Die Port Ellen Distillery auf Islay ist eine von zuletzt drei namhaften Brennereien, die ihre Stills wieder in Betrieb nahmen.

Die Port Ellen Distillery auf Islay ist eine von zuletzt drei namhaften Brennereien, die ihre Stills wieder in Betrieb nahmen.
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Das Ende der Stille: Wie eigentlich verlorene Whisky-Brennereien zurückkehren

Die Geschichte hat es nicht immer gut gemeint mit den schottischen Brennereien. Besonders in den 80er Jahren schlossen viele für immer ihre Pforten. Doch der Boom der letzten Jahrzehnte hat nicht nur viele neue Produktionsstätten hervorgebracht, sondern auch einigen der Silent Distilleries neues Leben eingehaucht. Brora, Port Ellen und Rosebank sind die neuesten Wiedergeborenen.

Die Geschichte des schottischen Whiskys ist eine mit vielen Höhen und Tiefen und man muss nicht einmal allzu weit zurückblicken, um auf den letzten großen Aderlass der schottischen Whisky-Industrie zu treffen. Sicherlich gab es auch zuvor schwierige Jahre, aber die Auswirkungen der großen britische Rezession von 1979 bis 1982 sind bis heute spürbar. Eine hohe Arbeitslosigkeit, knappe finanzielle Mittel, Löhne, die pro Woche ausgezahlt wurden, Waren des täglichen Bedarfs, die auf Raten gekauft werden mussten… die Wirtschaft lag am Boden und mit ihr auch viele der auch damals schon namhaften Brennereien.

Mancher Whisky-Fan kann sich das bei dem Hype, der heute um Marken wie »Ardbeg«, »Glenfiddich« oder »Springbank« betrieben wird, kaum vorstellen, aber diese heutigen Schwergewichte waren beileibe nicht die einzigen, die in dieser Zeit ihre Pforten schlossen. Selbst, als es mit der lokalen Wirtschaft wieder aufwärts ging, ereilte noch bis in die 90er-Jahre hinein einige Destillerien dieses Schicksal. Eine der bekanntesten dürfte dabei sicherlich die »Bruichladdich Distillery« auf Islay sein, die zwischen 1993 und 2000 geschlossen war. An ihrem Beispiel ist aber auch zu erkennen, dass eine Schließung nicht zwangsläufig das endgültige Aus bedeuten muss, denn sie folgen am Ende eben lediglich den Erfordernissen des Marktes. Trifft Überproduktion auf sinkende Nachfrage, wie es in der Geschichte des Scotch schon öfter der Fall war, ist die Schließung einiger Brennereien eine unvermeidbare Konsequenz. Das führt dann wiederum zu einer Verknappung des Angebots und steigt später die Nachfrage wieder, sind Investitionen in Produktionskapazitäten plötzlich wieder lukrativ – und das Spiel beginnt von Neuem.

Die Freuden des Sammlers

Für Sammler hat dieses ständige Auf und Ab jedoch auch positive Seiten, denn Abfüllungen geschlossener Brennereien oder Whiskys aus der Zeit vor deren Wiedereröffnung, die sich im Stil von den heute erhältlichen Qualitäten durchaus gravierend unterscheiden können, sind das Salz in der Suppe vieler Fans und lassen nicht wenige von ihnen von der »guten, alten Zeit« schwärmen. Vor allem heute, da wir uns in einer Hausse des Single Malts befinden, in der viele Brennereien die Nachfrage nur mit jüngeren oder NAS-Abfüllungen bedienen können und neue Brennereien wie Pilze aus dem Boden schießen, scheint ein Blick in die Vergangenheit besonders reizvoll. Dieser hat aber auch seinen Preis, denn heute, nach gut 30 Jahren, sind alte Whiskys sehr selten und solche, die vor den 1980er Jahren abgefüllt wurden, werden oft zu astronomischen Preisen gehandelt.

Der Boom erweckt die Totgesagten

Gerade deshalb dürfte es viele Kenner und Genießer freuen, dass drei lange Zeit schmerzlich vermisste Destillerien nun wieder ans Netz gingen. Den Anfang machte 2021 die in den Highlands beheimatete »Brora Distillery«, die 1983 ein Opfer der Rezession geworden war. Seit gut drei Jahren wird hier wieder produziert, doch auf die ersten neuen Whiskys wird man trotzdem noch ein wenig warten müssen. In der Zwischenzeit bleibt nur das Schwelgen in Erinnerungen (wenn man denn das Glück hat, eine der alten Abfüllungen zu ergattern). Gleiches gilt für die kürzlich wiedereröffnete »Port Ellen Distillery« auf Islay, bei deren Reopening es aber zumindest einen Newmake zu verkosten gab. Im Juni wiederum soll mit der 1993 geschlossenen »Rosebank Distillery« in Falkirk ein drittes Sehnsuchtsobjekt der Scotch-Szene den letzten Schritt ihrer Wiedereröffnung vollziehen. Sie fiel damals als eine der letzten Lowland-Brennereien dem wachsenden Trend zu Highland-Whiskys zum Opfer, produziert seit einem knappen Jahr wieder Alkohol und in wenigen Wochen sollen nun auch wieder Brennereibesuche möglich sein. Wann es die ersten Abfüllungen geben wird? Unbekannt.

Gefahr für junge Brennereiprojekte?

So erfreulich diese Entwicklung auch ist und so gespannt man auf die neuen Whiskys der »Alten« sein darf, so bleibt doch am Ende die Frage, was das für die vielen Neugründungen bedeutet, deren Marke noch keine große Bekanntheit erlangt hat und die sich ihr Stück vom Kuchen erst hart werden erkämpfen müssen. Der Alkoholmarkt im Allgemeinen ist kein Wachstums-, sondern ein Verdrängungsmarkt. Das bedeutet, der Kuchen wird für alle nicht größer, nur der Wettstreit um die Anteile wird härter – besonders für junge Brennereien. Denn eines dürfte allen (vor allem aber den investitionsfreudigen Konzernen wie Diageo, dem Eigentümer von Brora und Port Ellen) klar sein: Wenn Endkunden schließlich vor der Entscheidung stehen, welchen Whisky sie ausprobieren möchten, den jungen Unbekannten oder den jungen Wiederbelebten mit großer Historie, dürften viele zu den lange vermissten Marken greifen. Man wird also abwarten müssen, wie viele neue und alte Destillerien der Markt für schottischen Whisky noch verträgt. Ein Ende des Investitionswillens ist jedenfalls noch nicht in Sicht – sehr zur Freude der Whisky-Fans.


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Alexander Thürer
Alexander Thürer
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