Als eines der »Hopfen-Bundesländer« kann die Steiermark auf die Sorte »Styrian Golding« zurückgreifen – international auch für Ales beliebt!

Als eines der »Hopfen-Bundesländer« kann die Steiermark auf die Sorte »Styrian Golding« zurückgreifen – international auch für Ales beliebt!
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Hopfen-grüne Mark: Die kreative zeitgenössische Brauszene der Steiermark

Österreichs beliebteste Biere sind grün-weiß. Die zeitgenössische Brauszene der Steiermark auf den »Blockbuster« Märzen zu reduzieren, greift aber zu kurz. Denn die Kleinbrauer setzen auf ganz besondere Biergewürze.

Es mag größere »Bier-Bundesländer« geben, doch nicht die Anzahl der Brauereien, sondern die Beliebtheit ihrer Kreationen ist der in Krügerln gewertete Maßstab. Denn unter den 52 grün-weißen Braustätten findet sich mit Gösser auch die Heimstatt der meistverkauften Biermarke Österreichs. Auf diesen Lorbeeren ruht man sich aber nicht aus. »Ein ausgewogener Lebensstil mit bewussterem Alkoholkonsum wird für viele Menschen immer wichtiger. Bei Bier greift man besonders gerne zu gut trinkbaren und gleichzeitig auch etwas leichteren Bieren«, begründete Michael Wallner (Marketingdirektor, Brau Union) etwa die Einführung von »Gösser Helles« mit seinen 4,4 Volumenprozent. Die legere Märzen-Alternative war die Innovation 2023 der Leobener Brauer.

Platzhirsche sind National »am Zug«

Ganz der Tradition – auf dem Zusammenschluss von Reininghaus am Steinfeld mit dem Braustandort in Puntigam 1947 fußend – verschreibt sich hingegen der zweite grün-weiße Platzhirsch. Mit dem »Galobierer« kann man im Zeichen von »Puntigamer« wie Anno dazumal mit der Brauereipferd-Kutsche in Graz ausfahren. Etabliert hat sich aber auch die »Bier-Bim« im Straßenbahnnetz der Hauptstadt. Mittlerweile erweiterte man das Erlebnisangebot um Bierseminare im »Flascherlzug« nach Stainz. Die bierige Pointe dabei: Wo einst Patienten Urinproben zum Wunderdoktor Höllerhansl brachten, frönt man heute lieber der Flüssigkeitsaufnahme aus den Flaschen mit dem steirischen Panther.

Apropos Bahn: Salomonisch wird der Richtungsstreit zwischen »Punti-Trinkern« und »Gösserianern« in den Railjets der ÖBB entschieden. Unter den jährlich bestellten 1,1 Millionen Bieren in den von »DoN’s« betriebenen Speisewägen sind beide Marken zu finden. So steht in jedem Fall das »Made in Styria« über der ersten Begegnung vieler Touristen mit der heimischen Braukultur.

© Karl Pürer

Brauwasser aus dem Heilbrunnen

Zu den vertriebsstarken Biermarken gehört auch das ungleich jüngere »Thalheimer«. Fünf Jahre feierte die Brauerei in Pöls-Oberkurzheim 2023, die Murtaler Produktionsstätte wurde noch von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ins Leben gerufen. Die Brauspezialitäten entstehen dabei aus den sieben Quellen des historischen Thalheimer Schlossbrunnens, an dem sich schon Römer und Kreuzritter labten. Dass sich das lithiumreiche Nass überhaupt zum Brauen eignet, bedurfte langer Vorarbeit und Versuche, denn die mineralische Härte ist eher der Feind des Braumeisters. Dank des Beharrungsvermögens zeigt man sich bei Pils und Märzen innovativ und braut nun, dem »Boden-Schatz« sei Dank, »als einziges Bier weltweit«, wie man stolz erwähnt – mit einem Heilwasser. Und selbst beim Radler sagen die Pölser, seien es durch die Verwendung von Zitronenlimonade mit besonders hohem Fruchtsaftanteil nur natürliche Zutaten.

