Ganz schön im Öl, diese Steiermark, und das hat so gar nichts mit Halloween-Partys zu tun. Dieses Land macht aus Orange Grün.

Ganz schön im Öl, diese Steiermark, und das hat so gar nichts mit Halloween-Partys zu tun. Dieses Land macht aus Orange Grün.
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Das grüne Gold der Steiermark: Kürbiskernöl

Nicht weniger aussagekräftig als ein Fingerabdruck und garantiert bedeutender als simples Salatöl: Das Kürbiskernöl zählt zu den erlesenen Schätzen der Steiermark. »Do bin i her.« – Herkunft as it’s best.

Man muss sich echt zusammenreißen, um diese Geschichte nicht direkt mit der Liedzeile der weststeirischen Pagger-Buam-Kombo zu beginnen. Ihr kerniges Bekenntnis zur Steiermark ist derb-dialektgefärbt und gleichzeitig triefend grün. »Böll Böll Kernöl« bellt (umgangssprachlich »böllt«) es auf gut Steirisch seit geraumer Zeit landauf landab aus den Lautsprechern der Zeltfeste und Heimatsender. Drei Wörter, die als Liebeserklärung an die Steiermark scheinbar unüberhörbar funktionieren und abzüglich jeglichen Augenzwinkerns herzerfrischende Realitätsreferenz sind.

Steirische Lebensart

Steirisches Kürbiskernöl g.g.A., vulgo Kernöl, aus sonnengereiften Kürbissen hergestellt, trägt so viel zur steirischen Lebensart bei wie Arnold Schwarzenegger seinen Fans zufolge zu Terminator: schlichtweg alles. Allein schon beim Gedanken an Rindfleischsulz mit Kernöl gerät Hans Peter Fink ins Schwärmen. In seinem Wirtshaus »Haberl« zwischen Ilz und Riegersburg kocht der Steirer schon seit Jahrzehnten kreativ-weitblickend mit der Bodenständigkeit um die Wette. Steirisches Kürbiskernöl g.g.A ist für ihn weitaus mehr als ein kulinarischer Fußabdruck in der Salatschüssel.

Zwei Liter verbrauchen wir im Betrieb durchschnittlich pro Tag. Wir verwenden ausschließlich das Kernöl, das direkt von unseren Nachbarn, der Familie Orthofer, stammt«
Hans Peter Fink

Für seine Kreationen, wie pochiertes Schweinefilet mit Kernöl-Kürbiscreme, Schafkäsepralinen mit Kren-Paradeiser und Kernöl-Salsa oder weißer Heilbutt mit Kürbisblüte, Kernöl-Pesto und Kapuzinerkresse, möge der Weg vom Acker in die Flasche, und fortführend auf den Teller, möglichst kurz sein. Ein kurzer Lieferweg ist jedoch nicht das einzige urwüchsige Qualitätsmerkmal.

1996 hat die EU-Kommission für das Steirische Kürbiskernöl die geschützte geografische Angabe »Steirisches Kürbiskernöl« genehmigt. Mit dem Kürzel »g.g.A.« garantiert man seither Reinheit aus hundertprozentiger Erstpressung von heimischen Kernen. Echter Herkunftsschutz für eine erlesene Spezialität, die jährlich ein Kürbiskernöl-Championat zur Prämierung der besten Kernöle des Landes hervorbringt. Heimische Spitzenköche fungieren dabei als Juroren.

Auch Fink ist regelmäßig mit von der Partie. »Kernöl muss grasig grün sein, keinesfalls rostbraun. Am besten, man verkostet das Öl auf einem Teller, um auch die Viskosität zu überprüfen. Wir lieben es dickflüssig mit einem gewissen Salzgehalt«, erklärt der Profi.

No-Gos bei der Verwendung in der Küche?

»Ich wollte mit Essigbaron Alois Gölles einst eine Co-Kreation von Balsam-Essig und Kernöl im Zerstäuber anbieten. Der Versuch ist gescheitert.« Eierspeis liebt die flüssige Kernessenz. »Aber auch nur dann, wenn man das Öl nicht zu stark erhitzt«, mahnt der Haubenkoch. Denn aufgrund der vielen ungesättigten Fettsäuren hat Kernöl einen frühen Rauchpunkt.

Gaumenschmeichler

Nahe Graz konfiert Kochkollege Daniel Edelsbrunner Waller in Kernöl und serviert den Fisch mit Apfelkren und Rettich. Privat hält er es simpler: »Rohes Sauerkraut, gehackte Zwiebel, Knofi, Kernöl − dazu ein frisches Bauernbrot und ich bin glücklich«, lächelt das Mitglied der kulinarischen Vereinigung »47° rare styrian cuisine«. Seit rund zwei Jahrzehnten wird Edelsbrunners »Restaurant Kupferdachl« von Familie Esterer, die in Feldkirchen seit 1897 eine Ölmühle betreiben, beliefert. »Obwohl wir in unserem Ort Premstätten quasi mehr Kernölproduzenten als Bürger haben, weichen wir aufgrund der Top-Qualität und Verlässlichkeit in den Nachbarort aus.«

Gepresst wird dort mit einer Stempelpresse in kleinen Chargen und ohne zusätzliche Hitzeeinwirkung oder Reibungswärme. Ein Vorgang, der den wärmeempfindlichen Kürbiskernen schmeichelt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts begann man auch im südsteirischen Familienunternehmen »Kiendler« mit der Gewinnung von Öl aus steirischen Kürbiskernen. 350 Tonnen Kerne g.g.A. werden laut Geschäftsführer Ulrich Kiendler jährlich verarbeitet, seit 2021 setzt man auch auf Bioqualität und exportiert bis nach Taiwan und Australien. »Aufgrund des engmaschigen g.g.A.-Herkunftskontrollsystems müssen alle relevanten Eckpunkte entlang der Produktionskette aufgezeichnet werden. Wir haben uns gedacht, wieso zeigen wir unseren Kunden nicht noch einen umfassenderen Blick hinter die Kulissen. Dank unserem Kernöl-Tracker können Konsumenten auf jeder Flasche rückverfolgen, von welchem Kürbisbauern die Kerne in seinem Öl stammen.«

