Felix Schneider verarbeitet in seinem »Sosein« in der Nähe von Nürnberg vorwiegend Produkte aus der Region. Und so zieht er gern in den Wald, um Pilze zu sammeln. 

Felix Schneider verarbeitet in seinem »Sosein« in der Nähe von Nürnberg vorwiegend Produkte aus der Region. Und so zieht er gern in den Wald, um Pilze zu sammeln. 
© Cristopher Civitillo

Regionalporträt: Bayern (Nürnberg/Regensburg)

Im Mittelalter mächtiger als so mancher Landesfürst, sind Nürnberg und Regensburg heute wichtige bayerische Zentren. Auch die Konzentration an Top-Köchen ist erstaunlich hoch.

Im Mittelalter machte das Schlagwort »Stadtluft macht frei« die Runde. Wie auch heutzutage gab es eine Flucht der Landbevölkerung in die Städte, wo sie sich mehr Wohlstand und vor allem Freiheit versprach. Gemeinsam haben Nürnberg und Regensburg, dass sie Anfang des 13. Jahrhunderts zu Freien Reichsstädten ernannt wurden und damit neben vielen Privilegien nur noch dem Kaiser verantwortlich waren. Adieu den Landesfürsten und Bischöfen! Freiheit, Wohlstand und Macht hielten Einzug in die Städte, weil eine bienenfleißige Kaufmannschaft europaweiten Handel trieb.
Nürnberg ist heute nach München die zweitgrößte Stadt Bayerns und zeigt sich auch kulinarisch als eines der wichtigsten Epizentren. Das »Essigbrätlein« gilt zum Beispiel seit vielen Jahren als eines der besten Restaurants Deutschlands. Andree Köthe übernahm es 1989, und 1997 stieß Yves Ollech als kongenialer Partner zum Team.
So schlicht wie die Homepage, so bescheiden wirkt das Gebäude von außen wie innen. Und lange bevor vegetarische Gerichte unverzichtbar für eine Speisekarte wurden, zu Zeiten, als Gemüse nur eine lästige Beilage auf dem Teller war, erhoben es Köthe und Ollech in mutiger Kombination mit Kräutern zum Hauptdarsteller im »Essigbrätlein«. So lauten die Gerichte heute »Lauch mit Kerbel«, »Kohlrabi mit Estragon« oder »Reh mit Sellerie«.

Eine ähnliche kulinarische Konstante in Nürnberg ist das »Wonka«. Christian Wonka und Andree Köthe sind Geschäftspartner, wobei sich Köthe eher als stiller Teilhaber sieht und keinen Einfluss auf die Küche nimmt. Dies tut Kemal Besirevic umso mehr, während Wonka sich seit einiger Zeit verstärkt dem Service widmet. »Gemüse spielt bei uns eine immer wichtigere Rolle«, sagt Wonka, der früher im »Essigbrätlein« gearbeitet hat, und so gibt es vermehrt vegetarische Menüs, in denen mit Tomate, Basilikum und Pinienkernen ebenso souverän gespielt wird wie mit Roter Bete, Feige und Chili. Fleischliebhaber greifen dann aber doch ganz gern zum Reh, das von Brombeeren und Perlgraupen begleitet wird.

Etwas außerhalb der Altstadt tischt seit Frühjahr 2016 Stefan Meier im »ZweiSinn Meiers Fine Dining« auf. Meier hat sein Handwerk bei Juan Amador, im »Louis C. Jacob« und bei Johanna Maier in Filzmoos gelernt und zeigt mit Zander, Bohnen, Ka­­mille, Ananas und Röstzwiebeln, dass nicht nur seine etablierten Nürnberger Kollegen experimentierfreudig in ihren Kombinationen sind. 
Zwei Jahre früher hat sich Fabian Denninger mit den »Entenstuben«, nur wenige Autominuten von der Altstadt entfernt, seinen Traum von der Selbstständigkeit erfüllt. Geprägt wurde Denninger durch seine Station bei Helmut Thieltges. Das hindert ihn aber nicht daran, seine Teller etwas mutiger zusammenzustellen, als der Altmeister es tat. Der fränkische Rehrücken erhält somit Joghurt, Rauke und Rote Bete als Partner.Bevor wir die Stadtgrenze verlassen, darf ein Ausflug zu den berühmten Nürnberger Rostbratwürsten nicht fehlen, man begegnet ihnen in der fränkischen Stadt an fast jeder Ecke. In der »Historischen Bratwurstküche Zum Gulden Stern« werden sie auf einem Buchenholzgrill zubereitet und mit Laugenbrezel und Sauerkraut serviert. 