Damit steht man in einer Reihe mit vielen anderen Kreativbrauern der »grünen Mark«, die sich allesamt von der Natur inspirieren lassen. Ein Paradebeispiel dafür ist die oststeirische Brauerei Alois Gratzers. »Der Vorteil bei einer Brauerei liegt in der geringen Zutatenliste von Wasser, Gerste, Hopfen und Hefe«, so der Braumeister. Man muss sie allerdings auch möglichst regional nutzen. Bei Gratzer bedeutet das etwa, die Gerste von Bauernhöfen um Kaindorf zu beziehen: »Wir sind bereit, ihnen um über 60 Prozent mehr zu bezahlen« – allerdings müsse dafür auf exzessiven Düngereinsatz verzichtet werden, lautet der Deal mit dem nachhaltigen Brauer.

Reisbier und Verbenen-Pilsner

Wobei es nicht einmal immer Gerste sein muss. Für Sonderfüllungen kommen in Feldbach auch Reis aus Klöch oder Mais aus Kirchbach in den Sudkessel. Lava Bräu im Stadtteil Auersbach beendete vor 21 Jahren die seit 1936 währende »trockene« Phase der alten Braustadt. An die historischen Vorgänger schlossen Roman Schmidt und Braumeister Jakob Marn heuer mit dem »Stadtbier« an – einem naturtrüben Lager mit Retro-Etikett. Immerhin befindet sich sogar das Feldbacher Rathaus in der neugotischen Villa der »Gräfin vom Raabtal«, wie man die Chefin der Brauerei-Dynastie um 1900 ehrfürchtig nannte. Wer mehr vom bierigen Innovationsgeist des Vulkanlandes kosten will, findet im Sortiment einen Radler mit Isabella-Trauben (»Bierella«) oder ein Stout, das im ehemaligen Weinfass von Winkler-Hermaden reift. »Das wurde aus Kapfensteiner Eiche gefertigt, ist also auch ein regionaler Rohstoff«, erzählt Roman Schmidt über die tiefdunkle Neuheit.

Wenige Kilometer weiter ins Steirische Thermen- & Vulkanland hinein braucht es oft nur einen Gartenspaziergang, damit der Brauer wieder kreativ wird. In Pertlstein bei Fehring haben Tamara Holzer und Erik Kühnelt mit der »Walhalla Genusskulisse« ein Paradies für Wildbienen, Beeren und Kräuter geschaffen. Der studierte Historiker gibt aber auch einem klassischen Pils mit Zitronenverbene aus dem wildromantischen Garten fein-säurige Fruchtaromen. Holunderblüten aus der Raab-Au verwandelt »Walhallas Kesselmeister« (Erik Kühnelt) zu einem Sommerbier. Und selbst das trocken gewordene Brot findet bei dem 35-Jährigen noch Verwendung – in seinem »Brownie Brot Ale«. Aus zehn Kilo übriggebliebenen Backwaren werden so 200 Liter Bier. Spätestens, wenn aus dessen Biertrebern – der ausgekochten »Würze« im Braukessel – dann Knabbergebäck erzeugt wird, schließt sich der Kreis in der Genusskulisse.

Das Land ist guter »Hopfung«

Dieser Griff der Braumeister nach den naheliegenden Rohstoffen ist in der Steiermark mehr als anderswo bereits historisch vorgezeichnet. Selbst international kennt man den »Styrian Golding« in Bierkenner-Kreisen; speziell englische Brauereien lieben diese Hopfensorte. Schon vor der internationalen Craftbeer-Bewegung und ihrer Aroma-Hopfensorten legte man in der Steiermark den Fokus auf das harzig-grüne »Biergewürz«. Dass die Brauer hier auf Golding und den noch weiter verbreiteten Sprößling namens »Celeia« zurückgreifen können, stellt einen Glücksfall dar. Denn bei Hopfen ist Österreich, hinter Tschechien Europas Biertrinkerland Nummer zwei, keineswegs autark.

