Marie Rausch ist Top-Bartenderin, Cocktail-Kreateurin und Kräuterpädagogin. Falstaff erzählt sie, wie das ihre Drinks beeinflusst.

Marie Rausch ist Top-Bartenderin, Cocktail-Kreateurin und Kräuterpädagogin. Falstaff erzählt sie, wie das ihre Drinks beeinflusst.
© Marie Rausch

Cocktails aus dem Kräutergarten: Wie Marie Rausch kräuterpädagogische Drinks kreiert

Sie gilt als eine der einflussreichsten Bartenderinnen Deutschlands, wurde von Falstaff als Barfrau des Jahres 2019 gewürdigt und ist ein nie versiegender Quell an liquider Kreativität: Marie Rausch. Falstaff hat sie verraten, was hinter ihrem neuen »Rotkehlchen« in Münster steckt und was sie als frischgebackene Kräuterpädagogin auf dem Zettel hat.

Falstaff: Vor einiger Zeit haben Sie das »Rotkehlchen«, da Sie mit ihrem Mann zusammen betrieben und zu einem echten Hot Spot des Cocktail-Dinings gemacht haben, geschlossen. Das hat im Herbst 2021 ein echtes Loch in die Gastrolandschaft gerissen. Glücklicherweise ging es 2022 aber doch weiter – mit einem etwas anderen Konzept. Was hat sich im »Rotkehlchen« seitdem verändert?

Marie Rausch: Ja, wir mussten damals aus gesundheitlichen Gründen von heute auf morgen die Reißleine ziehen und haben dann ein gutes halbes Jahr erstmal geschaut, ob sich das bessert und wir danach nochmal den Schritt in die Selbständigkeit wagen wollen. Diese Zeit haben wir aber auch als Kreativpause nutzen können. Verändert hat sich daher auch einiges. Wir haben in unserem Restaurant einen kleinen Feinkostladen integriert, arbeiten heute fast ausschließlich im Tagesgeschäft von 11 Uhr bis 19.30 Uhr und kooperieren noch stärker mit regionalen und lokalen Lieferanten – besonders im Bereich der Spirituosen. Klar kannst du nicht komplett ohne internationale Liquids arbeiten, aber wo es geht, greife ich auf lokale Angebote zurück. Zudem kommt jetzt durch die vielen Wildkräuter, die wir verwenden, eine sehr ausgeprägte, saisonale Komponente hinzu. An der Grundidee, gutes Essen und gute Drinks zu servieren, hat sich aber nichts geändert. Bis vor Kurzem hatten wir zudem einen kleinen »Slow Flower« Blumenladen mit dabei. Das war wunderschön, da die Blumen in der Umgebung angebaut werden und es so super zu unserem Gedanken der Regionalität gepasst hat. Was man dann aber auch lernt: Blumen mögen im Winter andere Temperaturen als Menschen. Das war manchmal etwas problematisch – und kalt. Aber dadurch haben wir jetzt wieder Platz für eine kleine Bar, die wir gerade wieder einbauen. Es soll aber eher eine Speakeasy-Bar werden, dann durchaus auch mal wieder mit Abendbetrieb.

Sie haben die Zeit nicht nur zur Weiterentwicklung des »Rotkehlchens« genutzt, sondern auch zur Weiterbildung. Sie sind jetzt Kräuterpädagogin. Was hat es damit auf sich?

Richtig, ich habe eine einjährige Ausbildung gemacht und habe mich darin intensiv mit den unterschiedlichen Wirkstoffen, den Pflanzenfamilien und wie man sie nutzen kann beschäftigt. Das war mir extrem wichtig, denn wir Bartender benutzen mehr und mehr Wildkräuter in unseren Drinks, kennen uns aber nicht wirklich damit aus, ob es vielleicht irgendwelche Wechselwirkungen von Kräutern untereinander gibt oder in welchen Dosierungen wir das überhaupt nehmen dürfen. Du kannst nicht einfach alles in den Rotationsverdampfer stecken, weil du da dann vielleicht ganz andere Wirkstoffe extrahierst als beabsichtigt. Da wusste ich einfach selbst zu wenig, Bartender sind eben keine Biologen, keine Chemiker. Das wollte ich ändern. Zudem ist es für mich ein wunderbarer Ausgleich zum Alltag, wenn ich zum Kräutersammeln in der Natur unterwegs bin. Ich sammle aber nicht nur für mich und meine Drinks, sondern auch für unsere Küchencrew. Zudem durfte ich mittlerweile auch schon für Monkey 47 Schulungen in dem Bereich geben.