Stippvisite in Regensburg

Nur wenige Kilometer von Nürnberg entfernt hat Felix Schneider in einem gemütlichen Landgasthof seine Wirkungsstätte. Luxusprodukte sucht man hier, im »Sosein«, vergeblich auf den Tellern. Gemüse kommt aus dem eigenen Garten, und die Natur der Umgebung versorgt Schneider mit Kräutern. Den Stör kombiniert er mit Navetten und Backschinken und das Gänseeisbein mit ­Erbsen. Blüten oder Liebstöckel tauchen auch in den Menüs auf, und der in Deutschland selten verwendete Nacken vom Schwein wird mit Kimchi und Kräutern verfeinert.
Der »Keidenzeller Hof« klingt herrschaftlicher, aber auch hier wird der Gast von einer ländlichen Idylle empfangen. Martin Krimmers Küche ist, wie die der Kollegen in Nürnberg, von Gemüse geprägt. Die Jakobsmuschel serviert er mit Kohlrabi und Miso und die Bachforelle mit Holunderblüte und Gurke. Klassischer das Lamm mit Kirschen und Pfifferlingen und vegetarisch das Risotto mit Reblochon und Avruga-Kaviar.
Wir verlassen das Frankenland, besser gesagt Mittelfranken, und wechseln in die Oberpfalz. Sie merken, der Bayer nimmt es genau mit seinen Landsmannschaften. Dort erwartet uns Regensburg, die Stadt mit den Geschlechtertürmen, die der Toskana-Reisende bestens kennt. Als Anton Schmaus mit seinem Restaurant »Storstad« 2014 durchstartete, galt er als Shootingstar. 

Aber auch schon im »Historischen Eck« gegenüber hatte er sich einen Namen erkocht. »Storstad« ist das schwedische Wort für Großstadt. Skandinavisch-minimalistisch mit klaren Linien ist auch sein Restaurant im 5. Stock des berühmten Goliath-Hauses mit einem herrlichen Blick über die Dächer der UNESCO-Stadt. Schmaus liebt den Einsatz von Obst in seinen Hauptgerichten, das sorgt für Frucht und Säure wie beim Steinbutt, den er neben Steinpilzen mit grünem Apfel und Haselnuss kombiniert. Oder Elch mit Bete, Champignons und Stachelbeere. Man darf Deutschlands Fußballkicker beneiden, denn im August löste Schmaus Holger Stromberg als Chefkoch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ab.

Von der Altstadt Regensburgs spazieren wir zur Donau und statten Mario Parnitzke einen Besuch ab. Die »Silberne Gans« ist seine Bühne, er bezeichnet seine Küche als klassisch, puristisch und modern. Parnitzke hat sein Handwerk noch basierend auf der französischen Küche klassisch erlernt. Auf seine Teller kommen ganz puristisch nicht mehr als drei Komponenten, was das Chaos am Gaumen, das der eine oder andere junge Kollege mit bunt zusammengestellten Tellern verursacht, vermeidet. 
Einflüssen aus anderen Küchen verschließt sich Parnitzke nicht. So lauten seine Gerichte Schwertfisch mit Pak Choi und Zitronengrassaft oder Karree vom Sattelschwein mit Rosmarin, Parmesanrisotto und Ingwer- Karotte. Wir würden uns mehr solche Restaurants wünschen, die abseits der Trends ihrem Stil treu bleiben, auch wenn dieser für moderne Gourmets vielleicht etwas »old fashioned« anmutet.

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2017

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Frank Hidien
Frank Hidien
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