Falstaff verrät die besten Kombinationen zum Fest.

Falstaff verrät die besten Kombinationen zum Fest.
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Paarungs-Zeit: Der Falstaff-Wegweiser für das perfekte Foodpairing

Das festliche Menü im Familien- und Freundeskreis verlangt nach gediegener Weinbegleitung. Fallstricke gibt es dabei viele. Denn rund ums perfekte Food and Wine Pairing ranken sich viele Mythen – und nicht alle haben ihre Berechtigung. Ein Wegweiser durch den schier unüberblickbaren Kanon an Ge- und Verboten.

Ein bekannter deutscher Sommelier pflegt in geselliger Runde gerne folgende Anekdote vom Beginn seiner Karriere zu erzählen: Er habe damals als junger, ehrgeiziger Sommelier einem Stammgast, der zum Rindersteak einen Riesling orderte, zu bedenken gegeben: »Aber das passt doch nicht!« Darauf habe der Stammgast geantwortet: »Das passt Ihnen nicht – mir hingegen schon!« Der schlagfertige – und erfahrene – Trinker nimmt mit diesem Bonmot das erste und wichtigste Fazit vorweg, das man in einer Geschichte über die Vermählung von Speisen und Wein zu ziehen hat: Es »passt« viel mehr, als einen das geschmäcklerische Vorurteil glauben macht. Gut zu wissen, wenn rund um die Festtage groß aufgekocht wird – und die Weinbegleitung für die ganze Familie weise gewählt sein will.

Der Kanon von Geboten (und vor allem Verboten) hat sich freilich nicht von unge­fähr entwickelt. Wer die Verbote brechen möchte, der muss sich der sachlichen ­Gründe bewusst sein, die zu ihnen ­führen. Nur dann kann der Regelverstoß zur höchst genussvollen Sache werden. 

Ein besonders schwieriges Verhältnis haben Rotwein und Fisch. Wie berechtigt die Regel ist, diese beiden möglichst nicht zu kombinieren, wird idealtypisch an folgender Kombination deutlich: Trinkt man einen sehr gerbstoffreichen Rotwein – etwa einen Madiran aus Südwestfrankreich – zum gedämpften Kabeljau, werden sich im Mund kleine, fädige Klümpchen bilden, die an der Schleimhaut haften. Was sich in diesem Moment vollzieht, ist eine Ausfällung der Gerbstoffe des Weins durch das Eiweiß im Fisch. Beim Ausbau von Rotweinen nützen Winzer diesen Effekt schon seit Jahrhunderten zu ihrem Vorteil, wenn sie den Tanningehalt des Weins senken und ihn klären möchten: Geschlagenes Hühnereiweiß wird ins Barrique eingebracht, wo es durch die immense »innere Oberfläche« der Proteinmoleküle Trub- und Gerbstoffe bindet und anschließend als festes Etwas zu Boden sinkt. Der Wein wird dann über dieser unappetitlichen Masse in ein anderes Fass abgezogen. Köche kennen ­dieselbe Wirkung auch durch den Kläransatz beim Zubereiten einer Consommé. Aber will man den ausgeflockten Bodensatz im Mund haben?

Wenn man nun trotzdem Rotwein zum Fisch trinken möchte, dann empfiehlt es sich, an zwei Stellschrauben zu drehen: ­Zuerst sollte man einen Rotwein wählen, der nur wenig Gerbstoff besitzt. ­Zweitens ist es ratsam, möglichst keinen ganz mageren Fisch zu wählen – und diesen auf eine Weise zuzubereiten, die das Eiweiß möglichst »versteckt«. Daher wird, wenn es ein Rotwein sein soll, der Fisch gerne gegrillt: Die angesengte, fest gewordene Oberfläche des Fischs – bestehe sie nun aus der Haut oder aus dem Fleisch – wirkt wie ein Schutzschild vor einem zu intensiven ­Kontakt mit dem Tannin des Weins. 

