© Matthaes / Kirchgasser Photograph

»Genussmomente«: Spitzenkoch Thomas Kellermann lädt zur Buchpremiere

Gourmet-Abenteuer am Tegernsee: Thomas Kellermann teilt in »Genussmomente« nicht einfach nur seine Rezepte. Vielmehr ist das Werk ein Spiegel seiner Küchenphilosophie und zeigt, wie der Zwei-Sterne-Koch aus Alltäglichem etwas Besonderes zaubert – und wie wichtig ein gutes Team dabei ist.

Das Thermometer zeigt schon vor Mittag 30 Grad an, Schönwetterwolken zieren das Bergpanorama und ein mehr als gut gelaunter Thomas Kellermann begrüßt seine Gäste in seinem Gourmetrestaurant »Dichter« in Rottach-Egern am Tegernsee.

Zugegeben nervös präsentiert Kellermann sein Buch »Genussmomente« an dem er fast ein Jahr lang gearbeitet hat. Vor rund sechs Wochen konnte er es zum ersten Mal in den Händen halten – ab dem 28. August ist es zum Kauf erhältlich. Begleitet von ein paar »Kleinigkeiten aus der Küche« erzählt Kellermann die Reise zu »Genussmomente« nach, nie ohne die zu vergessen, ohne die all das nicht möglich gewesen wäre: sein Team – sowohl in der Küche als auch im Service – und alle, die am Buch mitgewirkt haben.

Ausnahmezustand im »Dichter«

Während er die letzten Monate Revue passieren lässt, werkelt sein Team hinter ihm in der offenen Küche. Nur eine Glasschiebetür trennen sie voneinander. Kellermann stellt sich vor seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bevor er später selbst in die Küche verschwindet. Ein kleiner Ausnahmezustand herrscht an diesem Dienstag. Normalerweise wird der Tag genutzt, um die Gerichte für die restliche Woche vorzubereiten. Das »Dichter« empfängt seine Gäste normalerweise von Mittwoch bis Samstag.

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In »Genussmomente« präsentiert der 52-Jährige nicht nur Rezepte. Das Buch ist auch eine Spiegelung seiner Küchenphilosophie: die »Reduktion auf das Wesentliche«. Gleichzeitig sei das Werk eine Momentaufnahme, »ein Stück Zeitzeugnis«, so Kellermann, und 2023 »ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen«. Im Frühjahr folgte der zweite Michelin-Stern für das im »Parkhotel Egerner Höfe« beheimatete Restaurant – wie gerufen, kurz bevor das Buch fertig wurde.

Die Bühne, die er braucht

»Wir haben von Mittwoch bis Sonntag jeden Abend gefeiert«, erinnert Kellermann sich gerne zurück. Das war ihm wichtig – auch für das Team. Er wird nicht müde zu betonen, dass sie den Erfolg des »Dichter« und die Sterne mittragen. Noch bevor der Koch selbst zu Wort kommt, ist auf den ersten Seiten ein Team-Bild abgedruckt. Noch selbstverständlicher war es für Kellermann, seinem Team ein ganzes Kapitel zu widmen. »Ein Team-Bild war schnell gemacht, aber wie kann man sein Team widerspiegeln?«, fragte er sich. Auf sechs Seiten ist die Antwort abgedruckt: Ein Teamausflug zum »Gutshof Polting« stellte die perfekte Kulisse dar, um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter authentisch einzufangen. Auf sie folgt die Inhaberfamilie des Hotels: »Sie geben uns die Bühne, die wir brauchen, um unsere Arbeit darzustellen«, betont Kellermann.

»Hans Haas war ein riesiges Vorbild, was den Umgang mit Produkten, Produzenten und Mitarbeitern betrifft«

Er selbst hat lange auf einer Bühne gekocht, die er sein »kulinarisches Zuhause« nennt und die seinen Küchenstil nachhaltig prägte: Bei Hans Haas, im »Tantris« in München kochte er ganze acht Jahre lang – auch als Souschef. Die Zeit bei Haas habe ihn nicht nur handwerklich beeinflusst, »Hans Haas war ein riesiges Vorbild, was den Umgang mit Produkten, Produzenten und Mitarbeitern betrifft«, erinnert er sich. Zu der Zeit, kurz vor der Jahrtausendwende, sei es in Küchen üblich gewesen, dass Pfannen flogen und ein rauer Ton dazu gehörte – nicht so bei Haas. Bis heute verbindet die beiden Sterneköche eine »wunderbare Freundschaft«, diese und weitere emotionale Worte richtet sein Lehrmeister in seinem Grußwort zu Beginn des Buchs an seinen ehemaligen Souschef. Haas betont auch, welch eine großartige Leistung es ist, zweimal zwei Sterne in zwei Häusern zu erarbeiten. Vor rund 10 Jahren gab es die bereits als Kellermann Küchenchef im Restaurant »Kastell« im »Hotel Burg Wernberg« war.

»Es steht nichts still«

Den Spaß und die Freude am Kochen, hat er jedoch von seinem Vater geerbt, von der Mutter die Disziplin. Heute ist er selbst zweifacher Familienvater. Seine Frau, die er liebevoll »die Managerin der Familie« nennt, die zwei Kinder, sein Sterne-Restaurant… Man könnte meinen, Kellermann habe alles erreicht – glücklich wirkt er allemal. Doch »es steht nichts still«, sagt er entschlossen. Meilensteine werden erreicht, aber alles befinde sich in einem ständigen Prozess der Weiterentwicklung. Neue Gerichte waren schon am Entstehen, bevor das Buch überhaupt fertig war.

