Die Ausstrahlung einer gut sortierten Weinhandlung wie hier bei »Vinos« in Berlin-Charlottenburg ist durch nichts zu toppen – aber natürlich hat auch der Onlinekauf seine Vorzüge.

Die Ausstrahlung einer gut sortierten Weinhandlung wie hier bei »Vinos« in Berlin-Charlottenburg ist durch nichts zu toppen – aber natürlich hat auch der Onlinekauf seine Vorzüge.
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Weinhandel: Alles neu nach Covid?

Vor zwei Jahren fühlte Falstaff inmitten der Pandemie dem Weinhandel den Puls. Nun ist Zeit für ein Follow-up: Hat Covid den Weinhandel für immer verändert? Und welche neuen Angebote machen die Händler?

Im Dezember 2021 schrieb Falstaff: »Noch nie waren so viele Lieferwagen auf der Straße wie in diesem Jahr: Der Onlinehandel boomt, auch Weinhändler profitieren enorm von Bestellungen per Internet.« Auch nach Ende der Pandemie ist Online stark, in einer aktuellen Umfrage bringt es Katharina Schwefer, Geschäftsführerin im Lübecker Traditionshaus »Tesdorpf«, so auf den Punkt:

Für Wein-E-Commerce waren die Covid-Jahre absolute Boom-Jahre. Dieser Boom ist vorbei. Allerdings ist der Rückgang nicht so stark, dass er auf das Vor-Covid-Niveau zurückfällt.

Höherwertiges

In der Pandemie waren hochpreisige Weine besonders gefragt. Stephanie Döring vom innovativen »Weinladen« skizziert die Entwicklung seither wie folgt: »Der Qualitätsanstieg scheint sich gehalten zu haben, wird jetzt jedoch überschattet von den Kriegsereignissen und wirtschaftlichen Sorgen. Der Qualitätsanspruch ist zwar nicht gesunken, jedoch die Umsätze.« – »Gleichbleibende Umsätze, aber bei geringerer Kundenfrequenz« meldet Jochen Harder von »Weingutwein«, einer klassischen Quartierweinhandlung in Hamburg-Eimsbüttel. »Es kommen weniger Kunden, aber die kaufen hochwertiger ein, der durchschnittliche ­Flaschenpreis ist deutlich gestiegen.«

Gastronomie

Albert Kierdorf von »KierdorfWein«, der stark auf die Topgastronomie fokussiert, hat in der Pandemie profitiert: »Die Gäste in den Toprestaurants gönnten sich nach Aufhebung der Lockdowns ein Vielfaches von dem, was sie sich vorher geleistet hatten. Wie wir aktuell aus der Gastronomie hören, gönnen sich aber gerade diese Gäste nicht mehr so viel wie damals.« Frankreich-Spezialist Sébastien Visentin (»Passion Vin«) erklärt sich den Rückgang des Weinkonsums in den Restaurants auch dadurch, dass seit Corona wieder öfter für Freunde und Familie zuhause gekocht werde. »Dadurch hat sich der Verkauf im Fachhandel entwickelt und in der Gastronomie reduziert.« Insgesamt tränken die Kunden bewusster, und das Interesse an Zusatzinformationen über die gekauften Weine sei nochmals deutlich gestiegen.

»german angst«

»Eine allgemeine Kaufzurückhaltung ist aktuell zu spüren«, berichtet wie fast alle befragten Kontakte auch Geschäftsführer Alexander Wendt von vinos.de. Das beginnende Weihnachtsgeschäft habe dennoch das Interesse an höherwertigen Weinen anziehen lassen. Zudem sehe er für sein Unternehmen Wachstumschancen durch kuratierte Sonderaktionen. Katharina Schwefer von »Tesdorpf« erlebt vor allem das Segment »Fine Wine« als angespannt: »Kunden kaufen weniger als Investment und stärker für den unmittelbaren Konsum.« Heiner Lobenberg von »Lobenbergs Gute Weine« sieht die Lage mit Jahrzehnten der Erfahrung im Rücken als recht robust an:

Der Weinhandel ist zwar anders als während Covid, aber nicht komplett anders als vor Covid. Klar etwas verhalten und reduziert wegen der Krisen. Und wie immer kommt dann auch German Angst hinzu, aber das war erwartbar und ist nicht dramatisch trotz des klaren Rückgangs.

Die Jugend ist die Zukunft

Oft hört man, dass die Jüngeren kaum Wein tränken. Das kann beispielsweise Jochen Harder mit seiner Eimsbütteler Weinhandlung nicht bestätigen: »Meine Kunden sind in den letzten Jahren deutlich jünger geworden, was auch daran liegt, dass viele junge Familien hierher in die Nachbarschaft ziehen.« Stephanie Döring, die mit ihrem Konzept »Wein ohne Dresscode« gezielt auch eine jüngere Klientel anspricht, betont die Wichtigkeit, selbst im Fluss zu bleiben: »Derzeit muss sich vieles verändern, muss neu gedacht werden. Nachhaltigkeit spielt dabei in allen Bereichen eine wesentliche Rolle, um zukunftsfähig zu sein.«


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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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