Die schlimmsten Weinkiller

Ein Problembewusstsein benötigt auch, wer Wein zu Spinat, Artischocken, zu Paradeisern oder zu Salaten trinken will. Spinat enthält Oxalsäure – einen Stoff, der zwar nicht intensiv sauer schmeckt, aber für das stumpfe Gefühl verantwortlich ist, das nach dem Genuss von gedünstetem oder blanchiertem Spinat auf den Zähnen zurückbleibt. In der Kombination mit Wein kann sich im Mund eine metallische ­Wahrnehmung einstellen. Auch hier gilt es vor allem, ein Übermaß an Gerbstoffen möglichst zu vermeiden. Auch die Zähmung des Spinats mit Obers oder Crème fraîche macht Sinn. Zudem ist es sinnvoll, jenes Wasser wegzuschütten, das der Spinat beim Dünsten freigesetzt hat. Es ist besonders reich an Oxalsäure.

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Bei der Artischocke ist ein Enzym ­namens Cynarin der Spielverderber: Dieser Stoff verändert die Geschmacksknospen im Mund auf eine tückische Weise. Zunächst blockiert er die Rezeptoren, die Süße wahrnehmen, und hebt somit der Tendenz nach andere Geschmacksdimensionen hervor – Salzigkeit, Bitternis und Säure. Wenn das Cynarin im nächsten Moment von einer Flüssigkeit, etwa einem Schluck Wein, weggewaschen wird, dann senden die entblockten Süße-Rezeptoren ein Süße-Signal, obwohl eigentlich gar keine Süße vorhanden ist. Unangenehm. Noch komplizierter wird es, weil Artischocken auch Chlorogensäure enthalten, die als adstringierend, bitter und sauer wahrgenommen wird. Und dann wäre da noch das Artischockenherz. Dass es typischerweise vor dem Weiterverarbeiten in Zitronenwasser gelegt wird, um es vor Oxidation zu bewahren, gibt dem Gemüse eine Extraportion Säure mit.

Das Hauptproblem bei der Artischocke ist demzufolge die Vielfalt ihrer Interaktionen mit einem Wein: Die Kombination ist praktisch unkontrollierbar. Was man braucht, ist ein Wein, der viel verzeiht und viel wegzupuffern vermag, der es mit großer geschmacklicher Elastizität schafft, Süße, Säure und Bitternis zu integrieren. Sicher hilft es, wenn er auch ein wenig Fett mitbringt. Weißweine aus dem Rhônetal oder der Provence sind eine gute Wette, oder auch Fino-Sherry.

Beim Paradeiser wiederum ist es schlicht die Säure, die dem Weinpartner zusetzt. Bei so gut wie allen Gerichten auf Paradeiserbasis macht es – ähnlich wie bei der Begleitung aller Speisen, die mit einer Vinaigrette serviert werden – wenig Sinn, nach einer komplexen Marriage Ausschau zu halten. Es reicht, eine allzu exzessive Doppelung von Säureempfindungen zu vermeiden und sich auf die Aspekte der ­Frische und Trinkigkeit zu konzentrieren: etwa mit einem eher geschmeidig angelegten trockenen Rosé oder – wenn die Paradeiser mit Faschiertem kombiniert ist – mit einem leichten, fruchtbetonten Rotwein.

Weniger kritisch sind Salate, bei denen durch eine Mayonnaise ausreichend Fett im Spiel ist, um die Wirkung des Essigs zu ­begrenzen.

Wichtige Leitplanken

Mit Eiweiß, Spinat, Artischocke, Paradeiser und Essig sind also die wesentlichen Motive benannt, die zwar keine strikten Verbote, aber doch eine Mahnung zur Vorsicht mit sich bringen. Wo sind nun aber die Gebote? Naturgemäß gibt es hiervon viele, und die unterschiedlichsten von ihnen können zu gleich großem Genuss führen.

Die erste Grundregel – die auch und gerade in der Gastronomie nicht immer beherzigt wird – lautet, dass Wein und Speisen aus derselben Güteklasse stammen sollten. Es macht wenig Sinn, einen Jahrgangschampagner zur Currywurst zu trinken. Umgekehrt verlangt die elaborierte Vorspeise etwas Besseres als einen nach Bonbon duftenden Acht-Euro-Wein. Auch zu Hause gilt daher: Kocht man mit hoher Ambition und mit edlen Zutaten, dann gehört eine prestigereiche – gerne gereifte – Flasche auf den Tisch. Für Gutbürgerliches greift man beim Wein zur preislichen Mittelklasse. Ist es Hausmannskost, sucht man nach einer soliden, gehobenen Basisqualität.