Die knapp unter 100 Hektar Anbaufläche rund um Leutschach stellen neben dem Mühlviertel das wichtigste Hopfen-Zentrum des Landes dar. Erfreulicherweise stieg auch die Erntemenge (sie schwankt zwischen 150 und 200 Tonnen pro Jahr) im Vorjahr wieder. Nachschmecken kann man die Bitter-Qualitäten aus der Südsteiermark in einem Bier, das den Motor des Anbaus nach dem Zweiten Weltkrieg ehrt. Peter Reininghaus garantierte die Abnahme des regionalen Hopfens in seiner Brauerei, die heute ein Teil der Brau Union ist. Das Reininghaus-Jahrgangspils wird deshalb ausschließlich mit Leutschacher Hopfen einer Ernte gebraut.

Selbst eine im Reinheitsgebot von 1516 gar nicht genannte, unabdingbare Brauzutat kommt bei den Steirer Kreativen zu ihrem Recht: Hefe findet sich als Depot in jeder Flasche von Georg Pock. Seine Biere – darunter das kaffeearomatische »Black Pock« – vergären ausnahmslos in der Flasche. Der aus der Lebensmittelforschung kommende Biermeister aus Mureck sieht darin gleich zwei Vorteile: »So erhält das Bier nur natürlich entstandene Kohlensäure und es bleiben die wichtigen Vitamin-B-Komplexe der Hefe erhalten.«

Der Biersiedler als Waldläufer

Während Hopfen und Malz im Volksmund mit dem Brauen assoziiert wird, verblüfft eine andere Spezialität der steirischen Landschaft: Der Waldreichtum schlägt sich nämlich ebenso in den Bieren nieder. Jedes Frühjahr rücken Thomas Winkler und Harald Kristen im Mürztal aus, um die alpinen »Maiwipferl« zu sammeln. Die frischen und noch saftigen Triebe der Fichten geben dem bekanntesten Bier von Tom & Harry Brewing das harzig-waldige Aroma. Und mit den Himbeeren, die ihrem Weißbier namens »HimBeer« säuerlich-sommerliche Noten verleihen, kommt eine weitere Zutat des Craftbeer-Duos aus Kapfenberg aus den steirischen Wäldern.

Die Brauerei Murau, bis heute als Genossenschaft geführt, wiederum liegt in einem der waldreichsten Bezirke Österreichs buchstäblich von Forsten umgeben. So kommt nicht nur der Rohstoff für einen der ungewöhnlichsten Radler des Landes – er heißt »pb« wie Preiselbeere – aus dem Wald. Seit zehn Jahren schon werden zur Bierherstellung keinerlei fossile Brennstoffe verwendet. Als erste CO2-neutrale Brauerei des Landes mit über 100.000 Hektolitern Ausstoß hat man zudem auch beim Rohstoffeinkauf lokale Partner gesucht. 51 Landwirte aus dem Murtal liefern ihre Braugerste exklusiv in die Bier-Stadt. »In nur einem Jahr hat sich dieses Konzept zu einem vollen Erfolg für die Region und die Beteiligten entwickelt«, freut sich Murauer-Vorstand Josef Rieberer. Sein Ziel liegt bei 300 Hektar Gerstenanbau in den nächsten Jahren. Denn von guten Brau-Rohstoffen kann die Steiermark eben nie genug haben.

Bierige Adressen

Gösser Brauerei (Brau Union Österreich)
Brauhausgasse 1, 8700 Göss/Leoben
goesser.at

Brauerei Gratzer
Obertiefenbach 26, 8224 Kaindorf
brauereigratzer.at

Lava Bräu (Technikum Extrakt Getränke)
Auersbach 130, 8330 Feldbach
lavabraeu.at

Brauerei Murau
Raffaltplatz 19–23, 8850 Murau
murauerbier.at

Pock Bier (Landwerkstatt & Genusslabor Georg Pock)
Pichla/Mureck 31, 8481 Weinburg
pockbier.com

Puntigamer (Brau Union Österreich)
Triester Straße 357–359, 8055 Graz
puntigamer.at

Thalheimer Heilwasser
Sauerbrunnstraße 7, 8754 Thalheim an der Mur
thalheimerheilwasser.at

Tom & Harry Brewing
Werk-VI-Straße 35, 8605 Kapfenberg
tomandharry.beer

Walhalla Genusskulisse
Pertlstein 30, 8350 Fehring
walhalla-genusskulisse.at


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Erschienen in
Steiermark Special 2023

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Roland Graf
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Von Redaktion