner würzenden Eigenschaft, die besonders während der Grillsaison den Genuss der Speisen auf ein neues Level bringt, wird Senf seit jeher auch eine heilende Wirkung zugesprochen: »Er hilft vor allem gegen Bakterien, Viren und Pilze«, wie Seiboth im Falstaff-Interview erklärt. »Man konnte damit früher auch ein bisschen überreife Speisen noch essbar machen.«

Aber auch bei hohem Besuch, etwa wenn der Kaiser zu Verhandlungen vorbeikam, wurde Senf gereicht: »Da wurde aufgefahren, was die Tafel hergibt – Rebhuhn, Fasan, Wildschwein, Hirsch und vielleicht noch ein paar Forellen – und er musste alles probieren, um seine Gastgeber nicht vor den Kopf zu stoßen. Schnaps konnte er anschließend nicht trinken, wenn er noch Verhandlungen führen musste – also gab es Senf, auch beim König und beim Kaiser

Wenn ich früher schlecht gelaunt von der Schule kam, gab es immer Brot mit Senf und anschließend war die Welt wieder gut.

Heute sind wir dank Kühlschränken und Gefriertruhen natürlich nicht mehr auf diese historische Wirkung von Senf angewiesen, trotzdem kann die Würzpaste auch in modernen Zeiten noch nützliche Wirkung entfalten: »Beim Grillen etwa entstehen Rauchstoffe, wenn das Fett in die Glut tropft. Die können krebserregend sein und schlagen sich dann auf dem Grillgut nieder, manchem ist vielleicht noch der Begriff Acrylamid im Gedächtnis. Beim Genuss des Grillguts mit Senf fängt dieser dank seiner Inhaltsstoffe die krebserregenden Stoffe gleich weg. Er neutralisiert also in einem gewissen Maß die krebserregenden Stoffe.«

Der Weg zum Senf

Obwohl Simone Seiboth zu 90 Prozent vegetarisch lebt, findet sie in ihrem Alltag immer wieder neue Einsatzbereiche, in denen sie ihre Liebe zu dem Gewürz neu ausprobieren kann: »Ich schmiere mir auch gerne mal auf ein gegrilltes Brötchen nur Senf, ich mag es einfach«, erzählt sie lachend und berichtet, dass diese Leidenschaft bereits in ihrer Kindheit von der Großmutter geprägt wurde: »Wenn ich da schlecht gelaunt von der Schule kam, gab es immer Brot mit Senf, das war dann die Streicheleinheit und anschließend war die Welt wieder gut.«

Inzwischen betreibt Simone Seiboth in Quedlinburg im Harz seit rund 15 Jahren eine eigene Senfmanufaktur und bietet Kochkurse mit der gelben Würzpaste an. Ihr Ziel besteht dabei immer darin, die Menschen erleben, erriechen und erschmecken zu lassen, wie toll Senf sich im Mund entwickeln kann.


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Tim Lamkemeyer
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