Oft kann man sich auch zunutze machen, dass es eine stille Komplizenschaft zwischen den Winzern und der Küchentradition einer Region gibt. Natürlich trinkt man zum Boeuf bourguignon ein Glas Burgunder, zu allen Gerichten mit Sauerkraut einen Riesling, zum Siedfleisch der Wiener Küche passt Grüner Veltliner, zum Käsefondue reicht man Fendant oder Waadtländer Chasselas, zum Huhn auf baskische Art (mit Paprika) sind alle Rotweine aus dem Baskenland inklusive Rioja eine gute Wahl. Nemea ist der natürliche Partner für Moussaka, Sancerre ist die ideale Ergänzung zum Ziegenkäse des Loiretals. Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. Darüber hinaus scheint es eine fast magische Verbindung mancher Böden zu bestimmten Speisen zu geben: Der Kimmeridge-Kalk, der unter den besten Weinbergen Chablis’ liegt, besteht aus eng miteinander verbackenen Muscheln. Die Weine dieses Bodens sind die idealen Begleiter für Austern. Auch die Kreideböden der Champagne haben ihren Ursprung in den Sedimenten eines vorzeitlichen Meeres. Und zu welchem Meeresbewohner passt nicht ein Glas Champagner besonders gut?

Gibt es bei der Weinbegleitung auch so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau? Diese Frage hat unmittelbar praktische Bedeutung, wenn man sich im Restaurant nicht auf die glasweise Weinbegleitung einlassen und stattdessen einen guten Flaschenwein von der Vorspeise bis zum Hauptgericht »durchtrinken« möchte. Und in der Tat ist das Unterfangen nicht hoffnungslos. Was man braucht, ist ein eher körperreicher und gerne leicht phenolischer, in der Aromatik zurückhaltender und nicht im Übermaß vom Holz geprägter Weißwein. Sehr versatil sind Silvaner: Sie können gut mit Krustentieren, Süß- und Salzwasserfisch, mit vegetarischen Gerichten, weißem Fleisch und Geflügel. Zu rotem Fleisch und Wild sind sie zumindest akzeptabel.

Einen guten Kompromiss zwischen Rot- und Weißweintugenden stellen auch viele Rosés dar, dabei sollte man aber unbedingt in die Oberliga greifen. Auch manche Orange-Weine bieten sich als Allzweckbegleiter an – vor allem, wenn sie nicht zu extrem und provokativ gekeltert sind. Last, not least funktioniert ein Weintyp, den man häufig vergisst, zu fast allem: der Sherry. Von ätherischem Manzanilla über ebenso trockenen, aber kräftigeren Fino bis zu nussig-kargem Amontillado bietet sich hier alles, um von Fisch bis zum Rindersteak eine Vielfalt an Gerichten zu begleiten.

Zugegebenermaßen ist es nicht jedermanns Sache, einen ganzen Abend mit Sherry zu verbringen. Aber man sollte ihn als Trumpf-Ass im Gedächtnis haben, wenn man sich einmal bei der Weinauswahl unsicher ist. Amontillado ist übrigens die Traumkombination zu einem Gericht, das häufig ebenfalls als schwer kombinierbar dargestellt wird: Er passt herausragend gut zu allen klaren Suppen von der Fleischbrühe bis zur Wildessenz.

Wiener Küche und Wiener Wein vertragen sich bestens: Da hilft es, dass sich der Gemischte Satz einer Renaissance erfreut.
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Wiener Küche und Wiener Wein vertragen sich bestens: Da hilft es, dass sich der Gemischte Satz einer Renaissance erfreut.

