Bereits in der Jungsteinzeit begann die Zähmung der Schweine durch den Menschen. Daraus entwickelte sich das Hausschwein, das mit dem Wildschwein bis vor etwa 200 Jahren die einzige Schweine-Art auf der Welt war.

Bereits in der Jungsteinzeit begann die Zähmung der Schweine durch den Menschen. Daraus entwickelte sich das Hausschwein, das mit dem Wildschwein bis vor etwa 200 Jahren die einzige Schweine-Art auf der Welt war.
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Saugute Vielfalt: Alte Schweinerassen feiern ihre Renaissance

Vor etwa 9.000 Jahren begannen die Menschen, Schweine zu domestizieren. Heute ist das bekannte blassrosa Hausschwein nur eine von unzähligen Arten, die kultiviert werden. Denn seit Kurzem wird auch wieder vermehrt auf alte, fast vergessene Kreuzungen gesetzt.

Duroc, Iberico, Mangalitza – Gourmets läuft alleine schon bei diesen Namen das Wasser im Mund zusammen. Kein Wunder, ist doch das Fleisch dieser alten Schweinerassen in den vergangenen Jahren zur Delikatesse avanciert. Das liegt unter anderem daran, dass es mehr Fett enthält und das Kochergebnis deshalb ungleich besser und saftiger schmeckt. Aber auch der Landwirtschaft tun die besonderen Rassen gut, denn sie fördern nicht nur die Biodiversität, die Tiere sind ihren modernen Artgenossen aus der Fleischindustrie auch in anderen Punkten um Längen voraus.

Denn es ist noch kein Jahrhundert her, dass sich in der Zucht von Nutztieren ein verhängnisvoller Trend durchsetzte: Mit steigenden Bevölkerungszahlen und ebensolchem Wohlstand wurde Fleisch ein immer gefragteres Lebensmittel. Der Fokus in der Fleischproduktion verlagerte sich also auf Quantität – es musste schnell, billig und in großer Masse hergestellt werden. Für Bauern bedeutete das eine Umstellung auf Rassen, die nicht nur besonders rasch wuchsen und viel Fleisch lieferten, sondern auch den geänderten Wünschen der Verbraucher entsprachen: Verlangt wurde jetzt möglichst fettarmes Fleisch. Mit der Züchtung von »Hybridtieren«, die diese Voraussetzungen erfüllten, wurde der hohe Bedarf an kostengünstigem Schweinefleisch gedeckt – allerdings zum Leidwesen von Tier, Produzent und schlussendlich auch Verbraucher.


Neue alte Rasse: das Noirlitza

Drei alte Rassen hat der deutsche Schweinezüchter Reiner Huß miteinander gekreuzt und so ein wahres Wunderschwein geschaffen: Die Gene des Wollschweins sorgen für höchste Speckqualität und ausgeprägte Mutterinstinkte, sodass die Ferkel behütet – und artgerecht – heranwachsen können. Vom beteiligten Duroc stammt der kräftige Körperbau und der ideale Muskelansatz. Die dritte Rasse, die geheim gehalten wird, sorgt schließlich dafür, dass die Schweine langsamer wachsen als reinrassige Durocs und erst später geschlachtet werden können.

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Die (Wieder-)Entdeckung der Langsamkeit

Dem Bewusstsein für nachhaltige Lebensmittelerzeugung und dem Bedürfnis nach ethisch korrektem Fleischgenuss und hochwertigen Produkten ist es zu verdanken, dass im neuen Jahrtausend vielerorts wieder ein Umdenken stattfindet: Fleisch soll keine industriell produzierte Massenware mehr sein, und das Tierwohl steht wieder höher auf der Prioritätenliste – genauso wie der Geschmack. Während das Fleisch in konventionellen Supermärkten nach wie vor meist von Hochleistungstieren stammt, setzen viele kleinere Betriebe heute wieder vermehrt auf die fast vergessenen Züchtungen. Diese brauchen zwar mehr Zeit bei der Aufzucht, denn im Vergleich zu ihren hochgetunten Verwandten wachsen Mangalitza und Co. deutlich langsamer und haben geringere Wurfgrößen und somit im Schnitt weniger Nachkommen. Außerdem sind sie meist kleiner und liefern deshalb weniger Fleisch. Doch diese vermeintlichen Nachteile sind eigentlich entscheidende Pluspunkte: Denn richtig gutes Fleisch liefern Schweine erst, wenn sie mindestens einmal Geburtstag hatten. Alte Rassen sind zudem robuster und weniger anfällig für Krankheiten, sie können das ganze Jahr über im Freien gehalten werden und in ihrem natürlichen Rhythmus leben und sich fortpflanzen. Und für Genießer besonders relevant: Muskulatur- und Fettanteil – vor allem das intramuskuläre Fett – sorgen für fein marmoriertes und unvergleichlich geschmackvolles Fleisch.