Alles Kernöl

Manch Steirer fühlt sich ohne Kernöl so verloren wie Pommes ohne Ketchup, Bier ohne Schaum oder Kaffee ohne Koffein. Die Grazerin Gloria Wolkerstorfer zählt sich zu jenen Menschen. »Die Steiermark schmeckt für mich vielseitig – von einem vollmundigen Eierschwammerl-Wildragout über zimtig-warmen Apfelstrudel bis hin zu einem Teller herb-pikantem Vulcano-Schinken zu frischen Trauben und rahmigem Käse. Zum Nachtisch muss es Vanilleeis mit Kürbiskernöl und ein Espresso mit einer Steirerkugel sein.« Steirerkugel? »Salzburg hat seine Mozartkugeln und Wien seine Manner Schnitten. In der Steiermark fehlte mir dieses Signature-Mitbrinsel. Deshalb habe ich beschlossen, ganz einfach selbst Steirerkugeln zu entwickeln», konstatiert Wolkerstorfer.

Hauptberuflich in der Schweiz als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich künstliche Intelligenz zur Analyse von Biomedizindaten tätig, hat die Schokoladeliebhaberin in den letzten beiden Jahren als Start-up 10.000 Pralinen in Kooperation mit Confiseur Uwe Dengel produziert. In die Steirerkugel – eine Edel-Schokoladenkugel, gefüllt mit gerösteten Kürbiskernen und deren steirischem Kürbiskernöl g.g.A. – kommt nur Kernöl von Andreas und Karin Kainz aus Wolkerstorfers Heimat Wundschuh bei Graz. Derzeit betreibt sie ihr Unternehmen »Gloria Pralinen« parallel zu ihrem Doktorat, doch das dürfte sich bald ändern. Die Steirerkugel soll ins Rollen kommen. »Mir ist es vor allem wichtig, dass wir Steirer unsere wunderbaren Ressourcen, wie etwa das Kürbiskernöl in der Steirerkugel, weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen. Derzeit wohne ich in Zürich und von gutem Kernöl haben die hier noch nichts gehört.«

Exotisch geht’s in der »Ölmühle Labugger« zu – hier wird das grüne Gold in Form kleiner, flüssig gefüllter Perlen mit nussigem Geschmack schlichtweg zu Kernöl-Kaviar. Der Grazer Weltenbummler Robert Horvath setzt noch eines drauf und hat aus Kernöl Hochprozentiges kreiert. Sein klares Destillat erinnert in der Nase tatsächlich an Salat mit Kernöl. Für noch mehr steirisch-grünen Military-Sprenkel auf weißen Hemden und Blusen schaut man am besten im Kernölmuseum in Heimschuh vorbei oder kehrt bei einem der 24 Ölspur-Wirte ein. Und spätestens beim traditionellen »Tag der offenen Kernölpressen« brennt sich der frische Kürbiskernduft ohnedies in die Seele ein.

Championsleague Kürbiskernöl

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Qualität des »Steirischen Kürbiskernöls g.g.A.« gesteigert und das Kernöl aus der Steiermark hat einen wahren Siegesszug in die Gourmetwelt angetreten. Dazu beigetragen hat auch die jährliche Landesprämierung, bei der über 500 Öle zur Prämierung eingereicht werden. Um in die »Champions League« aufgenommen zu werden, durchlaufen alle teilnehmenden Öle eine strenge Prüfung.

Nach der sensorischen Bewertung, bei der jede Kürbiskernöl-Probe anhand definierter Bewertungskriterien beurteilt wird, erfolgt eine Bewertung der Farbe. Auch die wissenschaftliche Rückstandsanalyse im Labor und die Etikettenprüfung nach den aktuell gültigen Vorschriften der Lebensmittelkennzeichnung sind Kriterien, um in die höchste Liga der Kürbiskernöle aufgenommen zu werden. Durchgeführt wird diese Qualitätsprüfung in der staatlich akkreditierten Prüfstelle im Institut Dr. Franz Siegfried Wagner. Und nur die besten Kürbiskernöle dürfen dann beim »Kürbiskernöl-Championat« teilnehmen.

Gütesiegel

Die weiß-grüne Banderole ist das »Erkennungszeichen« für kontrolliertes, echtes »Steirisches Kürbiskernöl g.g.A« und die fortlaufende Kontrollnummer am Verschluss oder Etikett gibt den Kundinnen und Kunden zusätzliche Sicherheit. Ein besonderes Service ist seit vielen Jahren die »Banderolen-Abfrage«, bei der mit der Eingabe dieser Kontrollnummer auf der Website steirisches-kuerbiskernoel.eu die Betriebe angezeigt werden, die dem strengen Gütesiegel entsprechen. Man sollte aber immer zumindest darauf achten, dass die Flaschen beim Kauf im Geschäft das blau-gelbe EU-Logo tragen, das gewährleistet, dass das Öl aus der Europäischen Union kommt, dem EU-Herkunftsschutz unterliegt und kontrolliert wurde. Dann steht dem Genuss des »Grünen Goldes« eigentlich nichts mehr im Wege.


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Erschienen in
Steiermark Special 2023

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Tina Veit-Fuchs
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