Was vermitteln Sie in diesen Workshops genau?

Was total spannend ist, sind z.B. die Aromen der Nadelbäume, von denen jeder einen anderen Zitrusgeschmack mitbringt. Douglasie schmeckt nach Orange oder, je nach Standort, auch nach Mandarine. Dafür ist auch die Weißtanne bekannt. Fichte wiederum liefert sehr intensive Zitronennoten.

Wie fängt man diese Aromen am besten ein?

Marie Rausch: Am besten arbeitet man mit den jungen Nadeln, die haben den intensivsten Geschmack. Diese kann man dann z.B. mit dem Thermomix fein zermahlen und dann die jeweilige Flüssigkeit dazugeben. Ich verwende hierfür oft einen lokalen Doppelwacholder als Basis, aber das Ganze funktioniert auch in Zitronensaft, mit dem du sehr viel Chlorophyll rausbekommst, vor allem, wenn man den Saft vorher einfriert und ihn dann so kalt wie möglich mit den Nadeln vermengt. Dann bekommt man ein sattgrünes, Zitronen-Nadelbaum-Konzentrat. Das geht aber auch mit Zuckersirup. Wichtig ist nur: immer vorher einfrieren, damit die grüne Farbe erhalten bleibt. Ansonsten wird es sehr schnell braun.

© Einblickfotografie

Falstaff: Das neu erworbene Wissen als Kräuterpädagogin ergänzt jetzt also perfekt das Knowhow aus der Bar…

Marie Rausch: Genau, und das macht enorm viel Spaß. Ich habe kürzlich auch zusammen mit einer Biologin einen Onlinekurs mit dem Namen »Botanik im Glas« veranstaltet, den es auch dieses Jahr wieder geben soll. Damit sprechen wir sowohl Menschen aus dem Kräuterbereich als auch interessierte Bartender an. Es geht ums Mixen einerseits, aber auch um das nötige Pflanzenwissen und darum, was man braucht, um beides zusammenzuführen.

Lassen sich diese Kräuteressenzen auch an der Homebar einsetzen? Haben Sie einen Tipp, wie man sich diesem Thema einfach nähern kann?

Am besten man entscheidet sich für drei bis fünf Kräuter pro Jahr, mit denen man sich eingehender beschäftigt, damit man sie sicher erkennen kann und sie nicht verwechselt. Recht einfach geht das mit Löwenzahnblüten, die eigentlich jeder kennt. Daraus kann man einen wunderbaren Löwenzahnhonig machen und die Farbe extrahieren, indem man es einfach in lokalen Honig einlegt und ziehen lässt. Man kann Kräuter und Blüten aber auch ganz einfach in Zucker einlegen und vakuumieren, ähnlich wie bei einem Oleo Saccharum (Ölzucker), oder Sirupe kochen.  Spannend sind hierfür auch Mädesüß, das einen sehr intensiven Marzipangeschmack hat, oder Schlehenblüte, die auch Marzipan, vor allem aber das Florale mitbringt. Es braucht also nicht immer gleich den Rotationsverdampfer, man kann sehr bodenständig arbeiten. Mancherorts lässt sich auch mit invasiven Arten etwas machen. Bei uns in Münster wuchert beispielsweise Japanknöterich und Japanische Zierquitte überall. Die sind beide supersauer, d.h. man kann Zitronensäure durch diese Pflanzen ersetzen.

Vor der Schließung war das »Rotkehlchen« überregional für sein grandioses Foodpairing mit begleitenden Cocktails bekannt. Wollt ihr das in Zukunft wieder anbieten?

Das ist erstmal nicht als festes Element geplant. Was aber kommt, ist ein gemeinsames Event im Sommer mit Sternekoch Anton Schmaus, dessen Menü ich mit den passenden Drinks begleiten werde.

 


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Alexander Thürer
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