Assaf Granit führt in verschiedenen Ländern 16 Restaurants, neu hinzugekommen ist das »Berta« in Berlin.  

Assaf Granit führt in verschiedenen Ländern 16 Restaurants, neu hinzugekommen ist das »Berta« in Berlin.  
© Guy kushi and Yariv Fein

Wie schmeckt's im »Berta«?

Der israelische Starkoch Assaf Granit hat in Berlin ein Restaurant eröffnet, das sich an der Küche seiner Großmutter orientiert. Ist es den Hype wert?

Geografisch korrekt ist vermutlich »Mitte«. Eine angenehme Flaniergegend ist die Zone zwischen Anhalter Bahnhof und Abgeordnetenhaus allerdings nicht – zumindest, wenn man nicht abgeordnet ist. Im Dienste der kulinarischen Völkerverständigung allerdings gibt es vakante Posten. Sie befinden sich in der Stresemannstraße 99, und die Haupttätigkeit bezieht sich aufs Essen und Trinken. Arbeitgeber ist Assaf Granit, 44 Jahre alt, israelischer Starkoch, der erstmals ein Projekt in Berlin gestartet hat.

Zu seinem Team gehören rund 30 Köpfe, etwa ein Drittel befindet sich hinterm Tresen der offenen Küche; auf Granits Lektüre der eingehenden Bestellungen antworten sie stets und einhellig mit »Yes, Chef!« – so, wie man es aus der gefeierten Serie »The Bear« kennt. Das sei so ein Pariser Ding, erklärt Barmann Noam, während er die Vorspeisen drapiert. Denn in Paris, da kamen die vier Köpfe der JLM Group zusammen, als sie entschieden haben, dass Berta, Granits Großmutter, eigentlich institutioneller Tribut gezollt gehört. Mit einem israelischen Restaurant namens »Berta«, das vor wenigen Wochen eröffnete.

Ein Konzept, das in Berlin seinesgleichen sucht

Jene Köpfe, das sind neben Granit außerdem Dan Yosha, Uri Navon und Tomer Lanzman, allesamt keine kulinarisch unbeschriebenen Blätter. Während Granit inzwischen 16 weitere Restaurants in Jerusalem, Tel Aviv, London sowie Paris – wo sein mit Michelin-Stern ausgezeichnetes »Shabour« steht – besitzt, komponiert der Rest des Trupps in Berlin eine Küche, deren Konzept berlinweit ihresgleichen sucht. Der Ansatz scheint bekannt, Tradition trifft Moderne, hat man gesehen. Nicht aber in diesem musischen Mix, und nicht in Form eines Machneyudam. Das ist eine Trüffelpolenta mit jungem grünem Spargel und Gewürzen.

Viele Gewürze, unterm Strich, schmeckt es süß und bitter, erdig und pfeffrig, fruchtig auch, immer ein wenig zitrisch. Vorweg: Es sind Geschmäcker, die wir deutschen Würzfeiglinge schlichtweg nicht drauf haben.

Aubergine in allen Varianten

Den Anfang macht immer Kubaneh, Jerusalem Bagel und Frenavon. Das essentielle Gewürz ist Zatar, eine Mischung aus Thymian, Oregano und Sesam, außerdem Sumach. Dazu gibt es allerhand Dips in verschiedenen Farben, nichts übertrifft dabei die Anchovybutter. Klar im Vorteil ist, wer Auberginen mag, denn der einverleibt sich zur zweiten Vorspeise »Criza”: Aubergine in all ihren Varianten. Püriert, gewürfelt, gebraten, frittiert, außerdem fruchtig, würzig und scharf; die Sitznachbarin bestellt sich den Starter als Nachtisch, und das spricht für sich.

Zu empfehlen ist außerdem das »Tsimas«, Tataki Thunfisch mit einer Panade aus Rosinen, Mandeln, zudem Apfel-Karottenpüree und einer gemeinen Sauce aus Rosenwasser-Ayran und Karotten-Essenz. Gemein, weil es keinen Löffel dazu gibt. Es bleibt nichts anderes übrig, als die butterzarten Thunfischfilets ins fruchtig-würzige Ayrangemenge zu tauchen.

»Jewish Ravioli«, gefüllt mit Parmesan

Ein Löffel wird aber gereicht für »Kugel«, ein Wirsing-Gratin mit Honig, schwarzem Pfeffer, Cashew und, ja richtig, Eiscreme. Dringende Empfehlung: Löffel behalten, denn die Saucenmomente bleiben bestehen. Wobei es nicht ist, als könne man nicht laufend fragen, gerade am Tresen sitzend – dem in Wahrheit besten Platz im Restaurant. Hier wird nämlich »Meshi Octopus mit Harira und Sellerie-Salsa« drapiert, für Vegetarier mit grünem Spargel.

Das Magen-Management ist anspruchsvoll, doch keiner hat gesagt, es würde leicht werden. Denn wer es geschafft hat, Vor-Vorspeisenbrot nicht aufzuessen, wer es eloquent durch die Starters geschafft hat, der greife jetzt bitteschön zum Kreplach, denn um ihn geht es. Noam macht es kurz und übersetzt mit »Jewish Ravioli«, aber stapelt tief, denn in Wirklichkeit sind es aus der aschkenasisch-jüdischen Küche stammende Teigtaschen, international irgendwo zwischen Tortellini, Maultaschen und Pelmeni angesiedelte Teigtaschen, in diesem Falle gefüllt mit  Parmesan und begleitet von Miesmuscheln, Speck, karamellisierten Zwiebeln und einer Sauce aus Milchschaum und Bier. Ein Löffel ist hier abermals nicht verkehrt.

Das Gute am Tresen außerdem: man ist quasi Teil des Teams, wenn etwa einmal die Stunde mit Arrak angestoßen wird. So manch einem Gast rutscht »Yes, Chef«, statt »Le'chajim!«, also dem israelischen “Prost” heraus, aber das macht jetzt auch nichts mehr. Wer jetzt noch Platz im Magen hat, gewinnt.

Dessert, direkt in den Mund

Nämlich geräucherten Seebarsch mit Kräutern, Spätzle und Chraime-Sauce. »Chraime« ist ein traditioneller und herrlich würziger Fischeintopf, dessen Name sich vom arabischen Wort für »scharf« ableitet. Oftmals wird er von Juden am Erew-Schabbat sowie an Rosch Haschana und Pessach zum Seder gegessen. Dazu gibt es einen israelischen roten Recanati Reserve 2016, laut Sommelière perfekt als »Brücke zum Dessert«. Letzteres wäre etwa ein »Safta Lea Kompott«, das ist ein Grießkuchen mit Apfel und Birne, Thymian-Karamell und Koriandersamen-Eiscreme. Eine trittfeste und zuverlässige Brücke ist der Wein.

Man mag Gefüttertwerden mögen oder auch nicht, aber mit Vorankündigung und auf Nachfrage hin, ist er kaum möglich abzulehnen: den mit Schokoladenmousse, Kardamom-Kaffee-Streusel, Olivenöl und Salz direkt über den Tresen in den Mund geschobenen Löffel. Kindlicher wird man sich an diesem Tag nicht mehr fühlen. Auf dem Weg nach Hause bleibt dunkler Kakao, Salz, fruchtiges Öl und eine warme Würznote auf der Zunge.

Juliane Eva Reichert
Autor
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