© Shutterstock

Trachtenverbot in Münchner Bars: »Wir bieten unseren Gästen einen geschützten Raum«

In München herrscht während des Oktoberfests Ausnahmezustand. Überall sind Trachten, Betrunkene, Touristen. Gleichzeitig entscheiden sich viele Barbesitzer für ein Trachtenverbot. Mario Messig aus der Bar »Garçon« erzählt, was ihn dazu bewogen hat.

Die Bar »Garçon« liegt gleichzeitig zentral, nur eine Straße vom Marienplatz entfernt, und doch versteckt genug, dass man sich hier eine Pause von der Hektik des Alltags nehmen kann. Gerade während des Oktoberfestes, wenn Millionen von Besuchern die Stadt fluten, sind solche Orte selten. Doch es gibt sie – auch weil es Barchefs wie Mario Messig gibt, die sich dazu entscheiden, in ihren Cocktailbars ein Trachtenverbot zu verhängen.

Mario Messig, in Ihrer Bar »Garçon« bedienen sie während des Oktoberfestes keine Gäste in Trachten. Warum nicht?

Dafür gibt es ganz viele Gründe.

Erzählen Sie mal.

Wir sind ein recht intimer, ein kleiner Raum. Da kann die Stimmung ganz schnell kippen, wenn Menschen mit verschiedenen Energien aufeinandertreffen. Deshalb nehmen wir grundsätzlich auch keine größeren Gruppen an, weil eine große Anzahl an Leuten schnell die Atmosphäre bestimmt.

Das wollen Sie nicht?

Die Atmosphäre ist in der Gastronomie im Allgemeinen und bei uns nochmal besonders wichtig. Sie ist ein Teil des Produkts, das wir verkaufen. Wir versuchen unseren Gästen eh jeden Abend einen geschützten Raum zu bieten. Während des Oktoberfests wollen wir das umso mehr schützen, weil die Leute, die in die Cocktailbar gehen, gerade nicht auf die Wiesn gehen wollen.

Was meinen Sie mit einem geschützten Raum?

Wir sind ein kleiner Laden, ein gemütlicher Laden, ein privater Laden. Das will ich unseren Gästen in den zwei Wochen nicht nehmen.

Ist es ok, Menschen anhand ihrer Kleidung pauschal vorzuverurteilen?

Das ist kein pauschales Urteil, das ist ein Urteil aus Erfahrung. Und die Erfahrung zeigt, dass Wiesngäste bei uns auch keine schöne Zeit hatten. Zumindest nicht so wie sonst. Weil sie sich auf das, was das »Garçon« anbietet, nicht mehr einlassen konnten. Die sind angeeckt, die waren zu laut. Sowas funktioniert in so einer kleinen Bar nicht. Wenn man zwei Maß Bier im G’sicht hat, grade vom Volksfest kommt, die Zeit seines Lebens hat und das komplett rauslässt, dann zuckt mir der ganze Laden z’am. An einem anderen Tag können sie dann gerne wieder bei uns vorbeikommen – in Zivil. Aber wenn man von der Wiesn kommt – ohne irgendjemanden etwas zu unterstellen – dann sucht man etwas anderes. Dann hast du einen gewissen Alkoholpegel, du hast die Bierzeltatmosphäre gerade hinter dir, da denkst du nicht: Komm, jetzt gehen wir nochmal ganz entspannt ein, zwei Cocktails trinken.

Was will man dann?

Party machen. Und dafür sind wir von Haus aus der falsche Ort. Mit der Regel schützen wir aber nicht nur unsere, sondern auch die Wiesngäste vor Konflikten. Bevor wir die Regel eingeführt haben, sind mal Stammgäste von der Wiesn gekommen und wollten unbedingt noch bei uns vorbeikommen. Was ja schön ist. Aber das hat keinem so wirklich Spaß gemacht. Die sind später vorbeigekommen und haben gesagt: Hey, sorry, da war ich ein bisschen daneben, unsere Stimmung war nicht so passend wie sonst. Die haben das im Nachhinein auch nicht genossen, sondern sich eher Gedanken gemacht.

Da sind Welten aufeinander gestoßen.

Letztens hat ein befreundeter Gastronom zu mir gesagt, wenn man die Bar »Garçon« betritt, betritt man einen Raum mit Regeln – das ist aber auch ok.

Sie sind eine strenge Bar?

Vielleicht empfinden manche das als spießig. Das ist für mich total ok. Und zusätzlich zu unseren Gästen und unseren Regeln schützen wir mit dem Trachtenverbot unsere Mitarbeiter.

Wie das?

Wir schützen sie davor sich in diesen zwei Wochen körperlich und emotional und seelisch völlig zu verausgaben, weil sie ständig in Ausnahmesituationen kommen.

Wie gehen Sie damit um, wenn jemand offensichtlich nüchtern ist, aber Tracht trägt?

Am Samstag hatten wir die Situation, dass wir eine Gruppe draußen hatten, dann kam eine Frau in Tracht dazu. Die war total nett. Aber wir müssen da streng sein. Ich habe ihr das erklärt, dass wir diese Regel haben, dass es nichts Persönliches ist, sondern ein Schutz der Atmosphäre – und das war dann auch ok für sie.

Es wirkt so als seien zwei Lager in der Stadt: einerseits die bayrische Wiesntradition mit Trachten und Bier, andererseits die international geprägten Cocktailbars. Durch das Trachtenverbot scheint es, als wollte man nicht, dass sich diese Lager durchmischen.

Ich sehe das nicht in Lagern. Wir bedienen zwei verschiedene Bedürfnisse. Das eine ist ein sehr ausgelassenes Volksfest, auf dem es total viel Spaß machen kann, sich gehen zu lassen, ein Bier zu trinken, Fahrgeschäfte zu fahren, die Zeit seines Lebens zu haben. Etwas ganz Besonderes. Das andere ist die Cocktailbar, die eher ein privates, zurückgezogenes Erlebnis anbietet. Man hat ein Date, trifft sich mit guten Freunden, ein Ort, um Gespräche zu führen, sich kennenzulernen oder auszutauschen. Und weil das so unterschiedliche Bedürfnisse sind, kann man die schwerlich beide an einem Abend bedienen.

Moritz Hackl
Mehr zum Thema