Die Rebhänge des Winzerdorfs Ligerz am Bielersee aus der Vogelperspektive.

Die Rebhänge des Winzerdorfs Ligerz am Bielersee aus der Vogelperspektive.
© Switzerland Tourism / Roman Burri

Im Land der Seen: Wein-Paradies Drei-Seen-Land

Wer das Drei-Seen-Land önologisch erkunden möchte, muss dabei Sprach- und Kantonsgrenzen überwinden. Die kleinste offizielle Weinregion der Schweiz umfasst Teile der Kantone Bern, Neuenburg, Freiburg und Waadt auf beiden Seiten des Röstigrabens.

Die grösste Dichte an Weinbergen findet man im Drei-Seen-Land jeweils an den Nordwestufern des Bieler-, Murten- und des Neuenburgersees. Hier, an den sonnigen Hängen, reifen die Trauben besonders gut. In der Gegend herrscht ein mildes Klima, was der schützenden Jurakette im Westen und den temperaturausgleichenden Gewässern zu verdanken ist. Im Flachland zwischen den Seen gibt es nur vereinzelt Reben, hier wird vornehmlich Gemüse angebaut.

Doch es gibt Ausnahmen! Etwa das Weingut Hämmerli, das sich in Ins angesiedelt hat und dort elegante Weiss- und Rotweine keltert. Möglich ist dies nur dank der Juragewässer-Korrektion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Davor war das «Grosse Moos» zwischen den drei Seen, wo auch Ins liegt, Schwemmland. Die Umleitung der Aare durch drei Kanäle ermöglichte die Nutzung des fruchtbaren Bodens dieser Gegend, die bereits seit Jahrtausenden bewohnt ist, wie es im Bielersee gefundene Pfahlbauten beweisen.

Weinregion mit Geschichte

Den Weinbau ins Drei-Seen-Land brachten vermutlich die Römer. Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde Seeländer Wein aber erst im 9. Jahrhundert, in einem päpstlichen Schreiben. Damals waren die Bewirtschaftung der Weinberge und die Weinbereitung Aufgabe der Klöster. Im Zuge der Reformation wurden diese von den neu protestantischen Berner Patriziern enteignet, unter deren Herrschaft die Gegend stand. Der heute von Martin Hubacher geführte Johanniterkeller im Winzerdorf Twann am Bielersee etwa wurde damals Opfer der Verstaatlichung von Kirchengütern.

Obwohl die Berner grossen Einfluss auf das Drei-Seen-Land ausübten, gehörte es auch immer wieder zu Frankreich. Das sich seit 400 Jahren im Familienbesitz befindende Château d’Auvernier wurde im 16. Jahrhundert gebaut, als die Grafschaft Neuenburg dem französischen Adelshaus Orléans-Longueville angehörte. Auch heute noch ist die Nähe zu den Nachbarn spürbar – sprachlich, in der Architektur, der lokalen Küche und natürlich auch im Wein.

Das Drei-Seen-Land ist eine Bio-Hochburg. Rund 20 Prozent der Rebflächen werden so bewirtschaftet. Mehr als in allen anderen regionen der Schweiz.

Auf der Hälfte der rund 950 Hektar Rebland im Drei-Seen-Land wächst die rote Burgundersorte Pinot Noir. An den Ufern des Neuenburgersees gedeiht sie besonders gut. Bekannt ist vor allem die Rosé-Spezialität «Oeil de Perdrix», die auf Basis der Traube entsteht. Wird der Pinot Noir allerdings als Rotwein gekeltert, entstehen hier oft Weine von burgundischer Finesse. In diesem Zusammenhang erwähnenswert sind die raren Crus des mythischen Jacques Tatasciore der Domaine de la Rochette in Cressier.

An den Ufern des Bieler- und Murtensees im Nordosten kippt das Rot-Weiss-Gefälle. Knapp 60 Prozent Rebfläche wird hier von weissen Trauben beansprucht, allen voran Chasselas, der hier frische Weine mit kräftiger Mineralik hervorbringt. Eine Spezialität des Drei-Seen-Landes ist der «Non-Filtré», ein unfiltrierter Chasselas, der jung auf den Markt kommt – bereits am dritten Mittwoch des auf die Ernte folgenden Januars. Insbesondere die Neunburger-Weinmacher pflegen diese Tradition. Die im unfiltrierten Wein verbliebenen Feinhefepartikel verleihen dem «Non-Filtré» eine besondere Geschmackstiefe und eine cremige Struktur.

