Die Weinriede Plachen in Rust am Leithaberg bietet einen atemberaubenden Blick auf den Neusiedler See.

Die Weinriede Plachen in Rust am Leithaberg bietet einen atemberaubenden Blick auf den Neusiedler See.
© ÖWM/WSNA

Weine mit Seeblick: Rund um den Neusiedler See

Der Neusiedler See wird von einzigartigen Weinbaugebieten umgeben: Im Westen findet man die ältesten Weingärten des Leithaberg DAC, im Osten das größte Weinbaugebiet des Burgenlands und rund um Rust die kleine Appellation Ruster Ausbruch DAC.

Der Neusiedler See im nördlichen Burgenland wirkt wie ein überdimensionaler Thermostat auf die Weinbaugebiete an seinen Ufern. Und bildet im Zusammenwirken mit dem warmen pannonischen Klima und den unterschiedlichen Böden die Basis für eine enorme Vielfalt an Sorten und Stilen, die hier von einer großen Zahl ambitionierter Weinbauern zur Perfektion gebracht werden. Die Bandbreite reicht von mineralischen, leichtfüßigen Weißweinen am Leithaberg über aromatische, fruchtbetonte Spätlesen von der Ostseite des Sees bis hin zu den großen edelsüßen Weinen des Seewinkels oder aus Rust. Ebenso gelingen herzhaft-würzige Blaue Zweigelt-Rotweine, aber auch finessenreiche, lagerfähige Blaufränkisch-Rotweine von den kalkgeprägten Abhängen im Westen des großen Steppensees.

Neusiedlersee DAC

Von Neusiedl am See über Weiden, Gols, Mönchhof, Halbturn nach Frauenkirchen findet man auf 6239 Hektar Rebfläche eine einzigartige Vielfalt an weißen wie roten Spitzenweinen. An den sanften Hängen der Parndorfer Platte wird überwiegend gehaltvoller Weißwein und vollmundiger Rotwein, beides mit einladender Fruchttiefe, gekeltert. Der Blaue Zweigelt dominiert hier, und besonders Cuvées mit komple­xem Charakter kennzeichnen die grandiosen Rotweine, die auf steinigen Sand-Lehm-Böden gedeihen. Abgerundet wird das Rotweinprogramm von den Rebsorten Blaufränkisch, St. Laurent, Pinot Noir und Merlot. Hier erzeugen zahlreiche Winzer mit internationalem Renommee ihre Spitzenweine, engagierte junge Winzer und beeindruckende Kellerarchitektur unterstreichen den hohen Qualitätsanspruch. Großes Potenzial wird in Andau auf die Flasche gebracht, wo ein besonders saftig-reifer Zweigelt-Stil vinifiziert wird. Im Seewinkel, konkret im Dreieck Podersdorf–Illmitz–Apetlon, begünstigen das Mikroklima und die sandigen Böden die Süßweinproduktion. Die Nähe des Neusiedler Sees und die Vielzahl der als Lacken bezeichneten stehenden Gewässer erlaubten bisher eine kontinuierliche Produktion von Prädikatsweinen, die allerdings durch das Absinken des Grundwasserspiegels zunehmend gefährdet ist. Das Gros der Weingärten liegt im Herzen des Nationalparks Neusiedler See, der zahlreiche Besucher anlockt. Dieses einzigartige Weltkulturerbe-Gebiet verbindet Genuss, Harmonie und Lebensgefühl in idealer Weise.

Leithaberg DAC

Seit 2010 keltern die Winzer der Region Leithaberg DAC im Westen des Sees ihre feinfruchtigen, mineralischen und strukturierten Herkunftsweine auf einer Fläche von 2878 Hektar. Das Gebiet der mehr als 20 Leithaberg-Gemeinden erstreckt sich zwischen Leithagebirge und Neusiedler See von Jois im Norden bis Mörbisch. Die kühlende Wirkung der Wälder am Leitha­gebirge bringt Finesse und Lebendigkeit in den Wein. Neben der wärmeregulierenden Funktion des Sees sorgen warme Winde aus Ungarn für die nötige Reife. Die vorherrschenden Böden sind Kalk und Schiefer, diese verleihen den Weinen Salzigkeit, Spannung und das nötige Rückgrat. Im südlicheren Teil des Leithaberg-DAC-­Gebiets, von Mörbisch und Oggau in Richtung Großhöflein und Eisenstadt, bekommt man durch den größer werdenden Abstand zum See eine zusätzliche Facette an Mikroklima. Viele kleine Parzellen von Weingärten, Wälder und Wiesen sowie die Exposition an den Hängen bringen einzigartige und großartige Lagenweine hervor, wobei Chardonnay und Blaufränkisch die Speerspitzen bilden. Diese vermögen den Ausdruck eines bestimmten Weingartens mittels Finesse und Konzentration am besten zu zeigen. Seit der letzten Weingesetznovelle gehört auch das Gebiet Rust zum Leithaberg DAC. Trockene Weiß- und Rotweine können nun unter den Vorgaben der Herkunft Leithaberg DAC vermarktet werden. Als Sonderstellungsmerkmal hat der traditionelle Süßwein, der legendäre Ruster Ausbruch, eine eigene DAC bekommen, um seine historische Bedeutung hervorzuheben.