In Stein gemeißelt

Gerade in der französischen Hochküche sind manche Kombinationen in Stein gemeißelt: Das Huhn im Morchelrahm wird mit Vin Jaune begleitet, zu Wildgeflügel ist alter Burgunder Pflicht. Zum Steinbutt auf Beurre blanc trinkt man Champagner oder weißen Burgunder – dieselben Weine, die in die Sauce montiert wurden. Gerade dieser letzte Umstand ist einer der Gründe, warum der französische Kanon seit den Zeiten Marie-Antoine Carêmes und Auguste Escoffiers – zwei der bedeutendsten Meisterköche aus dem frühen 19. und 20. ­Jahrhundert – so beständig geblieben ist. Nichts baut eine bessere Brücke zwischen Wein und Speisen als der einkonzentrierte Wein in einer Sauce. Dabei muss man aber zu spielen und zu abstrahieren wissen. Der Sommelier eines Drei-Sterne-Restaurants etwa vertraute dem Schreibenden einmal an, dass er für die Burgundersaucen seines Chefs jedes Jahr Dutzende Côtes du Rhône verkoste: auf der Suche nach einem Grenache-basierten Roten, der die seidige, feinfruchtige Finesse eines ­Burgunders in die Sauce transportiert, ohne jenen (durch die Konzentration unangenehmen) Kick an Säure und Tannin zu bringen, den man bekäme, wenn man einen wirklichen ­Burgunder in die Sauce kochen würde.

Rotwein zu Käse – und natürlich zu rotem Fleisch: Das sind die am tiefsten ­verwurzelten Glaubenssätze, wenn es ums Food ­Pairing geht. Für manche Weichkäse ist die Zuschreibung zutreffend, die deutlich ­bessere Faustregel ist aber erneut diejenige der geografischen Nähe: ­Hartkäse wie ­Gruyère oder Comté entfalten sich mit Weißweinen aus dem Jura oder aus den Alpentälern der Schweiz. Munster und ­Elsässer Gewürz­traminer sind wie füreinander geschaffen. Rotweine mit Käse sind nämlich eine ­delikate Kombination: Bei reifen Hartkäsen wie Parmesan und Sbrinz stellt sich im Pairing mit gerbstoffbetonten Roten zuweilen die für den Fisch beschriebene Gerbstofffällung ein. Oft werden eher Époisses und der sinnigerweise so benannte Ami du Chambertin als typische Sparringspartner etwa für roten Burgunder genannt: Da bei Weichkäsen in der Regel der fettige Aspekt über das Eiweiß dominiert, droht von dieser Seite immerhin keine Gefahr. Dafür sind die strengen ­Aromen der Rinden nicht geeignet, die Komplexität des Weins zu steigern. Wenn man zum Rotwein greifen möchte, sollte man auf jeden Fall einen gereiften Jahrgang mit mild gewordenem Gerbstoff wählen.

Käse und Rotwein? Ja, aber nicht immer. Reife Hartkäse vertragen sich nicht immer mit dem Roten, fette Weichkäse schon besser.
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Käse und Rotwein? Ja, aber nicht immer. Reife Hartkäse vertragen sich nicht immer mit dem Roten, fette Weichkäse schon besser.

Nur Mut!

Letztlich wäre es ein frustrierender Gedanke, wenn wir alles über die Kombination von Wein und Speisen wüssten, wenn sich alles planen und vorausbestimmen ließe. Faust- und Ausschlussregeln sind sinnvoll. Aber die absoluten No-Gos sind wenige. Jenseits dieser funktioniert sehr viel mehr, als man glaubt. Oft sind Kleinigkeiten ausschlaggebend für den Unterschied zwischen einer stimmigen Kombination und einer Sensation. Das ist der Drahtseilakt, den Sommeliers jeden Abend vollführen. Ein minimal abweichender Fond kann heute einen anderen Wein in Szene setzen als gestern – auch wenn es sich um dasselbe Gericht handelt.

Was »passt«, ist zudem von subjektiven Faktoren abhängig: von individuellen Dispositionen, vom kulturellen Hintergrund, sogar von Stimmungen. Es hieße die Genussfreude ärmer zu machen, wenn man all diesen Aspekten nicht ihren Raum ließe.

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
Chefredaktion Schweiz
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