War's das mit ausgedehnten Abenden in Restaurants?

War's das mit ausgedehnten Abenden in Restaurants?
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Reservierungszeitfenster: Der Untergang der Gemütlichkeit?

Essen gehen und dann noch lange beisammensitzen? Oft ist das nicht mehr möglich. Mehr und mehr Restaurants vergeben zeitlich begrenzte Reservierungen. Ist das das Ende der Gemütlichkeit?

»Wir haben Ihren Aufenthalt bei uns mit anderthalb Stunden eingeplant«, steht in der freundlichen E-Mail-Bestätigung vom Lokal »Frühstück 3000« in Berlin-Schöneberg. Die bisher kaum übliche Sitte der Reservierungszeitfenster greift jetzt auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz um sich. Ging es einst beim Ausgehen hierzulande nicht vor allem darum, ohne Anmeldung ausgiebig zu essen und sich gerade um die Zeit keine Gedanken zu machen?

Zwei-Stunden-Zeitfenster

»Buchungen werden regulär in Zeitfenstern von 2 Stunden vergeben«, schreibt das »Trio« in Berlin-Mitte, eine Gaststätte neuer Generation, von der gerade viele Szenegänger in der deutschen Hauptstadt reden. Ab vier Personen verlängere sich die Zeit um eine halbe Stunde. Im Münchner Glockenbachviertel verkündet das »Fesch«: »Unsere generellen Reservierungszeiten sind entweder ab 17.30/18.00 Uhr für zwei Stunden oder ab 19.45 Uhr für den restlichen Abend.«

Nicht nur Restaurants in München und Berlin machen jetzt solche Ansagen – auch gut nachgefragte Gastronomiebetriebe in Wien, Salzburg, Hamburg, Frankfurt, Köln, Leipzig, Stuttgart, Zürich oder in beliebten Urlaubsorten zwischen Sylt und Engadin, Rügen und Tirol folgen dem Trend.

In der internationalen Gastronomie

Vor allem in besonders teuren Städten sind Time-Slots schon lange üblich, wie Vielreisende zu berichten wissen. In New York, Los Angeles, San Francisco, London, Paris, Kopenhagen und Stockholm werden Tische mancherorts sogar dreimal am Abend besetzt. In den deutschsprachigen Ländern – besonders in der Schweiz und Österreich – waren Reservierungszeitfenster dagegen bis zum Jahr 2020 eher eine Ausnahme. In der Pandemie, als Plätze phasenweise aufgrund der Corona-Regeln begrenzt wurden, wurden die unentspannte Reservierungsart salonfähig.

Untergang der Gastfreundlichkeit

Für Gäste und Gastronomen ist es zweifellos praktisch, wenn über ein paar Klicks in Online-Reservierungssystemen wie Opentable, Quandoo, Sevenrooms oder Reservision ein Tisch gebucht werden kann. Wer mit Leuten über zeitlich begrenzte Reservierungen spricht, hört aber schnell Sätze wie »Ich finde das irgendwie unsympathisch«, »Ich fühle mich dann getrieben und wie eine Geldmaschine, die rasch gehen soll« oder »Ich halte das für den Untergang der Gastfreundlichkeit«.

Insbesondere mit Blick auf die rasant steigenden Kosten in den Bereichen Energie, Lebensmittel und Personal müssen unsere Betriebe mehr denn je genauestens kalkulieren und Wege finden, um ihre Kostensituation in den Griff zu bekommen.
– Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga)

Verständnis zeigt sich auch auf der Seite des »Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes«. Für die Geschäftsführerin Hartges ist jedoch klar, dass es keinen grundsätzlichen Kulturwandel gebe und es nicht das Ende der deutschen Gemütlichkeit sei, denn für nachhaltigen Erfolg seien weiterhin gutes Essen, freundlicher Service und die Wohlfühlatmosphäre die entscheidenden Faktoren.

Juristisch nicht zu beanstanden

Man kann sich über diesen Trend echauffieren – die Verbraucherzentrale hält jedoch fest, dass Reservierungszeitfenster rechtlich nicht zu beanstanden sei:  »Die Gastwirte können daher den Zeitrahmen für einen Besuch der Gäste beliebig festlegen. Um die Gäste nicht zu verärgern, ist es wichtig, dass dies bei der Reservierung bereits klar und deutlich kommuniziert wird.«

Ein Blick nach Übersee

Es hilft ein Blick nach Kalifornien, um sich klarzumachen, wo die Reise nicht hingehen sollte. Dort werden Gäste mit zu viel Sitzfleisch von ihren Tischen an die Bar gebeten, um ihre nächsten Gläser dort weiterzutrinken – so viel Anstand und Zeit für Gemütlichkeit ist hierzulande (glücklicherweise) noch nicht verloren. (APA/dpa/Red)

Ferdinand von Vopelius
Ferdinand von Vopelius
Portalmanager Österreich
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