Tegernseer Saibling
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Tegernseer Saibling

»Genussmomente« selbst ist eine logische Konsequenz für Kellermann: »Beinahe jeder Küchenchef in der Sternegastronomie liebäugelt mit einem eigenen Buch«, glaubt er. Noch dazu war es ein Wunsch seiner Gäste und Kochkursteilnehmer. Dass nun der passende Moment gekommen ist, sei auch der Pandemie und dem Hotelumbau zu verdanken. Zum ersten Mal konnte Kellermann den »Reset« Knopf drücken, stand nicht wie sonst all die Jahre unter Strom. »Es war befreiend«, gibt er zu. Ein Ergebnis des Umbaus ziert schließlich auch das Cover: Ursprünglich nicht geplant, zeigt es nun die grünen Kacheln seiner Küche und spiegelt damit auch visuell sein zweites kulinarisches Zuhause wider.

In ihr entsteht all das, was auf rund 240 Seiten zusammengetragen wird. Die Rezepte, nach Jahreszeiten gegliedert, waren auch der Grund, warum die Gestaltung etwas länger in Anspruch genommen hat als üblich. Aber: »Ich war nie der Sprinter, sondern der Langstreckenläufer«, scherzt Kellermann. Ihre Basis: Klassisch Französisch, »aber neu interpretiert«, betont er.  Eingeleitet werden sie mit einer persönlichen Anekdote Kellermanns, gespickt sind sie mit kleinen Geschichten und Bildern zu seinen Produzenten und Partnern. Sie inspirieren Kellermann nicht nur zu Rezepten, sondern auch auf einer persönlichen Ebene.

Hommage an die Heimat

Neben dem »Gutshof Polting«, der sich auf Schafzucht spezialisiert hat, spielt Christoph von Preysing von der »Fischerei Tegernsee« eine wichtige Rolle im »Dichter«. Kellermann rutscht ins tiefe Bayrisch, wenn er von dem »wohl bekanntesten Fischer Deutschlands« spricht. Von von Preysing kommen regelmäßig Renke, Saibling, Seeforelle, Aal und mehr direkt aus dem See, in die Küche. Das Tatar von der Renke mit Weißbier und Holunder hat es sowohl ins Kochbuch, als auch zur Premiere geschafft. Das Weißbier, eine klare Hommage an Kellermanns Heimat, steht für die Tradition, die er selbst in Kindertagen in Lederhosen mit auf den Weg bekommen hat. Seine Großmutter, Inhaberin eines Wirtshauses, war daran nicht ganz unbeteiligt und trug dazu bei, dass es ihr Enkel heute schafft »aus dem Alltäglichen etwas Besonderes zu machen«.

Heraus kommen kleine Kunstwerke, in denen Kellermann aus den Produkten und Lebensmitteln die »spannendsten Seiten herauskitzelt«, wie er sagt. Für ihn sind sie Viktualien, das Wort Leben steckt darin, und transportiere seinen Respekt und seine Achtung vor dem, was die Natur hergibt, viel glaubhafter.

Neben Saibling, ohne den Kellermann sich ein Leben nicht vorstellen kann, gehören auch Kohlrabi, Rote Beete und Fenchel zu diesen Viktualien. Mit letzterem verbindet er eine besondere Geschichte. Sie ist auf Seite 46 nachzulesen und führte schließlich dazu, dass Stammgäste den Namen dieses Gerichts prägten: »Wie ein Phönix aus der Asche« stieg er für sie aus dem Salzteig empor. Geboren war der »Phönix-Fenchel«.

»It's a Long Way to the Top (If You Wanna Rock 'N' Roll)«

Solche Geschichten machen Lust, die Rezepte in der eigenen Küche umzusetzen und nehmen die Scheu derer, die denken, Sterneküche sei elitär und nichts für die eigenen vier Wände. Teils stimmt Kellermann dem sogar zu: »Es sind aufwändige Rezepte, die einen gewissen Kick haben – gut für Weihnachten oder einen Sonntag geeignet«. Guten Amateuren gingen sie vielleicht leichter von der Hand, gleichzeitig sind sie so gestaltet, dass man sie einfach reduzieren kann und Komplexität herausnehmen kann, ohne sie beim Geschmack zu verlieren. »Den kann man nicht in einem Buch transportieren, deswegen ist die Bildsprache so wichtig«, fügt Kellermann hinzu – das Food Styling hat er selbst übernommen.

Und auch sonst hält der Sternekoch sich wenig zurück, packt mit an, wo es brennt – und bleibt dabei die Ruhe selbst. Sein Geheimnis verrät er schon auf Seite Sieben: »It's a Long Way to the Top (If You Wanna Rock 'N' Roll)«, steht dort geschrieben. »In der Küche darf jeder mal seine Playlist auflegen. Manchmal rümpft man die Nase«, gibt Kellermann zu. Ist er dran, gibt es die »Foo Fighters«, »U2« oder eben »ACDC« auf die Ohren, »ab 18:00 Uhr herrscht allerdings Ruhe und es wird konzentriert gearbeitet«, dann sieht er sich als Unterstützer für seine Mitarbeiter – »ohne die all das nicht möglich gewesen wäre.«

Thomas Kellermann
Genussmomente
Gourmetrestaurant Dichter.
Erlesene Menüs aus der Sterneküche der Egerner Höfe am Tegernsee von Spitzenkoch Thomas Kellermann.

Matthaes Verlag
August 2023
ISBN 978-3-98541-062-0
240 Seiten, 246 x 295 mm, fester Einband (mit Lesebändchen)
Mit farbigen Fotos
58,00 €

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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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