Die Köche Johann Maier und Viktor Gerhardinger interpretierten die bayerische Küche vegetarisch.

Die Köche Johann Maier und Viktor Gerhardinger interpretierten die bayerische Küche vegetarisch.
© Jennifer Endom

Bayerische Küche: Four-Hands-Dinner zeigt, wie sie vegetarisch funktioniert

Weißwurst, Sauerkraut und Haxen: Bayerischer geht es gar nicht, oder?! Mit diesem Klischee räumten in der vergangenen Woche die bayerischen Spitzenköche Johann Maier und Viktor Gerhardinger bei einem Vier-Hände-Menü in Berlin auf.

Vegetarische Küche wird deutschlandweit immer beliebter, doch verbinden nach wie vor viele Menschen die bayerische Küche vor allem mit deftiger und vor allem fleischiger Hausmannskost. Dass dem nicht länger so sein muss, haben die aus Bayern stammenden Spitzenköche Johann Maier und Viktor Gerhardinger in der vergangenen Woche unter Beweis gestellt. Maier, Küchenchef des Berliner »Oh, Panama«, lud am Mittwoch, den 10. Mai zu einem Vier-Hände-Dinner mit Viktor Gerhadinger, dem ehemaligen Küchenchef des vegetarischen Einsternerestaurants »Tian« in München ein. Die beiden kennen sich noch aus der bayerischen Heimat und sind seit vielen Jahren befreundet. Nachdem das »Tian«, für das Gerhadinger erst letztes Jahr einen Stern erkocht hat, wegen eines ausgelaufenen Pachtvertrags schließen musste, konnte man an diesem Abend noch einmal die prämierte vegetarische Küche im Schöneberger Innenhof genießen.

Johann und Viktor sei ein bisschen langweilig gewesen, erzählt Sommelier und Restaurantleiter Maximilian Schieber, obwohl das »Oh, Panama« gut besucht ist. Manchmal will man einfach mal etwas neues ausprobieren und den Gästen eine andere Seite der eigenen Kochkunst zeigen. Weil natürlich nichts schöner ist, als ein gemeinsames Kochen unter Freunden, haben Maier und Gerhadinger also kurzerhand ihren jeweiligen Küchenstil zusammengeschweißt, mit ein bisschen Heimat verbunden und ein einmaliges kulinarisches Erlebnis geschaffen.

Die Speisen des Abends waren eine stilistische Mischung aus dem Sharing-Plates-System des »Oh, Panama« und einer rustikalen vegetarischen Küche mit Klassikern wie Topfenknödeln und Beuscherl. In insgesamt dreizehn Gängen wurden die Gäste nicht nur durch innovative Versionen von bayerischen Klassikern geführt, sondern bekamen auch eine Fülle an saisonalem Gemüse auf den Teller.

Die Neuinterpretation der bayerischen Küche

Herausragend war schon die Amuse, eine Brotsuppe mit karamellisierter Zwiebel und eine Kosho-Butter, die das »Oh, Panama« auch regulär serviert und die in diesem Fall mit einem Fladenbrot aus Kartoffeln angerichtet war. Bei den Zwischengerichten überzeugte besonders die gedörrte Karotte in einer Obazda-Creme, da hier die Verbindung von klassischer Fine-Dining-Technik mit einem wohlbekannten Aroma sehr schön harmonierte. Interessant war auch ein Teller mit Goldkäppchen auf Tahini aus Sonnenblumenkernen mit Holunderkapern, der ebenfalls auf der Speisekarte des »Oh, Panama« zu finden ist. Durch die Textur der gedämpften Pilze und den erdigen Geschmack des Tahini erlangte das Gericht eine tolle Herzhaftigkeit, zur Vollkommenheit fehlte allerdings etwas Säure, die die nötige Frische hätte beisteuern können.

Wiederum besonders fein waren die Desserts, eine Art Bienenstich-Creme mit Honig Met und ein Spargeleis mit Beeren. Beide Nachspeisen waren eher zurückgenommen, wodurch die Produktqualität allerdings umso mehr in den Mittelpunkt rückte. Gerade das Honigaroma kam über die Süße hinaus toll zur Geltung.

Zum Menü schenkte Sommelier und Mitbetreiber Maximilian Schieber drei verschiedene Getränkebegleitungen aus. Die Weinbegleitung bestand in erster Linie aus low intervention Weinen, wie einem Cidre-Schaumwein. Ergänzend gab es ebenfalls eine Bierbegleitung, die das Interessanteste aus internationalen Brauereien gezeigt hat, sowie eine alkoholfreie Getränkebegleitung.

Besonders schön zu sehen war das Zusammenspiel des gesamten Restaurantteams. Durch die offene Küche konnte man die perfekt eingespielten Abläufe der Küchencrew beobachten, die trotz vollem Haus hin- und wieder Zeit hatte, Gäste zu begrüßen. Das Serviceteam hat sehr souverän und freundlich durch den Abend geführt, was bei einem Restaurant, das auf zwei Ebenen Gäste bewirtet, keine leichte Aufgabe ist. So kam ein wirklich gemütlicher Abend zustande, den man anschließend noch in der zum Restaurant gehörenden »Tiger Bar« ausklingen lassen konnte. Auf der Terrasse oder direkt an der Theke kann man hier sowohl Bar Classics als auch eine kleine, aber wirklich fantastische Auswahl an Eigenkreationen genießen.

Einen Besuch im »Oh, Panama« kann man all denjenigen ans Herz legen, die in diesem Sommer in entspannter Atmosphäre Sharing-Plates genießen und dazu interessante Weine oder Cocktails trinken wollen. Weitere Kooperationen mit verschiedenen Restaurants sind in Planung, also hin und wieder einen Blick auf die Website werfen. Zwar hat Viktor Gerhardinger aktuell keine kulinarische Heimat, auf zukünftige Projekte von ihm darf man aber sehr gespannt sein.


Viktor Gerhardinger wurde 1990 in Paassau geboren und absolvierte seine Koch-Ausbildung bei den »Geisel Privathotels« in München. Anschließend war er unter anderem Souschef im mit zwei Sternen ausgezeichneten Wiener Traditionshaus »Mraz & Sohn« und wechselte 2019 ins vegetarische Sternerestaurant »Tian« in München, wo er 2020 zum Küchenchef und ebenfalls mit einem Michelinstern ausgezeichnet wurde. Er legt den Fokus auf handwerkliche Qualität und Kunstfertigkeit und setzt auf Nachhaltigkeit sowie die Verwendung von saisonalen Zutaten.

Johann Maier ist gebürtiger Oberbayer und präsentiert im »Oh, Panama« eine raffinierte und unerwartete Küche, die Erinnerungen an ein gemütliches deutsches Familienessen hervorrufen kann. Um diesen Stil auf den Teller zu bringen, wählt er ausschließlich lokale und nachhaltig bezogene Zutaten von Landwirten aus seiner Region.

Maria Wollburg
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