»Schweine liefern erst dann so richtig gutes Fleisch, wenn sie mindestens schon einmal Geburtstag gehabt haben.«

Reiner Huss, Schweinezüchter und Fleischer

Der Fleischer und Züchter Reiner Huß widmet sich im norddeutschen Bundesland Schleswig-Holstein seit einigen Jahren der Zucht und Verarbeitung alter Tierrassen. Seine Schweine dürfen im Freien und mit viel Bewegung gemächlich größer werden, fressen bestes Bio-Futter und werden behutsam und qualfrei geschlachtet. Dabei geht es ihm nicht nur um die Erhaltung alter Genetik, sondern auch um den bewussten und respektvollen Umgang mit Ressourcen. Das Ergebnis sind kleinere Mengen Fleisch, Schinken und Speck in Spitzenqualität, die geschmacklich kaum etwas mit dem zu tun haben, was man im Supermarkt kaufen kann. Huß schreckt dabei auch nicht vor Innovationen zurück – im Gegenteil. Vor einigen Jahren ist es ihm nach langer Recherche sogar gelungen, drei alte Schweinerassen zu kreuzen und so ihre vorteilhaften Eigenschaften zu vereinen.

Wilde Familie

Aber selbst die »alten« Rassen suhlen sich erst seit rund 200 Jahren auf Wiesen und Weiden. In den Jahrtausenden davor gab es neben dem Hausschwein nur eine einzige andere Art, die gleichzeitig auch Vorfahre aller heute existierenden Rassen ist: Wildschweine waren einst nur im Gebiet zwischen Westeuropa und Südostasien heimisch. Aufgrund der Ansiedelung einzelner Exemplare durch den Menschen tauchten jedoch bald auf allen Kontinenten wachsende Populationen auf, die dann durch intensive Jagd wieder minimiert oder gar ausgerottet wurden. Heute ist die Bejagung hierzulande wie bei Rotwild reglementiert, vielerorts haben sich Wildschweine ihren ursprünglichen Lebensraum zurückerobert und die Bestände erholen sich. Das führt – auch durch die Ausdehnung der menschlichen Siedlungen, immer wieder zu unfreiwilligen Begegnungen, wenn die Allesfresser auf der Suche nach Nahrung durch städtische Wohngebiete streifen. Doch weil sie eigentlich mit Vorliebe im Waldboden wühlen, sind sie für dessen Ökosystem überaus wichtig.

Kleine Schweinekunde

Die Züchtung von Schweinerassen abseits von Haus- und Wildschwein dürfte ihren Ursprung im England des ausgehenden 18. Jahrhunderts gehabt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Hausschweine wichtiger Fleisch- und Fettlieferant, reinrassige Tiere gab es aber aufgrund ihrer Fütterung kaum. Denn zur Eichelmast wurden die domestizierten Tiere regelmäßig in den Wald getrieben, wo sie sich immer wieder mit ihren wilden Verwandten paarten. Erst im Zuge der Stall- und Weidehaltung entstanden nach und nach jene Sorten, die heute wieder auf dem Vormarsch sind. Eines der bekanntesten Ergebnisse dieser Züchtungen sind die Wollschweinarten. Deren prominentester Vertreter ist das Mangalitza-Schwein, das seinen Ursprung in Ungarn hat und vor allem für den besonders feinen Speck geliebt wird. Die Tiere mit dem krausen Wollkleid galten zwischenzeitlich als beinahe ausgestorben, erfreuen sich jüngst aber in Küchen und Landwirtschaften wieder großer Beliebtheit.


Trüffelschweine

Obwohl die geruchsintensiven Knollen heutzutage beinahe ausschließlich von Hunden aufgespürt werden, galten Schweine mit ihrer feinen Nase lange Jahre als perfekt geeignet für die Trüffelsuche. Eingesetzt wurden dazu gewöhnliche Hausschweine, deren entscheidender Nachteil schließlich dazu führte, dass sie den Job verloren – denn die schlauen Tiere lassen sich nur schwer abrichten. Und so fraßen viele ihre wertvollen Funde kurzerhand einfach selbst auf, statt diese zu melden.


Caroline Metzger
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