Eine monumentale Bacchus-Plastik aus Sandstein wacht über die Vinothekschätze auf dem Weingut Aleksandrovic.

Eine monumentale Bacchus-Plastik aus Sandstein wacht über die Vinothekschätze auf dem Weingut Aleksandrovic.
© Claudia Schindlmaisser

Wein-Mekka Serbien: Der Balkanstaat entwickelt sich zum Hotspot für Weinfans

Mit großem Engagement und rasantem Tempo entwickelt sich der Balkanstaat zu einem neuen Hotspot für Weinkenner. Neben internationalen sind es vor allem lokale Sorten wie Prokupac und Grašac, die ins Zentrum des Interesses rücken.

Es weht ein frischer Wind durch Serbiens Weinlandschaft, die sich auf drei Weinbauregionen mit insgesamt 22 Anbaugebieten unterschiedlicher Größe und Bedeutung, von der ungarischen Grenze bis in den Süden und Osten des Landes, verteilt. Etwa 22.000 Hektar sind heute wieder mit einer großen Vielfalt an internationalen, aber auch sehr spannenden lokalen Reben bepflanzt. Es wird spürbar in den Sektor investiert. Von den großen Fortschritten konnten sich nicht zuletzt im vergangenen Herbst die Besucher der höchst erfolgreichen Premiere der Weinmesse »Wine Vision by Open Balkan« in Belgrad überzeugen.

Die Weinkultur Serbiens ist tief in der Geschichte der Region verwurzelt. Neben Einflüssen der Thraker und Griechen waren es vor allem die Römer, die das gute Klima und die fruchtbaren Böden für den Weinbau nutzten. Nach einer längeren Periode, während der es außerhalb des römischen Kernlandes verboten war, Wein zu erzeugen, wurde damit im dritten nachchristlichen Jahrhundert auf serbischem Boden zunächst in der Region Fruška Gora in der heutigen Vojvodina, die damals noch Syrmien hieß, aufs Neue begonnen. Ausschlaggebend dafür war der römische Kaiser Probus, geboren in Sirmium, das heute Sremska Mitrovica heißt, der in vielen Teilen Europas von Weinfreunden und Winzern noch heute dafür verehrt wird, dass er das römische Weinmonopol abgeschafft hat. Auch Kaiser Konstantin der Große schätzte neben der landschaftlichen Schönheit den Rebensaft aus Naissus, dem heutigen Niš, wohin er seine Sommerresidenz verlegen ließ. Von der Spätantike bis zum Mittelalter breitete sich der Weinbau am Gebiet des heutigen Serbien stetig aus. Der Adel und vor allem die zahlreichen Klöster waren mit Weinbergen begütert. Zar Stefan Dušan förderte den Weinbau im 14. Jahrhundert nach Kräften. Bis zur Eroberung durch die Osmanen erlebte die Weinkultur eine erste Blüte. Und auch wenn unter den Osmanen die Produktion offiziell verboten war, haben die Serben in der Folgezeit nicht auf ein gutes Glas Wein verzichtet, sondern ihre Weingärten weiterhin gepflegt.

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Lange Weinbautradition

Zu jenen Zeiten, als Jugoslawien noch Bestand hatte, verfügte Serbien über die größte Rebfläche innerhalb der Ländergemeinschaft. Doch die Zeit des Sozialismus hatte ihre eigenen Regeln. Ohne private Weinwirtschaft war eine qualitätsorientierte Produktion in diesem Sektor nur sehr schwer möglich, Quantität stand klar vor Qualität, trotz bester natürlicher Bedingungen konnte der serbische Wein kein internationales Renomée erlangen. Aber das Blatt hat sich längst gewendet: Insbesondere in der letzten Dekade hat die Weinkultur Serbiens ordentlich Fahrt aufgenommen. Das Land verfügt über sehr unterschiedliche Terroirs und Klimazonen, dadurch kann hier eine große Vielfalt an Sorten und Stilen zu Weinen von erstaunlicher Qualität geführt werden. Es gibt elegante trockene Weißweine, vom Grašac (oder Welschriesling) wie in der Fruška Gora, gelegen zwischen Donau und Save, über saftigen Sauvignon Blanc in der Šumadija oder auch eleganten Chardonnay – allen voran die muskatduftige Tamjanika oder die Weißweine aus Smederevka. Dazu kommen lagerfähige, würzige Rotweine aus unverwechselbaren autochthonen Rebsorten wie dem Vranac und originellen Kreuzungen. Die rote Flaggschiffsorte aber ist eindeutig Prokupac, die in ihrer Würze zwischen Blaufränkisch, Pinot Noir und Shiraz angesiedelt ist und sich immer mehr zum wahren Aushängeschild der Renaissance des serbischen Weines entwickelt. Komplexe rote Cuvées internationalen Zuschnitts, wie aus Cabernet und Merlot, kommen aus den Regionen Šumadija oder Negotin, die auf der Breite von Bordeaux liegen.