Vielfalt mit Herkunft

Trockene Weine mit der Herkunftsbezeichnung Neusiedlersee DAC und Neusiedlersee DAC Reserve werden ausschließlich aus der Rebsorte Blauer Zweigelt gekeltert, die in dieser Region die mit Abstand verbreitetste Rotweinsorte ist. In beiden Kategorien darf der Restzucker die Grenze von vier Gramm je Liter nicht übersteigen. Die fruchtigen Klassik-Weine können in Stahl oder im Holzfass ausgebaut werden, die Reserven reifen ein Jahr länger in großen Holz- oder in Barriquefässern. Nur sie dürfen eine Riedenbezeichnung führen und weisen einen Mindestalkohol von 13 Prozent auf. Alle anderen trockenen Weine von der Ostseite zählen zur Herkunft Burgenland.

Anders ist die Herkunftsbezeichnung am Westufer geregelt, denn die Leithaberg-­DAC-Weine gibt es sowohl in Weiß als auch in Rot. Auf den kalkreichen, manchmal mit Schiefervorkommen gewürzten Böden ist bei den Rotweinen das DAC ausschließlich der Sorte Blaufränkisch vorbehalten, die immer im Holzfass ausgebaut werden muss. Bei den trockenen Weißweinen können die Winzer aus mehreren Sorten auswählen, die heute als regionstypisch betrachtet werden. Infrage kommen als weißer Leithaberg DAC die Rebsorten Grüner Veltliner, Neuburger, Weißburgunder und Chardonnay, sortenrein oder auch als Cuvée miteinander.

Süsse mit Klasse

Rund um den Neusiedler See hat die Produktion von süßen Weinen eine jahrhundertalte Tradition. Diesem Umstand wurde in den letzten Jahren Rechnung getragen, indem diese Weinkategorie in den Rang der herkunftsgeschützten Produkte aufgenommen wurde. Bekannt sind die restsüßen Weine aus dem Seewinkel, jenem von den Orten Podersdorf, Apetlon und Illmitz gebildeten »Goldenen Dreieck«, wo im Herbst die Edelfäule Botrytis cinerea mit schöner Regelmäßigkeit auftritt. Hier kann der Wein als Neusiedlersee DAC (fruchtsüß) bezeichnet werden, wenn er aus einer weißen Qualitätsweinsorte als Spätlese oder Auslese erzeugt wird, die mindestens 45 Gramm Restzucker aufweist. Handelt es sich um eine Beerenauslese oder Trockenbeerenauslese, dann heißt die Bezeichnung Neusiedlersee DAC Reserve (edelsüß). In beiden Fällen darf zusätzlich die engere Herkunft Seewinkel verwendet werden, wenn die Trauben aus Apetlon, Illmitz und/oder Podersdorf stammen.

Am Westufer kann ausschließlich edelsüßer Wein aus Rust die DAC-Herkunft beanspruchen. Der Ruster Ausbruch DAC muss der Kategorie Trockenbeerenauslese entsprechen und darf nur aus Ruster Trauben in der Freistadt hergestellt und abgefüllt werden. Diese besondere Rarität wird ausschließlich aus sorgfältig von Hand selektierten Trauben gewonnen, die von Botrytis befallen wurden und natürlich am Rebstock geschrumpft sind.

Ein Kleiner Garten Eden

Das breite Angebot von Weinen, die rund um den Neusiedler See erzeugt werden, kann jeden Weinfreund zufriedenstellen. Denn vom einfachen Alltagswein für wenig Geld bis hin zu den gesuchten Ikonen aus nationalen und internationalen Sorten wird hier alles in bester Qualität angeboten. Es lohnt sich daher, die Regionen zu besuchen, mit den Winzern ins Gespräch zu kommen und die Weine vor Ort kennenzulernen. Zu den malerischen Winkeln in Rust, Mörbisch oder Eisenstadt bilden die modernen, architektonisch spannenden Weinbaubetriebe einen interessanten Kontrast. Neben einfachen Heurigen mit hausgemachten Schmankerln bietet eine ausgezeichnete Spitzengastronomie mit starkem Bezug zu regionalen Produkten die Möglichkeit, korrespondierende Weine aus den Wein-gärten rund um den See zu probieren und dann in den gut bestückten Regionalvinotheken oder gleich beim Winzer direkt einzukaufen.

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2023

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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