Bio-Paradies

Neben traditionellen Reben, findet man auch immer öfter resistente Piwi-Sorten in den Weingärten des Drei-Seen-Landes – mit durchaus interessanten Resultaten. Spannend sind zum Beispiel der «L’Audacieux» der Domaine de Chambleau vom Neuenburgersee, ein ungeschwefelter Divico, oder der Oräntsch von Martin Hubacher vom Bielersee, ein maischenvergorener Nobling. Mit über 20 Prozent Anteil an der Gesamtfläche werden im Drei-Seen-Land mehr Rebberge biologisch bewirtschaftet als in jedem anderen Weinbaugebiet der Schweiz. Viele Produzenten arbeiten sogar biodynamisch.

Ein Vorreiter dieser Bewegung ist die Neuenburger Maison Carrée, die bereits seit über zehn Jahren auf diese alternative Anbauform setzt. Auch Anne-Claire Schott vom Bielersee stellte den elterlichen Betrieb auf biodynamische Landwirtschaft um, als sie diesen 2016 übernahm. Sie macht seither mit Naturweinen von sich reden, die sie parallel zu den klassischen, von ihren Eltern eingeführten Cuvées führt.

Das Drei-Seen-Land verfügt über eine grosse Biodiversität – kein Wunder, dass sie auch ein beliebtes Ausflugsziel ist.

Die Zurückhaltung beim Weinbau führt dazu, dass das schöne Drei-Seen-Land eine fantastische Biodiversität aufweist. Es ist kein Zufall, dass die Region ein beliebtes Ausflugsziel ist. Von weither reisen Leute an, um durch die Weinberge zu wandern oder von Weingut zu Weingut zu ziehen. Das Drei-Seen-Land ist eines der gastfreundlichsten Weinbaugebiete der Schweiz, fast alle Produzenten bieten auf Voranmeldung Degustationen an.

Eine reiche Gastronomie und spannende Traditionen runden das Angebot ab. Besonders lohnt sich der Besuch im Januar und Februar, wenn die Kellereien zum jährlichen Treberwurstessen einladen. Diese werden während der Herstellung von Marc (Trester- oder Treberbrand) in den durch das Schnapsbrennen entstehenden Dämpfen gegart. Dazu gibt es viel Wein, Schnaps und eine ordentliche Portion Drei-Seen-Länder-Gastfreundschaft.


Drei-Seen-Land auf einen Blick

GEOGRAFIE

Das Drei-Seen-Land befindet sich am südöstlichen Fuss der Jurakette, an den Ufern des Neuenburger-, Bieler- und Murtensees. Es umfasst Teile der vier Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Waadt. Die Weinberge erstrecken sich von den Hängen von Gorgier am Westufer des Neuenburgersees bis zum Nordwestufer des Bielersees, wobei im Flachland zwischen den Seen fast kein Weinbau betrieben wird – hier befindet sich der «Gemüsegarten der Schweiz». Auch die Weinberge des Murtensees befinden sich fast ausschliesslich an dessen Nordwestufer. Dort ist auch das Mikro-Anbaugebiet Vully AOC, das als einziges der Schweiz
in zwei Kantonen liegt: Waadt und Freiburg.

BÖDEN UND KLIMA

Das Klima des Drei-Seen-Lands ist mild. Die Jurakette schützt die Rebberge vor Wetterschwankungen aus dem Westen und teils Norden, aber auch die Seen selbst haben einen mässigenden Einfluss: Im Sommer kühlen sie, im Winter spenden sie Wärme. Die Böden sind unterschiedlich, in den höheren Lagen aber von Jurakalk geprägt, während näher am See Kies dominiert. Im ehemaligen Schwemmgebiet zwischen den Seen herrschen Torf- und Molasseböden vor.

TRAUBENSORTEN

Etwa die Hälfte der rund 945 Hektar Rebfläche sind mit Pinot Noir bestockt. Dieser dominiert vor allem am Neuenburgersee mit 55 %. Am Bieler- und Murtensee beherrscht der Chasselas die Landschaft, er macht dort 58% der Rebfläche aus. Ansonsten gibt es vor allem andere französische weisse Sorten wie Pinot Gris, Chardonnay und Sauvignon Blanc, es wird auch viel mit Piwi-Sorten experimentiert.

AUSWAHL WICHTIGER PRODUZENTEN


Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2023

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