Erstaunliche Vielfalt

Heute verfügt Serbien in allen Anbaugebieten über modern ausgestattete Weingüter, die eine breite Palette an Qualitätsweinen herstellen. Neben den einheimischen Rebsorten wird auch der Nachfrage nach internationalen Spitzenrebsorten immer stärker Rechnung getragen. Die Bordeaux-Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot sind zu jeweils neun Prozent in den serbischen Weinbergen verwurzelt. Damit liegen sie an erster Stelle unter den roten Sorten. Chardonnay (acht Prozent) und Sauvignon Blanc (fünf Prozent) sind ebenfalls auf dem Vormarsch. Die weiße Nummer Eins ist im Moment noch der feinwürzig-frische Grašac (sprich: Graschatz) mit 14 Prozent. Der lokale rote Prokupac (sprich: Prokupatz) wird sicher ebenfalls für internationale Furore sorgen, wenn er einem größeren Publikum bekannt gemacht wird. Letztere Varietät hat Ähnlichkeiten mit Pinot Noir zum einen und Blaufränkisch zum anderen.

Spannende Entwicklungen gibt es auch dank der Wiederentdeckung und Förderung mancher Rebsorten, die schon zu verschwinden drohten, wie die weiße Bagrina in Negotin, die Seduša in der Fruška Gora oder die Morava und die Smederevka in Smederevo.

Wie innovativ und lebendig die serbische Weinszene heute ist, davon zeugt die wachsende Zahl von Garagenwinzern und Orange- bzw. Natural-Wines, die besonders von der jüngeren Generation geschätzt werden. Oft sind diese Weine in den westlichen Exportmärkten leichter zu finden als auf den Weinkarten in Belgrad.

Zukunftsorientiert

Aktuell sind rund 430 Erzeuger für die Herstellung von Weinen registriert. Die Zahl der Traubenproduzenten ist um ein Vielfaches größer. Insgesamt produziert Serbien im Jahreschnitt etwa 30 Millionen Liter Wein. Die für die Zukunft mögliche Kapazität der Weinproduktion in Serbien wird auf potenzielle 70 Millionen Liter Wein geschätzt. Im Export wurden zuletzt Weine im Wert von 16,8 Millionen Euro abgesetzt. Dem stehen allerdings rund 34 Millionen Euro für importierte Weine gegenüber. Mengenmäßig wurde mehr als die Hälfte der Gesamtweinproduktion exportiert: 5,5 Millionen Liter wurden nach Russland geliefert, was einem Drittel aller Exporte entspricht. 17 Prozent der Weinausfuhren waren für den EU-Raum bestimmt. Weitere größere Anteile wurden nach Montenegro und Bosnien-Herzegowina ausgeführt.

Die Größenordnung der Weinerzeuger gliedert sich aktuell etwa so: Zwei Großunternehmen verfügen über mehr als 1000 Hektar, sechs Betriebe bewirtschaften mehr als 100 Hektar und etwa 60 Weingütern stehen jeweils zwischen 10 und 100 Hektar zur Verfügung.

Grosses Engagement

Unverkennbar ist auch der politische Wille, den neuen Trend zur Herstellung von Qualitätsweinen und den damit einhergehenden aufblühenden Weintourismus als Motor und Visitenkarte für gelebte Gastfreundschaft zu unterstützen. So entstehen nicht nur neue Weinkellereien, auch Restaurants und Hotelprojekte gehen mit diesem Trend Hand in Hand. Die wachsende Zahl der Prämierungen hat die internationale Weinwelt auf die Weine aus Serbien und deren tolle Qualitäten aufmerksam gemacht. Der Falstaff hat sich im August bei einer Reise durch die vielfältige Weinlandschaft des Landes ein Bild vom Stand der Entwicklung gemacht, dabei zahlreiche Winzer besucht sowie rund 200 Weine probiert. Fazit: Wir waren von der Qualität bgeistert. Und auf neuen Weinmessen wie der »Open Balkan Wine Fair« in Belgrad können sich Gäste und Weinfreunde aus dem In- und Ausland einen guten Überblick über den Stand der Entwicklung des serbischen Weins holen und direkt mit Winzern sprechen.

Messe-Tipp

Die »Wine Vision by Open Balkan« lädt im November wieder nach Belgrad.

Zu Besuch bei Nachbarn
Die Schirmherrschaft der Veranstaltung liegt, wie schon im letzten Jahr, bei den Regierungen Serbiens, Nordmazedoniens und Albaniens. Außerdem ist die Initiative »Open Balkan« beteiligt. Stattfinden wird die zweite Auflage der Weinmesse erneut in Belgrad. Vom 16. bis 19. November stehen dann für drei Tage wieder mehr als 350 Ausstellerinnen und Aussteller für Gespräche, Verkostungen und Networking zur Verfügung.  »In diesem Jahr haben wir ein noch reichhaltigeres Programm zusammengestellt«, verspricht der Veranstalter auf seiner Website.

fair.openbalkan.com


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Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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